Brexit

Britisches Unterhaus stimmt Brexit-Handelspakt zu

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Grossbritannien,

Mit viel Pathos wirbt Boris Johnson für sein Brexit-Gesetz - und sichert sich im britischen Unterhaus eine satte Mehrheit. Er sieht das Land auf einem brillanten Weg in die Zukunft. Doch vor allem aus einem Landesteil kommt scharfe Kritik. Eine Gefahr für die Einheit?

Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien, winkt in der Tür der Downing Street, nachdem das britische Unterhaus dem Brexit-Handelspakt mit der Europäischen Union zugestimmt hat. Foto: Dominic Lipinksi/PA Wire/dpa
Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien, winkt in der Tür der Downing Street, nachdem das britische Unterhaus dem Brexit-Handelspakt mit der Europäischen Union zugestimmt hat. Foto: Dominic Lipinksi/PA Wire/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Gerade noch rechtzeitig vor dem endgültigen Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU hat das britische Unterhaus dem Brexit-Handelspakt zugestimmt.

Mit überwältigender Mehrheit votierten die Abgeordneten des House of Commons für das entsprechende Ratifizierungsgesetz - mit 521 zu 73 Stimmen. Zum Jahreswechsel in der Nacht zum Freitag endet die Brexit-Übergangsphase und damit Grossbritanniens Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.

Ein sichtlich gut gelaunter Premierminister Boris Johnson unterzeichnete den Vertrag in seinem Amtssitz in der Downing Street, hinter ihm vier britische Flaggen - und kein EU-Symbol weit und breit. «Ihr fragt Euch alle, ob ich ihn gelesen habe. Die Antwort lautet: Ja», scherzte der Regierungschef mit den Journalisten, bevor er seine rechte Hand auf das knapp 1250 Seiten dicke Vertragswerk legte. Für Johnson bedeutet der Abschluss der Brexit-Verhandlungen einen grossen Triumph.

Am Vormittag hatte der Premierminister mit viel Pathos im Unterhaus für den Deal geworben - als historische Chance und nationale Erfüllung gleichermassen. Nun hätten die «alten, ausgetrockneten, müden, ausgelutschten Argumente» ein Ende, die das Land seit Jahren verfolgten, sagte Johnson. Endlich könne Grossbritannien in eine «neue und grosse Zukunft» vorzudringen.

Es ist das Mantra, das Johnson seit langem wiederholt. Erst jetzt könne Grossbritannien wirklich souverän sein, mit Kontrolle über Gesetze und Gewässer, auf Augenhöhe mit der EU, ohne die Beziehungen abzubrechen, so betont es Johnson immer wieder. «Es ist ein fantastisches, fantastisches Freihandelsabkommen», sagte er der BBC.

In Kraft treten sollte das Gesetz erst, wenn auch das Oberhaus dafür votiert und Queen Elizabeth II. ihre formelle Zustimmung gegeben hat. Das wurde für die frühen Morgenstunden am Donnerstag erwartet. Es galt als sicher, dass das Gesetz auch in der zweiten Kammer, dem House of Lords, eine Mehrheit finden würde.

Die EU-Spitze hatte den Brexit-Handelspakt bereits am Morgen unterzeichnet. Nachdem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel das Dokument signiert hatten, wurde es mit einer Maschine der britischen Luftwaffe nach London geflogen.

Das knapp 1250 Seiten starke Handels- und Partnerschaftsabkommen regelt die wirtschaftlichen Beziehungen nach der Brexit-Übergangsphase ab dem 1. Januar. Damit werden Zölle vermieden und Reibungsverluste im Handel möglichst gering gehalten. Zugleich werden viele andere Themen geregelt, darunter Fischfang und Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei.

«Im Kern dieses Gesetzentwurfs steckt eines der grössten Freihandelsabkommen der Welt», sagte Johnson zum Auftakt der Debatte im Unterhaus in London. Es werde Unternehmen ermöglichen, den Handel mit der EU noch zu intensivieren, so der Regierungschef. Auch die grösste Oppositionspartei Labour stimmte zähneknirschend zu. Ihr Chef Keir Starmer sagte, das Abkommen sei «dünn» und «mit vielen Makeln behaftet». Es sei jedoch besser als ein No Deal, der Preissteigerungen zur Folge hätte und Unternehmen an den Rand der Existenz bringen könnte.

Scharfe Kritik kam vor allem aus Schottland: Regierungschefin Nicola Sturgeon wetterte vor dem Regionalparlament in Edinburgh gegen den «faulen Brexit, den Schottland die ganze Zeit abgelehnt hat». Sowohl das schottische Parlament als auch die Nordirland-Versammlung lehnten den Vertrag ab. Ihre Abstimmungen haben allerdings keinen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess in London.

In Edinburgh stimmten die Parlamentarier mit 92 zu 30 Stimmen für eine Entschliessung, nach der das Abkommen «Schottlands ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen ernsthaften Schaden» zufüge. In der nordirischen Hauptstadt Belfast votierten 47 Abgeordnete gegen den Deal, 38 dafür. Parlamentschef Alex Maskey sagte, er werde dem britischen Premierminister Boris Johnson das Ergebnis bekanntgeben.

Der britische Staatsminister Michael Gove warf Sturgeons Schottischer Nationalpartei (SNP) vor, ihren «engstirnigen» Nationalismus über das nationale Wohl des Landes zu stellen. Die SNP strebt die Loslösung von Grossbritannien an - der Brexit könnte dabei helfen. Denn die Schotten hatten beim Brexit-Referendum 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt, in Umfragen spricht sich seit Monaten eine Mehrheit für die Unabhängigkeit aus.

EU-Ratschef Michel würdigte das Abkommen als fair und ausgewogen. Es wahre die Interessen der EU und schaffe für Bürger und Unternehmen Stabilität und Verlässlichkeit, sagte Michel. Auch künftig werde die EU bei wichtigen Themen Seite an Seite mit dem Vereinigten Königreich stehen, etwa beim Klimaschutz oder im globalen Kampf gegen Pandemien.

Der Vertrag kann vorerst nur vorläufig angewendet werden, weil für eine Ratifizierung durch das Europaparlament vor dem Jahresende die Zeit fehlte. Das Europaparlament will den Text noch genau prüfen. Anvisiert wird eine Abstimmung im Februar oder März.

Grossbritannien und die EU hatten sich erst an Heiligabend auf den Vertrag geeinigt. Grossbritannien war bereits Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten, zum neuen Jahr endet auch die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.

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