Zusammen spielen, Regeln einhalten, Konflikte lösen: Doch die Corona-Massnahmen erlauben ihnen zurzeit keine Kontakte mit anderen Kindern. Experten warnen.
Kinder Coronavirus
Geschlossene Kitas und Spielplätze: Auch kleinere und grössere Kinder leiden in Zeiten des Coronavirus unter Einschränkungen. (Symbolbild) - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Für Kinder sind soziale Kontakte mit Gleichaltrigen äusserst wichtig für die Entwicklung.
  • Dieser fehlt derzeit allerdings wegen den Kontaktverboten.
  • Experten warnen vor den Folgen dieser Isolation.

Spielplätze gesperrt, Freunde und Oma treffen verboten, Kitas und Schulen weitgehend geschlossen: Auch für Kinder gibt es wegen der Corona-Krise massive Einschränkungen. Experten fürchten: Je länger die Massnahmen andauern, desto mehr könnte sich das negativ auf die Entwicklung auswirken.

«Durch das Kontaktverbot und das Eingesperrtsein drohen psychosoziale Schäden», sagt Thomas Fischbach. Er ist Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) mit Sitz in Köln. «Die Bedürfnisse von Kindern werden bisher überhaupt nicht berücksichtigt.»

Kontakt zu Gleichaltrigen wichtig

Für Kinder ab dem Kita-Alter sei der Kontakt zu Gleichaltrigen sehr wichtig, weil sie dadurch soziale Kompetenzen erlernten. Dies erläutert Maria Grosse Perdekamp, Fachliche Leiterin des Kinderschutzbunds in Köln.

«Auch wenn Eltern sich noch so sehr bemühen, können sie das Spielen mit anderen Kindern nicht ersetzen.» Je länger das Kontaktverbot dauere, desto gravierender. Denn mehrere Monate seien für Kinder ein sehr langer Zeitraum, in denen ihnen eine altersgemässe Förderung fehle.

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Die soziale Isolation könnte für Kinder schwere Folgen haben. - Pixabay

Allerdings könne es für einige Kinder auch wohltuend sein, wenn es eine Art Entschleunigung gebe, meint Grosse Perdekamp. «Wenn Eltern mehr Zeit für ihre Kinder haben, ist das gut für sie.»

E-Schooling kann den Lehrer nicht ersetzen

Schüler sollen in der Corona-Zeit zu Hause Schulaufgaben machen. Während ältere Kinder mit digitalem Unterricht vielleicht gut zurecht kämen, gelte das für Grundschulkinder allenfalls begrenzt, sagt Grosse Perdekamp. «Lernen funktioniert auch über Beziehungen.

E-Schooling kann den Lehrer nicht ersetzen.» Die Situation berge grosses Konfliktpotenzial in der Familie: Eltern sähen sich mit der Hausaufgabenbetreuung überfordert, während sie gleichzeitig im Homeoffice arbeiten. «Das kann zu enormen Spannungen und schlimmstenfalls zu Gewalt führen.»

Die langfristigen Folgen der Krise auf Kinder seien schwer abzuschätzen, weil es eine ähnliche Situation noch nie gegeben habe. Dies betont Marcel Romanos, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP).

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Kinder, welcher zuvor schon Probleme in der Familie oder in der Schule hatten, dürften nach der Krise noch mehr Mühe damit haben. - Keystone

«Hart gesagt geht es zurzeit um die komplizierte Abwägung, was für Kinder schädlicher ist: Dass sie ihre Grosseltern längere Zeit nicht sehen dürfen, oder dass ansonsten ein höherer Prozentsatz der Grosseltern sterben könnte.» Die Bundesregierung sei mit den bisherigen Massnahmen einen guten Weg gegangen, meint Romanos.

Dennoch erwartet er Auswirkungen auf die Kinder - die aber sehr unterschiedlich sein könnten. «Kinder aus finanziell gut gestellten Familien werden die Zeit sicherlich besser überstehen als Kinder aus sozial schwachen Familien.»

Bei Kindern, die schon vor den Einschränkungen Probleme in Familie oder Schule hatten, würden sich die Schwierigkeiten wahrscheinlich verstärken.

Folgen für die körperliche Gesundheit

Der Solinger Kinderarzt Fischbach sieht zudem die körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Gefahr. Viele Eltern verschöben aus Angst vor Corona Untersuchungen und Impfungen. Therapien wie Logopädie oder Ergotherapie fänden teilweise nicht statt. Hinzu komme Bewegungsmangel, weil Spiel- und Bolzplätze gesperrt sind und Sportvereine nicht aktiv sein dürfen.

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Die Krise könnte für die Kinder aber auch zur Entschleunigung beitragen. - Keystone

Kinder seien bislang «absolute Verlierer» der Corona-Krise, sagt Fischbach. «Das ist einfach unglaublich traurig.» Dabei erkrankten sie nach bisherigem Wissensstand seltener und meist leichter an Covid-19 als Erwachsene.

Inwieweit Kinder das Virus übertragen, sei noch nicht erforscht. Wenn Bund und Länder demnächst erneut über die Massnahmen beraten, müssten endlich auch die Interessen der Kinder beachtet werden.

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