Die Ukraine erwartet in den kommenden Tagen vermehrt Beschuss und verhängt in Odessa eine Ausgangssperre. Am 9. Mai soll Scholz nach Kiew reisen.
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Ein Feuer brennt nach russischem Beschuss in einem Wohnhaus in Charkiw. Foto: Daniel Carde/ZUMA Press Wire/dpa - sda - Keystone/ZUMA Press Wire/Daniel Carde
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Das Wichtigste in Kürze

  • Selenskyj warnt die Ukrainer vor vermehrtem Raketenbeschuss.
  • Vor dem Moskauer Tag des Sieges wird in Odessa eine Ausgangssperre verhängt.
  • Selenskyj hofft auf den Besuch von Olaf Scholz am 9. Mai in Kiew.

In der Ukraine wächst die Angst vor verstärkten russischen Luftangriffen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Moskauer Tag des Sieges. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief zu Vorsicht und Disziplin auf.

«Ich bitte alle unsere Bürger – und gerade in diesen Tagen –, den Luftalarm nicht zu ignorieren», sagte der Staatschef am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache. «Bitte, das ist Ihr Leben, das Leben Ihrer Kinder.» In frontnahen Städten wie Odessa soll zwei Tage eine Ausgangssperre gelten.

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Ein ukrainischer Soldat steht am Strand der südukrainischen Stadt Odessa. (Archivbild) - keystone

Russland feiert am Montag, dem 9. Mai, den sowjetischen Sieg über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Bei der traditionellen grossen Militärparade in Moskau wird Präsident Wladimir Putin sprechen. Erwartet wird, dass er dabei die weitere Richtung für den zweieinhalb Monate alten Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgibt.

Genau für diesen symbolträchtigen Tag lud Selenskyj Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew ein. Scholz könne einen «sehr starken politischen Schritt» unternehmen und am 9. Mai in die ukrainische Hauptstadt kommen, sagte der Präsident bei einer Veranstaltung der Londoner Denkfabrik Chatham House. In Mariupol wollten russische Truppen am Samstag letztmals eine Feuerpause einlegen, um Zivilisten den Abzug aus dem umkämpften Stahlwerk Azovstal zu ermöglichen.

Ukrainische Vorbereitungen auf Russlands Tag des Sieges

Die Ukrainerinnen und Ukrainer sollten am Wochenende strikt den Anordnungen der Behörden folgen und sich an örtliche Ausgangssperren halten, mahnte Selenskyj. Wegen der Minengefahr sei das Betreten von Wäldern verboten, die vom russischen Militär besetzt waren. Das ukrainische Innenministerium kündigte an, mit 5000 Mann zu patrouillieren, um mögliche Provokationen zu unterbinden.

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Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Ansprache im Ukraine-Krieg. - Keystone

Im südukrainischen Gebiet Odessa müssen die Menschen von Sonntagabend um 22 Uhr Ortszeit (21 Uhr MESZ) bis Dienstagmorgen um 5 Uhr Ortszeit (4 Uhr MESZ) zuhause bleiben. In der Hauptstadt Kiew werde es keine Ausgangssperre geben, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko. Aber auch er riet den Menschen, zuhause zu bleiben. «In den kommenden Tagen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit von Raketenbeschuss in allen Regionen der Ukraine», sagte er.

Hat Scholz so schnell Zeit für eine Reise nach Kiew?

Zur Einladung Selenskyjs an Scholz für den 9. Mai verwies ein Sprecher der Bundesregierung auf bereits bekannte Termine. Dazu zählt der Antrittsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Montag. «Am Vortag werden der Bundeskanzler, seine G7-Kollegen und der ukrainische Staatspräsident in einer Video-Schalte am historischen Jahrestag des Weltkriegsendes über die Lage in der Ukraine beraten», sagte der Sprecher.

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Olaf Scholz (l.) und Wolodymyr Selenskyj vor dem Ukraine-Krieg - UKRAINE PRESIDENCY/AFP

Zum Krieg in der Ukraine plant Scholz eine Fernsehansprache, die am Sonntagabend im Fernsehen übertragen werden soll. Ebenfalls am Sonntag reist Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk nach Kiew - und könnte dort möglicherweise auch Präsident Selenskyj treffen.

Wochenlang gab es zwischen Kiew und Berlin Verstimmungen, weil ein Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nicht erwünscht war. Scholz hatte die Ausladung als Hindernis für eine eigene Reise bezeichnet. Am Donnerstag räumten Steinmeier und Selenskyj die Irritationen in einem Telefonat aus. Scholz kündigte daraufhin an, dass Aussenministerin Annalena Baerbock nach Kiew reisen werde.

Mehr Militärhilfe aus den USA

US-Präsident Joe Biden gab weitere Militärhilfen für die Ukraine frei. Mit einem zusätzlichen Paket solle das Land Artilleriemunition, Radargeräte und andere Ausrüstung erhalten, kündigte Biden an. Ein 150 Millionen US-Dollar schweres Paket sei genehmigt worden, hiess es aus dem US-Aussenministerium.

Einschliesslich dieser Hilfen haben die USA der ehemaligen Sowjetrepublik seit Kriegsbeginn Waffen und Munition im Wert von mehr als 3,8 Milliarden US-Dollar (rund 3,6 Milliarden Euro) zugesagt oder bereits geliefert. Biden hat den US-Kongress ausserdem um weitere 33 Milliarden US-Dollar (31,3 Milliarden Euro) für Militärhilfe und humanitäre Unterstützung gebeten. Selenskyj hat als Ziel ausgegeben, die russischen Truppen aus den seit dem 24. Februar eroberten ukrainischen Gebieten zu vertreiben.

Nato-Generalsekretär warnt Russland vor Atomwaffen-Einsatz

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte Russland vor dem Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg. «Unsere Botschaft ist eindeutig: Nach einem Einsatz von Nuklearwaffen würde es auf allen Seiten nur Verlierer geben», sagte Stoltenberg der «Welt am Sonntag». «Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen, und er sollte nie geführt werden, das gilt auch für Russland.»

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. - Keystone

Die Allianz hat laut Stoltenberg aber keine Hinweise darauf, dass speziell die russischen Nuklearwaffen seit Beginn des Krieges am 24. Februar in einer höheren Bereitschaftsstufe seien. Moskau hat allgemein seine Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzt, was als Drohung auch mit dem atomaren Arsenal verstanden wird.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, schloss unterdessen eine Zusammenarbeit mit Kremlchef Putin nach Kriegende aus. «Russlands Präsident hat sich von der zivilisierten Welt verabschiedet», sagte Heusgen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Putin gehöre für die von Russland begangenen Kriegsverbrechen vor ein internationales Gericht.

Das bringt der Tag

In Mariupol liegt der letzte Verteidigungsposten der Ukrainer in Azovstal ständig unter russischem Feuer. Ziel der russischen Truppen ist angeblich, das mit Bunkern und Tunneln stark befestigte Fabrikgelände bis zum 9. Mai zu erobern. Bei den bisherigen Evakuierungen durften nur Zivilisten, meist Frauen, Kinder oder ältere Menschen, das Werk in Richtung ukrainisch kontrolliertes Gebiet verlassen. Am Freitag waren es nach Kiewer Angaben 50 Personen. Am Samstag soll es eine weitere Fluchtmöglichkeit geben.

Soldaten und Verwundete sitzen indes unter der Erde fest. Die Ukraine versuche, auch sie herauszuholen, sagte Selenskyj. «Wir arbeiten auch an diplomatischen Optionen, um unser Militär zu retten, das immer noch auf Azovstal verbleibt.» Internationale Vermittler seien beteiligt. Er drohte, es werde keine Gespräche mehr mit Russland geben, wenn die Zivilisten und Soldaten in Azovstal getötet würden.

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