Coronavirus: Delta testet Neuseelands Zero-Covid-Strategie

Ein Ausbruch der Delta-Variante des Coronavirus testet die Zero-Covid-Strategie Neuseelands. Beim grossen Nachbarn Australien findet ein Umdenken statt.

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern zeigt auf einer Karte, wo im Land die neuen Corona-Fälle gemeldet wurden. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Neuseeland will mit einem nationalen Lockdown einen neuen Corona-Ausbruch bekämpfen.
  • Nachbar Australien hingegen, scheint sich langsam von der Zero-Covid-Strategie loszulösen.

Ganz Neuseeland befindet sich seit letzter Woche in einem Lockdown. Der Auslöser für diese Massnahme: Ein einziger Fall der Delta-Variante des Coronavirus! Der Spott über diesen risikoaversen Ansatz des Landes liess wie erwartet nicht lange auf sich warten – und kam vor allem aus dem Ausland.

Die britische «The Times» nannte Neuseeland eine «mysteriöse sozialistische Einsiedlernation», in der die Öffentlichkeit «in einem Covid-Gefängnis schmorrt». «The Telegraph» kritisierte ein «einst einladendes Land», das sich in eine «isolierte Dystopie» verwandelt habe.

Die britische «The Times» bezeichnete Neuseeland wegen des nationalen Lockdowns als eine «mysteriöse sozialistische Einsiedlernation». - Twitter

Diese Reaktionen auf Neuseelands Strategie im Kampf gegen das Coronavirus zeigen die klare Spaltung im weltweiten Umgang mit Covid. Mehr als 18 Monate nach Pandemie-Beginn haben viele Länder, darunter auch die Schweiz, akzeptiert dass sich das Virus wahrscheinlich nie mehr auslöschen lassen wird. Die Menschen lernen nun, mit Covid zu leben.

Sogar einige Politikerinnen und Politiker in Australien, wo bis zuletzt die Zero-Covid-Strategie verfolgt wurde, scheint ein Umdenken stattzufinden. Ein Delta-Ausbruch in der Millionen-Metropole Sydney, der auch nach knapp drei Monaten im Lockdown noch nicht eingegrenzt werden konnte, hat den Weg für diesen Richtungswechsel eingeleitet.

Premierminister Scott Morrison teilte kürzlich mit, dass bei einer Impfquote von 70 bis 80 Prozent, die nationalen Beschränkungen – also etwa der Travel-Ban für Australier und die Einreisesperre für Touristen – fallen sollen. «Und wenn wir diese Entscheidungen treffen, müssen wir uns nicht von Fallzahlen einschüchtern lassen, die sicherlich steigen werden», hiess vom konservativen Politiker.

Neuseeland reagierte prompt auf Corona-Ausbruch

Der Unterschied zwischen Australien und Neuseeland? Nur wenige Stunden nach der Bestätigung des ersten Delta-Falles in der Gemeinde befahl Premierministerin Jacinda Ardern letzte Woche die gesamte Nation zu sperren. Notabene mit der Unterstützung eines breiten Konsens über das politische Spektrum hinweg.

New South Wales (NSW) hingegen wartete zehn Tage, bis ein zuerst sehr lascher Lockdown für die Region um Sydney eingeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die hochansteckende Variante des Coronavirus bereits durchgesetzt. Am Sonntag (Ortszeit) meldete NSW alleine mit 1218 Ansteckungen die grösste Anzahl Corona-Fälle seit Beginn der Pandemie. Australien hat jetzt keine andere Wahl, als sich neu zu kalibrieren.

In Neuseeland hat sich der Delta-Ausbruch zwölf Tage nach Einführung des Lockdowns bis am Sonntag (Ortszeit) auf 511 Fälle ausgebreitet.Bisher steht die Bevölkerung noch mit überwältigender Mehrheit hinter der Entscheidung der linken Regierung: Eine Umfrage der Firma «Stickybreak» hat gezeigt, dass 84 Prozent den harten Lockdown unterstützen.

Umfrage

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Die Frage, ob die Zero-Covid-Strategie in einer Welt, die von der hochansteckenden Delta-Variante überschwemmt wird, überhaupt noch Sinn macht, ist damit aber nicht beantwortet – und beschäftigt längst nicht mehr nur Experten im Ausland. Sogar Neuseelands eigener Covid-19-Sonderbeauftragte hatte angedeutet, dass der eingeschlagene Weg möglicherweise nicht ewig hält. Wie eine neue Strategie aussehen könnte, darauf hatte Chris Hipkins jedoch (noch) keine Antwort.