Melanie K. hat auch ein Jahr nach ihrer Infektion mit dem Coronavirus Symptome. Damit ist sie bei Weitem kein Einzelfall, erklärt eine Long-Covid-Ärztin.
Long Covid Corona
Viele, die sich mit dem Coronavirus infizieren, leiden auch Monate später noch unter Long Covid-Symptomen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Auch junge, gesunde Covid-Patienten können Long-Covid entwickeln.
  • Lungenärztin Manuela Funke-Chambour beschäftigt sich mit der Behandlung der Langzeitfolgen
  • Long-Covid erfordert noch viel Forschung – doch es mangelt an Unterstützung.

Melanie K.* hustet, während sie ihre Geschichte erzählt. Anfang März infizierte sich die 27-Jährige mit dem Coronavirus – vor mehr als einem Jahr, zu Beginn der ersten Welle. Eine Bekannte der Familie floh aus Bergamo, als das Virus dort den ersten schweren Ausbruch in Europa verursachte.

Wie sich herausstellte, hatte sie sich zu dem Zeitpunkt bereits infiziert – die Infektionskette nahm ihren Lauf.

Coronavirus Bergamo
Im Februar 2020 kam es in Norditalien zum ersten schweren Ausbruch des Coronavirus in Europa. Eine Infizierte brachte das Coronavirus aus Bergamo (Bild) in den Haushalt von Melanie K. - Keystone

«Bis auf meinen Vater machte die ganze Familie die Infektion durch», berichtet Melanie. In der ersten Welle waren Corona-Tests noch kaum verfügbar. Erst Wochen später konnte die junge Frau einen Test machen – er war bereits negativ. Später diagnostizierte ihr Hausarzt aufgrund der Symptome Covid-19.

«Ich verspürte Erschöpfung, Atemnot, mein Blutsauerstoff sank auf 84 Prozent.» Nur knapp entging die ehemalige Ausdauersportlerin einem Krankenhausaufenthalt. Nach wenigen Wochen hatte sich die ehemalige Leistungssportlerin erholt.

Diffuse Symptome nach Ansteckung mit Coronavirus bleiben bestehen

Nachdem sie sich in ihrem Elternhaus auskuriert hatte, kehrte die Volkswirtschaftsstudentin zurück in Ihre Wohngemeinschaft. «Ein leichter Druck auf der Lunge blieb jedoch, mit der Zeit wurde er immer stärker.» Knapp drei Monate nach der Infektion mit dem Coronavirus diagnostizierte der Hausarzt eine schwere Lungenentzündung. Melanie musste sich wieder von ihren Eltern pflegen lassen.

«Als sich die Lunge erholte, merkte ich, dass ich nicht gesund werde», berichtet Melanie. «Im Juni fingen die diffusen Symptome an: Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Kopfschmerz, Ausschläge. Immer, wenn ich dachte, ich erhole mich, kamen die Symptome wieder zurück.»

Manuela Funke-Chambour Long Covid
Manuela Funke-Chambour ist stellvertretende Chefärztin für Pneumologie am Berner Inselspital. - Insel Gruppe

Lungenärztin Manuela Funke-Chambour überrascht Melanies Geschichte nicht. Sie ist Leiterin der Long-Covid-Sprechstunde am Berner Inselspital. Daher beschäftigt sie sich insbesondere mit den Langzeitfolgen auf die Lunge bei einer Infektion mit Coronavirus.

«Wir sehen 20-Jährige bis 80-Jährige in unserer Sprechstunde», berichtet Funke-Chambour. «Es gibt Studien, die besagen, es treffe eher die jungen Frauen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir eine besonders stark betroffene Gruppe bei Lungen-Folgeschäden identifizieren können.»

Betroffene fühlen sich zu wenig unterstützt

Inzwischen beschäftigt sich am Inselspital ein interdisziplinäres Spezialistenteam intensiv mit den Folgen einer Coronavirus-Infektion. «Es gibt verschiedene Symptome in verschiedenen Phasen nach der Infektion.» Daher sei es derzeit noch schwierig, Long-Covid genau zu definieren, erklärt Funke-Chambour. «Was von vielen als Beschwerden angegeben wird, sind Ermüdung und Atemnot.»

Viele Betroffene hören Vorwürfe, es sei ja nur ‹etwas Müdigkeit› nach der Infektion. «Das ist erschreckend», kommentiert Funke-Chambour. «Einige berichten unter Tränen, dass sie nicht ernst genommen werden. Das motiviert mich, mich für eine bessere Betreuung und neue Behandlungswege einzusetzen.»

Coronavirus
Eine Corona-Erkrankung kann ernste Organschäden zur Folge haben. (Symbolbild) - Keystone

Ein weiteres Problem ist der Austausch. In der Schweiz fand Melanie kaum Möglichkeit, sich über die Krankheit auszutauschen – Hilfe fand die Betroffene im Netz. «In Grossbritannien hat sich eine grosse Community gefunden. Auf Facebook hat sich eine Art Selbsthilfegruppe gebildet.»

«Viele versuchen noch immer, Long-Covid zu ignorieren», so Funke-Chambour. «Aber es gibt mittlerweile 600'000 Infektionen mit dem Coronavirus in der Schweiz. Auch wenn nur ein kleiner Teil langfristige Probleme entwickelt, bleibt es ist eine relevante Anzahl an Betroffenen.»

Aufgrund der Erfahrungen der MERS- und SARS-Epidemien war die aktuelle Problematik vorauszusehen. «In vielen Ländern werden Angebote von Long-Covid-Sprechstunden bereits vom Staat unterstützt», erklärt Funke-Chambour. In der Schweiz wird dies erst seit Kurzem diskutiert. «Wir bemühen uns, ähnlich umfassende Programme neben der Versorgung der akut Erkrankten zu organisieren.»

Etwas Optimismus bleibt

Seit kurzer Zeit fühlt sich Melanie wieder fit genug, um eigenständig in ihrer Wohngemeinschaft zu leben. Auch heute bleiben ihre Bronchien empfindlich: «Asthma-Medikamente helfen mir. Ich bin glücklich über den Frühling – die warmen Temperaturen helfen mir.»

Coronavirus Long Covid
Ärzte wollen durch Sprechstunden ein genaueres Krankheitsbild von Long Covid zeichnen können. - Keystone

«Erfahrung in Abklärung und Behandlung für Long-Covid erfordern eine gewisse Expertise», erklärt Funke-Chambour. Dank Angeboten wie der Long-Covid-Studie behandeln identifizierte Fachspezialisten diese Patienten.

«Wir sehen die Leute jetzt ein Jahr nach der Infektion mit dem Coronavirus. Ein Teil wird sich langfristig erholen. Einige haben auch noch nach zwölf Monaten bleibende Einschränkungen – ob diese fortbestehen, wissen wir heute noch nicht.»

«Was es jetzt dringend braucht, sind gut geplante Forschungsstrukturen», so Funke-Chambour. Am Inselspital wurde daher die Studie «Swiss Covid Lung» initiiert – sie erfasst schweizweit Daten zur Lungenfunktion Betroffener. «Mit den Informationen zu Verlauf und Behandlung kann den Long-Covid-Patienten langfristig besser geholfen werden.»

*Name geändert

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