Vor einem Moskauer Gericht ist am Donnerstag über die Auflösung einer Unterorganisation der bedeutenden Menschenrechtsorganisation Memorial verhandelt worden.
Memorial-Unterstützerin vor Gericht in Moskau
Memorial-Unterstützerin vor Gericht in Moskau - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Organisation setzt sich für politische Gefangene ein.

Die Anhörung zu dem Menschenrechtszentrum Memorial fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies diene der «Sicherheit» der Prozessteilnehmer, sagte Richter Michail Kasakow. Das Gericht vertagte die Verhandlung auf den 29. Dezember, wenige Tage vor dem russischen Neujahrsfest.

Nach Angaben des Anwalts Grigori Waipan könnte eine Entscheidung noch in diesem Jahr fallen: «Der Prozess steht kurz vor dem Abschluss», sagte Waipan nach der Anhörung vor Journalisten. Menschenrechtler in Russland befürchten ein bevorstehendes Verbot der Dachorganisation Memorial, die auch enge Verbindungen zu Wissenschaftlern in Deutschland pflegt.

Bei eisigen Temperaturen protestierten vor dem Gericht in Moskau rund 30 Demonstranten gegen das strafrechtliche Vorgehen gegen Memorial und das Menschenrechtszentrum Memorial. Letzteres setzt sich für politische Gefangene und Minderheiten wie Migranten und Homosexuelle ein. Die russischen Behörden werfen dem Zentrum vor, gegen das «Ausländische-Agenten-Gesetz» verstossen und Terrorismus verherrlicht zu haben.

In Russland sind zahlreiche Nichtregierungsorganisationen als «ausländische Agenten» eingestuft. Diese Organisationen müssen sämtliche ihrer Veröffentlichungen mit einer speziellen Kennzeichnung versehen. Zudem müssen sie ihre Finanzen offenlegen.

Auf Grundlage des «Ausländische-Agenten-Gesetzes» und der Terrorgesetzgebung waren in den vergangenen Jahren in Russland zahlreiche regierungsunabhängige Organisationen und oppositionelle Gruppen kriminalisiert worden. Im Februar wurden auch die Organisationen des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verboten. Nawalny steht auf einer Liste von 420 politischen Gefangenen in Russland, die das Menschenrechtszentrum Memorial im Oktober veröffentlichte.

Für die kommende Woche wird in Russland die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Auflösung von Memorial International - dem zentralen Teil der Memorial-Organisation - erwartet. Kritiker werfen den russischen Behörden vor, mit dem Vorgehen gegen Memorial den Druck auf Kritiker von Präsident Wladimir Putin zu erhöhen und auch ein Signal an den Westen senden zu wollen.

Die Ende der 80er Jahre von sowjetischen Dissidenten, darunter dem Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow, gegründete Organisation setzt sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein.

Die Organisation gilt als wichtiges Symbol der Demokratisierung Russlands nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. In Moskau betreibt sie ein umfassendes Archiv mit Zeitzeugen-Interviews und Dokumenten zum Stalinismus. Auch in Deutschland hat Memorial seit 1993 einen Zweig.

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