Absagen von Grossveranstaltungen, Hilfsmassnahmen für Unternehmen: Die deutsche Politik bemüht sich an mehreren Fronten, die Coronavirus-Krise in den Griff zu bekommen. In Italien wird es in den abgeriegelten Gebieten Kontrollen geben.
Eine Mitarbeiterin des Wenckebach-Klinikums im Bezirk Tempelhof informiert Menschen über die Vorgehensweise in der Abklärungsstelle Coronavirus. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Eine Mitarbeiterin des Wenckebach-Klinikums im Bezirk Tempelhof informiert Menschen über die Vorgehensweise in der Abklärungsstelle Coronavirus. Foto: Wolfgang Kumm/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Berlin (dpa) - Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus ist in Deutschland auf 1112 gestiegen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigte in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» an, der Empfehlung von Gesundheitsminister Jens Spahn nachkommen zu wollen, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern im bevölkerungsreichsten Bundesland «und anderswo» abzusagen.

Das geht aus der Auflistung des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Montagmorgen hervor.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fügte in der ARD-Sendung «Anne Will» hinzu, das Land werde Spahns Empfehlung umsetzen - «und zwar morgen oder jetzt, vollkommen klar».

Am stärksten betroffen ist demnach weiterhin Nordrhein-Westfalen, dort vor allem der Landkreis Heinsberg.

Davon betroffen ist auch die Fussball-Bundesliga. Zwar sollen wohl keine Partien gestrichen werden, aber die Spiele könnten ohne Publikum im Stadion stattfinden. Das gilt nach Laumanns Worten für das Bundesliga-Derby Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln am Mittwoch. Er fügte hinzu: «Wenn wir jetzt ganz klar sagen, wir wollen in Nordrhein-Westfalen keine Veranstaltungen mehr (mit) über 1000 Menschen zulassen, dann ist das eine Empfehlung des Landesgesundheitsministers an die unteren Gesundheitsbehörden.» Diese müssten entscheiden. Er sei aber sicher, dass es nun eine einheitliche Umsetzung gebe. «In Wahrheit ist es wie eine Anordnung.»

Im Kampf gegen das Virus sieht der Chef des Weltärztebundes Deutschland aktuell gut aufgestellt. «Unser Gesundheitswesen, unsere Prävention, unsere Erkennung dieser Massnahmen funktioniert. Das deutsche Gesundheitswesen ist hervorragend ausgerichtet», sagte Frank Ulrich Montgomery am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». «Wir kriegen das hin!»

Auch der Weltärztebund begrüsste die Empfehlung Spahns als «völlig richtig». «Man kann nicht Fussballspiele mit 35.000 Besuchern stattfinden lassen, als wäre nichts geschehen», sagte Frank Ulrich Montgomery, Chef des Weltärztebundes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).

Nach der Empfehlung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom Sonntag sollten alle Veranstaltungen in Deutschland mit mehr als 1000 Teilnehmern abgesagt werden. Damit werden auch Geisterspiele etwa in der Fussball-Bundesliga wahrscheinlicher. Derartige Entscheidungen müssen jedoch die lokalen Gesundheitsbehörden treffen. Etliche grössere Messen wie etwa die Tourismusbörse ITB in Berlin oder die Hannover Messe wurden bereits abgesagt oder verschoben.

Wie in anderen Ländern Europas und weltweit breitet sich Sars-CoV-2 auch in Deutschland rasch aus. Beim Robert Koch-Institut (RKI) waren bis zum Sonntagnachmittag 902 Infektionen erfasst, wobei nicht alle Nachweise aus den Bundesländern dort bereits registriert sind. Die meisten Fälle deutschlandweit verzeichnen Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. In Ägypten war am Sonntag erstmals ein deutscher Staatsbürger nachweislich an der neuartigen Lungenerkrankung Covid-19 gestorben. Aus welchem Bundesland der 60-Jährige stammte und wo er sich ansteckte, war zunächst unklar.

An den Börsen hat sich der dramatische Ausverkauf am Montag noch beschleunigt. Der Dax sackte gleich zum Handelsstart deutlich unter die Marke von 11 000 Punkten. Rund eine Stunde nach Handelsbeginn lag der deutsche Leitindex 6,95 Prozent im Minus bei 10 739,97 Punkten. Zu den Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie kommt dabei auch die Furcht vor einem Ölpreiskrieg.

Auch Italien, das in Europa am stärksten vom Coronavirus betroffene Land, ergriff weitere Massnahmen: Nach der Abriegelung grosser Teile im Norden aktivierte die italienische Regierung Kontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen und Autobahnen in den Sperrgebieten. In die Gegenden in Norditalien oder aus ihnen hinaus darf man nur im Notfall oder aus Arbeitsgründen. Dies muss durch eine Selbsterklärung bezeugt werden, wie das Innenministerium am späten Sonntagabend mitteilte. Vor Ort könne man dazu Formulare ausfüllen.

Die Anstrengungen zur Eindämmung des Virus gehen auch weltweit weiter: So hat Saudi-Arabien weitreichende Massnahmen beschlossen. Insgesamt seien Flugverbindungen mit neun Ländern gestrichen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Montag. Zu den betroffenen Ländern zählen demnach die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Kuwait, Bahrain, Irak, Libanon, Syrien, Südkorea und Italien.

In Italien gibt es bereits mehr als 360 Tote und 7300 Infektionen. Um die Krise in den Griff zu bekommen, hatte die Regierung grosse Teile des Nordens zur Sperrzone erklärt, darunter die Lombardei mit dem Finanzplatz Mailand sowie die Provinzen Venedig, Parma und Modena. Rund 16 Millionen Menschen sind von den Sperrungen betroffen.

Italien, das in Europa am stärksten betroffen ist, hat am Sonntag einen grossen Teil des Nordens zur Sperrzone erklärt. 16 Millionen Menschen in der Region Lombardei mit der Metropole Mailand und in Städten wie Venedig oder Parma dürften nur noch bei triftigen Gründen aus der Gegend hinaus oder in sie hinein, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte.

Frankreich beschloss, grundsätzlich Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen zu verbieten. Das kündigte Gesundheitsminister Olivier Véran in Paris nach einer Sitzung des Sicherheitsrats an, liess aber erkennen, dass es Ausnahmen geben werde. Bisher hatte Frankreich Veranstaltungen mit mehr als 5 000 Menschen verboten.

In Spanien wachsen ebenfalls die Sorgen. Allein in der Region von Madrid verdoppelten sich die bestätigten Fälle in nur 24 Stunden von 202 am Sonntag auf mehr als 430 am Montag. 16 Menschen sind rund um Madrid bereits an der Krankheit gestorben.

Tschechien führt zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Virus Stichproben-Kontrollen für Einreisende an der Landesgrenze ein. Polen kontrolliert künftig an der A4 am früheren Grenzübergang Hennersdorf (Jedrzychowice) bei Görlitz Busreisende aus Deutschland.

Im Iran habe sich innerhalb von 24 Stunden die Zahl der Toten von 194 auf 237 erhöht, sagte Ministeriumssprecher Kianush Dschahanpur am Montag in Teheran. Die Zahl der offiziell erfassten Ansteckungen im Land kletterte auf 7161 – 595 mehr als am Vortag.

In China starben derweil weitere 22 Menschen an den Folgen des Virus. Die Zahl neu Infizierter sank laut offiziellen Angaben weiter auf landesweit 40 Fälle. Es wird jedoch eine hohe Dunkelziffer vermutet. An der Lungenkrankheit Covid-19 sind in China bislang mehr als 3000 Menschen gestorben. Über 80.735 Infektionen wurden nachgewiesen, jedoch gelten mehr als 58.000 Patienten mittlerweile als geheilt. 

Weltweit haben sich inzwischen weit mehr als 100 000 Menschen nachweislich mit dem neuen Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer liegt Experten zufolge noch wesentlich höher. Es gibt weder eine schützende Impfung noch eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer, betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen.

In Südkorea mehren sich die Anzeichen für einen langsameren Anstieg der Infizierungen. Am Sonntag seien 248 neue Fälle mit Sars-CoV-19 erfasst worden, teilten die Gesundheitsbehörden am Montag mit. Die Gesamtzahl stieg auf 7382. Die Zahl der bisherigen Todesfälle in Verbindung mit dem Virus wurde mit 51 angegeben.

Die Coronavirus-Krise beeinflusst auch die Börsen erheblich: Asiens Leitbörse in Tokio brach zum Wochenauftakt ein. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte stürzte am Montag um mehr als 1000 Punkte ab und damit erstmals seit über einem Jahr unter die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Punkten. Hintergrund sind die wachsenden Sorgen über die Folgen des neuartigen Coronavirus auf die globale Wirtschaft. Auch ein Nachgeben des Ölpreises belastete die Stimmung.

Weltweit haben sich inzwischen weit mehr als 100.000 Menschen nachweislich mit dem neuen Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer liegt Experten zufolge noch wesentlich höher. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19 gibt es nicht. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer, betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen.

Behörden in vielen Ländern erlassen derzeit Massnahmen wie Schulschliessungen und eine Quarantäne für Verdachtsfälle. Das passiert nicht, weil es sich bei Covid-19 um eine besonders gefährliche Erkrankung handelt, sondern um eine ungebremste Infektionswelle zu vermeiden, die unter anderem das Gesundheitssystem überlasten würde. Ziel ist, die Ausbreitung über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken. In etwa einem Jahr könnte es eine schützende Impfung gegen den neuen Erreger geben.

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