US-Minister Kennedy Jr. entlässt ganze Impfbehörde
Robert F. Kennedy Jr. räumt im Gesundheitsministerium auf: Er entlässt das gesamte Impfgremium der Seuchenbehörde wegen angeblichen «Interessenskonflikten».

Das Wichtigste in Kürze
- US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat 17 Impfexperten entlassen.
- Die Wissenschaftler bildeten den beratenden Ausschuss für Impfpraktiken.
- Kennedy wirft ihnen «Interessenskonflikte» vor und will neue Mitglieder wählen.
Robert F. Kennedy Jr. ist Impfgegner – das ist längst bekannt. Zu Coronazeiten stellte er regelmässig Impfstoffe infrage und argumentierte entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Trotzdem wurde er im Februar von Donald Trump zum US-Gesundheitsminister ernannt. Nun unterliegt ihm die Seuchenbehörde (CDC), welche sich auch um Impfstoffe kümmert – und die Auswirkungen lassen sich sehen.
Die Entwicklung neuer Impfstoffe, beispielsweise gegen HIV oder die Vogelgrippe, wurde von der US-Regierung auf Eis gelegt. Auch die Vergabe von lebensrettenden Impfstoffen wie gegen Polio durch US-Programme in der ganzen Welt wurde gestoppt.
Zwar ruderte Kennedy nach dem Tod eines Kindes durch Masern von seinen impfskeptischen Aussagen bezüglich dieser Krankheit zurück. Trotzdem hat die Seuchenbehörde unter seiner Aufsicht bereits mit erheblichen Budget-Kürzungen zu kämpfen.
Nun folgt der nächste Schlag: Kennedy versetzt 17 Mitglieder des beratenden Ausschusses für Impfpraktiken (ACIP) in den Ruhestand – das gesamte Impfgremium der CDC also.
Er will den Ausschuss neu zusammenstellen. Das Gesundheitsministerium sei bereits dabei, neue Mitglieder zu suchen.
Gremium ist zuständig für Impf-Empfehlungen
Die entlassenen Impfexperten beraten die CDC bei der Vergabe von bereits zugelassenen Impfstoffen. Sie beschäftigen sich damit, welche Personen den Impfstoff am dringendsten brauchen und wann sie ihn erhalten sollten.
Die CDC muss sich nicht an die Empfehlungen des ACIP halten, tut es aber meistens.
Somit hat der Ausschuss grossen Einfluss darauf, welche Impfungen von der Regierung der Bevölkerung empfohlen werden. Diese Empfehlungen bestimmen auch, welche Impfungen von Krankenkassen und Regierungsprogrammen gedeckt werden.
Sollte das neu einberufene Gremium bisher empfohlene Impfungen als überflüssig erklären, müssen US-Bürger diese zukünftig selbst bezahlen.
Kennedys Erklärung: «Interessenskonflikte»
Laut Kennedy ist das Gremium voller Interessenskonflikte. Die meisten Mitglieder würden von Arzneimittelherstellern finanziert, behauptet er in einer Kolumne des «Wall Street Journal». Es sei noch nie ein Impfstoff abgelehnt worden.
Konkrete Beispiele für seine Anschuldigungen nennt Kennedy nicht. Allerdings wurden die Mitglieder des ACIP fortlaufend auf Interessenskonflikten geprüft, wie die «New York Times» schreibt.
Sie dürfen in keiner Weise mit Impfstoff-Herstellern in Verbindung stehen – weder über Aktien noch als Berater.
Sollte doch ein Interessenskonflikt bestehen, muss dieser offengelegt werden und das betroffene Mitglied enthält sich in allen damit verbundenen Fällen.
Kennedy verwies zwar auf eine Studie von 2009, in welcher Fehler in 97 Prozent der Formulare zur Offenlegung der Finanzen gefunden wurden. Allerdings liess er aus, dass es sich dabei um das Fehlen eines Datums oder Angaben, die in einem falschen Abschnitt gemacht wurden, handelte, wie die «New York Times» berichtet.
Zuständigkeit sollte bei anderer Behörde liegen
Mit den Entlassungen will Kennedy das Vertrauen der Bevölkerung in Impfstoffe wiederherstellen und eine «Kultur des kritischen Hinterfragens» fördern, so der US-Minister.
In seiner Kolumne im «Wall Street Journal» schreibt Kennedy: «Die Öffentlichkeit muss wissen, dass die Empfehlungen unserer Gesundheitsbehörden auf unvoreingenommener Wissenschaft beruhen, die in einem transparenten Verfahren bewertet wird und nicht in Interessenskonflikte gerät.»

Kennedy sieht das Gremium ausserdem gar nicht verantwortlich für die Zulassung von Impfstoffen. Diese falle in die Zuständigkeit der amerikanischen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA).
Harsche Kritik aus allen Richtungen
Genau aus dieser Ecke stossen seine neusten Handlungen jedoch auf grosses Unverständnis: «Das ist eine Tragödie», sagt der ehemalige FDA-Chefwissenschaftler Jesse Goodman.
Er verteidigt das Gremium, wie der «Spiegel» berichtet: «Dies ist eine hochprofessionelle Gruppe von Wissenschaftlern, Ärzten und anderen Spezialisten.»

Kennedys Rhetorik teilt Goodman nicht. Er sagt: «Das ist die Art von politischer Einmischung, die das Vertrauen eher schwächt, als stärkt.»
Zahlreiche weitere Mediziner und Mitglieder amerikanischer Behörden teilen Goodmans Ansicht.
Auch US-Senator Bill Cassidy äussert sich besorgt über die Entwicklungen: «Natürlich ist jetzt zu befürchten, dass der ACIP mit Leuten besetzt wird, die nichts über Impfstoffe wissen», sagt er.
Vor seiner Wahl zum Gesundheitsminister hatte Kennedy dem Senat in den Anhörungen noch versprochen, das ACIP nicht zu verändern.