HIV

Wie wären die Berner KMU vom US-Zollhammer betroffen?

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

39 Prozent – das sei «nicht nachvollziehbar», sagt HIV-Direktor Henrik Schoop. Er sieht aber Chancen, dass die Verhandlungen des Bundesrats erfolgreich sind.

Henrik Schoop HIV
Henrik Schoop ist Direktor des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern (HIV). - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die US-Zölle von 39 Prozent sind für den HIV «nicht nachvollziehbar».
  • Im Interview sagt HIV-Direktor Henrik Schoop, wie es die Berner KMU trifft.
  • Er macht aber auch Hoffnung auf Verhandlungslösungen und bleibt zuversichtlich.

Der Handels- und Industrieverein des Kantons Bern (HIV) zeigt sich sehr besorgt über die hohen US-Zölle von 39 Prozent. Vom Kanton Bern fordert HIV-Direktor Henrik Schoop Massnahmen bei der Standortpolitik.

Im BärnerBär-Interview sagt er, wo und wie es im Kanton Bern besonders schlimm kommen könnte – und was dagegen hilft.

Donald Trump
US-Präsident Donald Trump auf dem Weg zum Helikopter «Marine One», am 1. August 2025 in Washington D.C. - keystone

BärnerBär: Bundespräsidentin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Parmelin reisen nach Washington. Sehen Sie realistischerweise noch Chancen, dass sich an den 39 Prozent noch etwas ändern lässt?

Henrik Schoop: Ich sehe Verhandlungschancen. Wenn man schaut, was andere Länder für Deals erreicht haben – daran kann man sich orientieren. Das ist nun die Herkules-Aufgabe für den Bundesrat: Angebote zu machen, zu verhandeln und die Zölle herunterzubringen.

Kann die Schweiz eine Reduktion der Zölle erreichen?

BärnerBär: Welche Branchen sind im Kanton Bern besonders stark betroffen?

Henrik Schoop: Zu den Verlierern gehören sicher die Uhren-, Elektro- und Präzisionsindustrie. Dann natürlich die Zulieferer zu diesen Industrien. Bei der Uhrenindustrie gehen 20 Prozent in die USA, national sind es 19 Prozent des ganzen Handels.

Es trifft vor allem Firmen, die einen grossen Anteil in die USA exportieren und die nicht gerade exklusive Produkte anbieten können. Dazu kommen noch Währungseffekte, die Konsumstimmung sinkt. So ist am Schluss beispielsweise auch der Sanitär oder Gastro betroffen und es wird spürbar für alle.

Schweizer Uhren
Die USA ist für die Schweizer Uhrenindustrie der wichtigste Absatzmarkt. Entsprechend hart wird sie nun vom Zollhammer getroffen. - keystone

BärnerBär: Wenn es nun bei 39 Prozent oder ähnlich hohen US-Zöllen bleiben sollte: Was heisst das für Berner KMU?

Henrik Schoop: Bei 39 Prozent ist das für die Meisten das Ende des US-Markts. Ich gehe stark davon aus, dass die Anträge auf Kurzarbeit stark zunehmen werden. Das wirkt als Puffer, damit es nicht zu Massenentlassungen kommt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erhöhung der maximalen Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate, so wie das aktuell im Parlament hängig ist. Auch die Freihandelsabkommen wie Mercosur müssen schnell in trockene Tücher kommen. Es ist ein schleichender Prozess. Mittelfristig wird man auf Produktionsverlagerungen in andere Länder und auf neue Märkte ausweichen müssen.

BärnerBär: Das heisst, Arbeitsplätze sind in Gefahr – von welchen Grössenordnungen reden wir da?

Henrik Schoop: Das ist schwierig zu sagen – national geht man von 12'500 oder mehr aus, aber das wird wie gesagt ein schleichender Prozess sein. Einerseits durch direkte Entlassungen, aber auch durch Produktionsverlagerungen in die EU oder die USA. Das wird eine Zeit dauern, bis das konkret absehbar wird.

BärnerBär: Was kann der HIV tun?

Henrik Schoop: Nächste Woche führen wir zusammen mit Economiesuisse und der Standortförderung ein Webinar für die Unternehmen durch, um die dringendsten Fragen zu beantworten. Daneben machen mir Exportberatungen und vertreten generell die Stimme der Unternehmen. Mittel- bis langfristig setzen wir uns ein für einen Kanton Bern mit attraktiven Rahmenbedingungen für Unternehmen ein.

Wirtschaft
Die Schweizer Wirtschaft zittert wegen der angekündigten US-Zölle. - keystone

BärnerBär: Sie fordern von der Kantonsregierung Liberalisierungsschritte, um die Attraktivität des Standorts Bern zu erhalten. Aber Wirtschaftsdirektor Christoph Ammann lehnt solches rundweg ab: Das löse das Problem nicht.

Henrik Schoop: Es ist richtig: Kurzfristig lösen Liberalisierungsschritte kein Problem, da bin ich ganz bei Regierungsrat Ammann. Man kann gar nicht so schnell reagieren, um diese Änderungen zu machen.

Aber mittel- bis langfristig kommt man nicht darum herum, aktive Standortförderung zu betreiben. Die Standortattraktivität muss wieder ganz oben auf der politischen Agenda stehen – was wir heute anpacken, entscheidet über den Erfolg von morgen.

Dazu gehört die Beschleunigung von Plan- und Baubewilligungsverfahren und die Sicherung von strategischen Arbeitszonen auf kantonaler Ebene, ein attraktives duales Bildungssystem und ein wettbewerbsfähiges Steuermodell, um von den hinteren Rängen endlich ins steuerpolitische Mittelfeld aufsteigen zu können. Das sind alles Puzzleteile, um ein attraktiver Kanton zu sein.

Wichtig ist sicher, dass man für das Erfolgsmodell zusammensteht: Nicht der Pharma oder dem Goldhandel die Schuld zuschieben. Es gilt, zuversichtlich zu bleiben: Vor zehn Jahren hatten wir den Frankenschock und konnten diese Krise auch stemmen.

Schokolade Donald Trump
Die neuen US-Zölle von Donald Trump machen Schweizer Schokoladenherstellern das Leben schwer. - keystone

BärnerBär: Die Luzerner Confiserie Bachmann hat den Stecker gezogen: Sie liefert aus Protest nicht mehr in die USA. Könnten sich Berner KMU diesem Vorgehen anschliessen und ebenfalls ein Signal setzen? Im Sinne von: So nicht – auch wenn es finanzielle Einbussen gibt.

Henrik Schoop: Ob ein Boykott sinnvoll ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Klar ist aber: Wer an den freien Handel glaubt, sollte den Dialog und die Märkte nicht einfach aufgeben.

Auch wenn die Schweiz im Vergleich zu den USA klein ist – mit starken Produkten und Innovationskraft können wir punkten. Der US-Markt bleibt international in vielen Branchen zentral – dort passiert viel, und wer mitspielen will, sollte präsent sein.

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