Nach neuen teils gewaltsamen Protesten von Gegnern der Corona-Massnahmen wächst die Sorge vor einer weiteren Radikalisierung. Politiker fordern nun Massnahmen.
«Querdenker»-Demo im November in leipzig
«Querdenker»-Demo im November in leipzig - AFP/Archiv
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Wochenende kam es zu mehreren gewaltsamen Protesten in Deutschland.
  • Politiker sorgen sich vor einer Radikalisierung der gewaltbereiten Demonstranten.
  • In Sachsen gab es bislang 891 politisch motivierte Straftaten bei Corona-Protesten.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herber Reul (CDU) nannte am Sonntagabend im «Bild»-Talk den extremistischen Teil der Protestierenden «brandgefährlich, weil sie mittlerweile nicht nur reden, schwätzen, sich gegenseitig hochstacheln, sondern auch zu Taten schreiten». Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) rief in der «Bild» dazu auf, «den Radikalen nicht die Strasse zu überlassen».

Am Wochenende war es in zahlreichen Städten erneut zu Ausschreitungen bei Protesten gegen die Corona-Politik gekommen. Bei einem Aufzug von bis zu tausend Teilnehmern im thüringischen Greiz wurden am Samstag Einsatzkräfte angegriffen, 14 Polizisten wurden verletzt. In Gotha kam es aus einem Aufzug von 1500 Menschen heraus ebenfalls zu Angriffen und Flaschenwürfen auf Sicherheitskräfte.

demo
Gewalttätige Ausschreitungen in Leipzig, Sachsen. - Keystone

Auch im sächsischen Bennewitz und in Reutlingen in Baden-Württemberg gab es gewaltsame Zwischenfälle bei Corona-Demonstrationen. Im bayerischen Schweinfurt wurden bei einer Versammlung von bis zu 2000 Demonstrierenden am Sonntag zehn Menschen festgenommen. Zwei von ihnen versuchten den Angaben zufolge, ein Zivilfahrzeug der Polizei in Brand zu stecken.

«Das beunruhigt mich sehr, das muss ernst genommen werden». Das sagte Reul am Montag in Düsseldorf mit Blick auf die gewaltsamen Proteste. Im «Bild»-Talk warnte der Politiker, es seien zunehmend «demokratiefeindliche Töne, verfassungswidrige Töne» dabei. Hier müsse eine klare Grenze gezogen werden.

Demonstrations-Tourismus bereitet Sorgen

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sieht auch einen «gewissen Tourismus» von offensichtlich gewaltbereiten Demonstranten aus anderen Bundesländern. Der Rechtsstaat müsse hier «klare Kante zeigen, und das tut er auch», sagte Maier am Montag im ZDF-«Morgenmagazin».

«Viele verfolgen ganz andere Ziele als Corona. Sie benutzen die emotionale Debatte um die Impfpflicht, um zu spalten», sagte Schwesig in der «Bild»-Zeitung vom Montag. Am Ende müssten aber «demokratische Entscheidungen von allen akzeptiert werden». «Hier muss unsere Demokratie eine Brandmauer gegen Gewalt errichten», sagte die Ministerpräsidentin.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz (Grüne) nannte die aktuelle Entwicklung «mehr als beängstigend». Zu lange seien Reichsbürger und sogenannte Querdenker als harmlos abgetan worden, sagte er der «Welt». Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle warnte vor einer gezielten Unterwanderung friedlicher Corona-Proteste.

Manuela Schwesig
Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD) - Keystone

Bisher nur vereinzelt komplexere Anschläge

Auch der Terrorismusforscher Peter Neumann sieht eine ernsthafte Gefahr durch eine Radikalisierung der Corona-Proteste. «Was wir vereinzelt bereits gesehen haben, sind komplexere Anschläge auf das RKI zum Beispiel oder auf Kliniken und auf Impfstellen». Das sagte Neumann am Sonntag bei Bild TV. Deshalb könne er sich vorstellen, «dass wir in einigen Monaten tatsächlich möglicherweise von einer terroristischen Kampagne sprechen müssen».

Im Freistaat gab es in den ersten anderthalb Jahren der Pandemie mehr als 2800 öffentliche Protestaktionen mit Corona-Bezug. Das geht aus einer Aufstellung des sächsischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Landtag hervor. Dabei wurden bislang 891 politisch motivierte Straftaten erfasst, wie die Linke am Montag mitteilte. Fast 200 dieser Taten richteten sich gegen Polizistinnen und Polizisten.

Sicherheitslücken bei den Messengerdiensten wie Telegram sollen geschlossen werden. Dazu forderten Landesinnenminister Maier, Schwesig und der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf. «Hass und Hetze auf derartigen Messengerdiensten gehören konsequent unterbunden und geahndet». Das sagte Strobl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe laut Vorabmeldung vom Montag.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

HassZDFCoronavirusGewalt