Die Siedlungspolitik Israels wird in der EU unterschiedlich aufgefasst. Gestritten wird über den Vergleich mit der Annexion der Krim – und mögliche Sanktionen.
Europäische Kommission in Brüssel
Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • In der EU herrscht Uneinigkeit bezüglich der Siedlungspolitik Israels.
  • Luxemburgs Aussenminister vergleicht sie beispielsweise mit der Annexion der Krim.
  • Sein deutscher Amtskollege zeigt sich deutlich zurückhaltender.

Die EU sucht vergeblich nach einer einheitlichen Antwort auf Israels Pläne zur Annexion besetzter Palästinensergebiete. Die Diskussion zum Nahost-Konflikt und zum Verhältnis der EU zu Israel und den Palästinensern sei komplex, räumte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Freitagabend nach einer Videokonferenz des EU-Aussenministerrates ein.

EU-Aussenbeauftragter Josep Borrell
Josep Borrell, EU-Aussenbeauftragter. - dpa

Es gebe verschiedene Vorschläge, die auf «unterschiedlichen Ansätzen» beruhten. Einig ist man sich demnach nur, dass die Anstrengungen zur Ansprache aller Akteure im Nahen Osten verstärkt werden müssen. Es gehe darum, einseitige Aktion zu verhindern, sagte Borrell.

Umstritten ist unter den EU-Staaten unter anderem, ob und wenn ja wie scharf Israel vor einer Annexion und möglichen Sanktionen gewarnt werden sollte. So zeigte sich beispielsweise Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag deutlich zurückhaltender als sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn. Dieser erinnerte mit Blick auf Israels Vorhaben an die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014.

Streit um Siedlungspolitik Israels

Maas sagte, dass auch Deutschland eine Annexion von Palästinensergebieten als Verstoss gegen das Völkerrecht betrachten würde, machte aber zugleich deutlich, dass er den Krim-Vergleich für nicht angebracht hält. Man befinde sich in einem Dialog mit den Verantwortlichen in Israel, betonte er.

Palästinensische autonomiebehörde
Palästinenser schwenken während eines Protestes gegen die Enteignung ihres Landes durch Israel im Dorf Berdele nahe der Stadt Tubas im Westjordanland Fahnen. - dpa

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Die EU vertritt wie zahlreiche andere internationale Akteure die Auffassung, dass die Siedlungen nach dem Völkerrecht illegal sind und ein Friedenshindernis darstellen. Israel sieht in seiner Siedlungspolitik hingegen keinen Rechtsbruch.

Asselborn hatte zuvor der Deutschen Presse-Agentur gesagt: «Wenn man ein Territorium annektiert, das einem nicht gehört, dann ist das ein schwerwiegender Verstoss, eine Verletzung des internationalen Rechts.» Das habe man in der EU auch so gesehen, als Russland die Krim annektierte.

Bei gleicher Bewertung drohen Sanktionen

Er ziehe bewusst diesen Vergleich, erklärte der dienstälteste EU-Aussenminister. «Wir müssen jetzt präventiv Stellung beziehen und Druck machen.»

Krim brücke russland
Blick auf die Brücke, die die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet. (Archivbild) - dpa

Von Sanktionsdrohungen wollte Asselborn nicht reden. Sollte die EU allerdings eine mögliche Annexion von Palästinensergebieten wie die Annexion der Krim bewerten, müsste Israel weitreichende Strafmassnahmen fürchten. Nach der russischen Einverleibung der Krim hatte die EU unter anderem scharfe Wirtschaftssanktionen gegen Russland erlassen, die bis heute in Kraft sind.

Grundlage der israelischen Annexionspläne ist ein Plan von US-Präsident Donald Trump für den Nahen Osten. Er stellt den Palästinensern einen eigenen Staat in Aussicht, allerdings unter harten Auflagen. Jerusalem soll demnach die ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben.

Israel erhebt historische und juristische Ansprüche

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weist den Plan zurück. Die Palästinenser boykottieren die US-Regierung, seit Trump Ende 2017 Jerusalem einseitig als Israels Hauptstadt anerkannt hat.

Trump Netanjahu
Donald Trump (r.) und Benjamin Netanjahu im März 2019 im Oval Office - AFP/Archiv

Israel betrachtet das Westjordanland nicht als besetztes Land. Die israelische Bezeichnung des Gebiets lautet Judäa und Samaria, nach den in der Bibel erwähnten hebräischen Namen. Israel erhebt historische und juristische Ansprüche auf das Land und argumentiert, es habe vor seiner Eroberung 1967 keinem Staat gehört. Damit sei es lediglich «umstrittenes Gebiet».

Die Zahl der israelischen Siedler in den eroberten Gebieten ist seit 1967 rasant gestiegen. Heute leben im Westjordanland und in Ost-Jerusalem nach Angaben der israelischen Organisation Peace Now deutlich über 600'000 Israelis. Die Zahl der Palästinenser in den Gebieten beträgt nach Angaben des Palästinensischen Statistikamts 3,2 Millionen. Im Gazastreifen, aus dem Israel sich 2005 zurückgezogen hat, leben weitere zwei Millionen Palästinenser.

Jordanien droht mit «massivem Konflikt»

Die beste Lösung für den Konflikt sei eine Zwei-Staaten-Lösung, sagte Asselborn. Wenn aber Israel einfach Gebiete annektiere, sei diese Lösung «kaputt».

Jordanien
König Abdullah II. von Jordanien. - Jordanian Royal Palace/AFP

Auch der jordanische König Abdullah II. warnte Israel eindringlich vor den Konsequenzen einer Annexion palästinensischer Gebiete. «Falls Israel im Juli wirklich das Westjordantal annektiert, würde dies zu einem massiven Konflikt mit dem Haschemitischen Königreich Jordanien führen», sagte Abdullah dem Magazin «Der Spiegel» (Freitag).

«Was würde geschehen, wenn die palästinensische Autonomiebehörde zusammenbricht?», fragte der König. «Es gäbe noch mehr Chaos und Extremismus in der Region.»

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