Aufgrund des Coronavirus wollen viele Kantone die Maturitätsprüfungen streichen. Doch wie relevant sind diese überhaupt? Ein Bildungsexperte spricht Klartext.
Matura Coronavirus
Aufgrund des Coronavirus herrscht grosses Chaos rund um die Maturitätsprüfungen. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Wirbel um die Maturitätsprüfungen scheint kein Ende nehmen zu wollen.
  • Etliche Kantone wollen die Prüfungen streichen, einige halten daran fest.
  • Ein Bildungsexperte appelliert an die generelle Abschaffung von Abschlussprüfungen.

Im ganzen Chaos rund um das Coronavirus und die Schulöffnungen leiden auch die Abschlussklassen der Berufs- und Mittelschulen. Besonders um die anstehenden Maturitätsprüfungen wurde in letzter Zeit viel Wirbel gemacht.

Einige Kantone wie Zürich, Basel oder Bern wollen die Prüfungen streichen und mit Erfahrungsnoten den Abschluss bewerten. Andere Kantone wie Luzern oder St. Gallen halten an den Klausuren fest. Maturanden sind empört und verunsichert, man wünscht sich Klarheit.

Die eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz schlägt vor, der Kanton solle selber entscheiden. Noch diese Woche soll der Bundesrat das Go geben. Es stellt sich die Frage: Sind Prüfungen in dieser Form überhaupt noch notwendig?

Maturitätsprüfungen sind überflüssig und veraltet

«Die Maturitätsprüfungen sind überflüssig, zu 100 Prozent», so Bildungsforscher und Dozent Christoph Schmitt. Denn solche Prüfungen seien die Spitze eines Lernsystems, welches die Menschen nicht genügend auf die reale Welt vorbereite, kritisiert Schmitt.

Christoph Schmitt
Der Bildungsexperte Christoph Schmitt hofft auf Abschaffung der Maturitätsprüfungen dank Coronavirus. - Christoph Schmitt

Am Ende einer zwölfjährigen Schulkarriere die Schüler isoliert an Tische zu setzen und Wissen abzufragen - das sei kaum zeitgemäss. Die eigentlichen Zukunftskompetenzen würden im gegenteiligen Bereich liegen. Schüler sollen beweisen können, dass sie gut zusammenarbeiten können. Oder wie gut sie zusammen Probleme lösen können, so Schmitt.

Für ihn ist eine Sache sicher: «Das Konzept dieser isolierten Prüfungen ist tatsächlich völlig sinnlos.»

Das Bildungssystem lebt von der Kontrolle über das Lernen

Schmitt nervt sich, dass es «im öffentlichen Bildungssystem in erster Linie um Kontrolle geht. Solange man die aufrecht erhalten möchte, muss man auch so prüfen». Wie viel man lernt, was man lernt und wann man lernt - all diese Faktoren würden durch Prüfungen kontrolliert.

Schule Coronavirus
Der Kanton Zürich will die Maturprüfungen wegen des Coronavirus ausfallen lassen. - dpa

«Die Prüfungen bringen nur dem Schulsystem etwas. Als junger Mensch lernt man in der Prüfungsvorbereitung eben genau das: Sich auf eine Prüfung vorzubereiten», erklärt der Bildungsexperte. Diese Fähigkeit sei «im realen Leben völlig überflüssig.»

Gemäss Schmitt sei schon seit geraumer Zeit bewiesen, dass der Grossteil des gelernten Wissens nach kürzester Zeit wieder vergessen werde. So kommt er zum Schluss: «Natürlich kann man die Maturitätsprüfungen abschaffen.»

Durch Coronavirus werden Alternativen geprüft

Dass die Prüfungen aufgrund des Coronavirus nicht mehr in traditioneller Weise durchgeführt werden können, hat also durchaus seine Vorteile. «Man experimentiert zurecht endlich etwas», freut sich Schmitt.

Matura Schweiz
Die Maturaden in der Schweiz lernen derzeit für Prüfungen, ohne zu wissen, ob diese wegen des Coronavirus stattfinden werden (Symbolbild). - Keystone

«Alternativen werden sicher mal versuchsweise eingesetzt, während das Coronavirus traditionelle Prüfungen verhindert. Institutionen machen gerade gute Erfahrungen damit.» Zu solchen Alternativen gehöre beispielsweise, die Notendurchschnitte aller Schuljahre zusammenzurechnen, wie dies in vielen Berufsschulen getan werde.

Denn heutzutage würden Kompetenzen komplett anders beurteilt als das früher der Fall war, so Schmitt. Beispielsweise würden grosse Firmen talentierte Schüler schon weit vor den Prüfungen über Plattformen wie «LinkedIn» abgreifen.

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