Coronavirus in Peking: So kämpft China gegen die zweite Welle an

Erstmals seit der erfolgreichen Bekämpfung des Coronavirus in Wuhan erlebt China einen grösseren Ausbruch. Bringen die Behörden den Ausbruch unter Kontrolle?

Bewohner aus der Umgebung des Xinfadi-Marktes lassen sich auf das Coronavirus testen. Auf dem Grossmarkt steckten sich viele Menschen aus Peking an. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Peking erlebt den ersten grösseren Corona-Ausbruch in China seit zwei Monaten.
  • Die Regierung versucht, den Ausbruch lokal einzugrenzen.
  • Dabei gehen die Behörden ähnlich wie in der Schweiz vor – gibt es Parallelen?

China ist uns in Sachen Coronavirus zeitlich voraus: Als die Schweizer Fallzahlen Anfang März stiegen, waren die Fallzahlen in China schon wieder in den tiefen dreistelligen Bereich gesunken. Der Höchstwert an täglichen Neuinfektionen im ganzen Mai betrug gerade einmal 20. Das Reich der Mitte kehrte zur Normalität zurück.

In den vergangenen Tagen kam es in Peking zum ersten grösseren Ausbruch seit zwei Monaten. Nun fürchtet China die zweite Welle – die Behörden greifen im Kampf gegen das Virus rigoros durch. Wie ist die Lage? Und was können wir von der chinesischen Politik hinsichtlich einer zweiten Welle lernen?

Aktuelle Lage in Peking

Nach Angaben der regierungsnahen Zeitung «Global Times» wurden innerhalb von fünf Tagen 106 neue Fälle des Coronavirus aus Peking gemeldet. Die lokalen Behörden bezeichnen den Ausbruch als «hart».

Das Coronavirus hat sich anscheinend über die Lebensmittel-Grossmärkte verbreitet: Ausgehend vom Xinfadi-Markt wurde das Coronavirus über andere Märkte in der Stadt verteilt. Inzwischen melden neun von elf Distrikte der Hauptstadt neue Fälle. Am schwersten ist Fengtai betroffen, wo auch der Xinfadi-Markt liegt. Mindestens 29 lokale Quartiere im Umkreis der Märkte wurden unter Quarantäne gestellt.

Wachleute betreuen heute Dienstag einen Posten vor einem abgeriegelten Quartier. In Peking versucht, den Ausbruch lokal einzugrenzen. - Keystone

China war auf einen neuen Ausbruch vorbereitet: In Peking wurden seit der ersten Welle in etwa hundert Laboren Kapazitäten für 90'000 tägliche Corona-Tests geschaffen. Nun haben die Behörden mit umfangreichem Contact Tracing begonnen. Menschen, die auf den Märkten waren oder Kontakt zu Infizierten hatten, werden isoliert und getestet.

Taxis dürfen die Stadt nicht mehr verlassen, andere chinesische Städte warnen vor dem Aufenthalt in Peking. China versucht mit aller Kraft, den Ausbruch lokal einzugrenzen.

Ausbruch kam unerwartet

Trotz aller Vorkehrungen wurde Peking vom neuen Ausbruch überrascht. Yang Zhanqiu von der Universität von Wuhan sagte gegenüber «Global Times»: «Chinas Seuchenprävention hat sich immer auf die Ankunft von ausländischem Personal konzentriert.»

Der Lebensmittelmarkt Xinfadi wurde nach dem Ausbruch des Coronavirus komplett abgeriegelt. - Keystone

Jetzt wird jedoch vermutet, dass das Virus über kontaminierte Lebensmittel auf den Markt kam. «Wir sollten der Zollquarantäne importierter landwirtschaftlicher Produkte genügend Aufmerksamkeit widmen», gibt Yang zu bedenken.

Tatsächlich blieb das Virus einige Zeit unbemerkt: Wahrscheinlich seien die ersten Personen in Peking bereits Ende Mai infiziert worden, vermutet der chinesische Epidemiologe Wu Zunyou. Die nächsten Tage werden für Peking entscheidend sein, so Wu: Bei vielen bereits unwissentlich Infizierten dürften bald erste Symptome auftreten.

China verfolgt ähnliche Strategie wie die Schweiz

Chinas Strategie zum Coronavirus ähnelt dem aktuellen Plan der Schweiz: Beide Länder sind nach der ersten Welle Krisen-geübt. Im Fall einer zweiten Welle bestehen Testkapazitäten, man konnte Erfahrungen im Contact Tracing sammeln.

Trotz steigender Zahlen wurde nicht die ganze Hauptstadt in den Lockdown versetzt. Wie in der Schweiz vertraute man auf die Früherkennung und lokale Eingrenzung der Fälle. Die Früherkennung ist jedoch im Fall von Peking gescheitert. Ob die lokale Eingrenzung gelingt, ist noch offen – Peking ist ein Präzedenzfall.

Bewohner aus der Umgebung des Xinfadi-Marktes lassen sich an einer kurzfristig eingerichteten Test-Station auf das Coronavirus testen. - Keystone

Doch der Vergleich hat seine Grenzen: Im autoritären China herrscht ein völlig anderes politisches Klima als in der demokratischen Schweiz. Die Autoritäten können Entscheidungen ohne einen politischen Meinungsfindungsprozess umsetzen.

Mit der bevorstehenden Aufhebung der ausserordentlichen Lage wird das in der Schweiz wieder anders sein. Die Frage bleibt im Raum: Können regional ähnlich durchgreifende Massnahmen verhängt werden wie in China, wenn es in der Schweiz zu einem lokalen Ausbruch kommt?