Frauenrat fordert Konsequenzen nach Austritt aus Istanbul-Konvention
Nach dem Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen hat der Deutsche Frauenrat Konsequenzen für die Beziehungen zu Ankara gefordert.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention stösst auf harsche Kritik.
- Der Deutsche Frauenrat fordert Konsequenzen für die türkische Regierung.
Die Türkei ist aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen ausgetreten. Der Deutsche Frauenrat fordert deswegen Konsequenzen für die Beziehungen zu Ankara. Auch GEW und Linke üben scharfe Kritik.

Die EU-Aussenminister und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell müssten sich der Entscheidung Ankaras «entschlossen entgegenstellen». Das erklärte der Frauenrat am Montag in Berlin. Das Übereinkommen des Europarats sei «das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen der Frauenbewegung, um Gewalt gegen Frauen in ihrer Vielfalt zu ächten». Es dient zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Jede dritte Frau weltweit von Gewalt betroffen
Der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention sei «schockierend», erklärte der Frauenrat weiter. Neueste Zahlen der Weltgesundheitsorganisation zeigen, «dass weltweit jede dritte Frau in ihrem Leben von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen ist». Das gibt der Frauenrat an.

Die türkische Organisation «Wir werden Frauenmorde stoppen» habe im Jahr 2020 über 300 Morde an Frauen gezählt. Eine Gewaltschutzkonvention in dieser Situation aufzukündigen sei «zynisch und falsch». Die Bundesregierung müsse sich dafür einsetzen, diesen Schritt rückgängig zu machen. Der Deutsche Frauenrat bezeichnet sich als die politische Interessenvertretung von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen und damit grösste Frauenlobby Deutschlands.
Austritt ist «fatales Signal für ganz Europa»
Die Kündigung der Konvention sei «ein enormer Rückschritt für den Schutz und die Rechte von Frauen in der Türkei. Ausserdem ist sie ein fatales Signal für ganz Europa». Das erklärte auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe. Die Entscheidung reihe sich ein in die autoritären Massnahmen und die anhaltenden Angriffe auf demokratische Rechte in der Türkei».
Die Frauenrechtlerin und Autorin Düzen Tekkal sprach sich dafür aus, dass die Bundesregierung scharf auf den Vorfall reagieren soll. Die Kündigung wurde durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan initiiert. «Die Aufkündigung ist ein Angriff auf die Frauenrechte», sagte Tekkal der «Bild»-Zeitung vom Montag. Erdogan habe sich «von Islamisten und einem sehr patriarchal geprägten Teil der Gesellschaft unter Druck setzen lassen».
Erweiterung Zollunion und Waffenlieferung an Erdogan
Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen warf der Europäischen Union bei ihrer Menschenrechtspolitik im Fall der Türkei «Heuchelei» vor. Die EU beklage «wortreich» den Verbotsantrag gegen die pro-kurdische HDP-Partei und den Austritt Ankaras aus der Istanbul-Konvention.

Gleichzeitig stelle sie Erdogan eine Erweiterung der Zollunion in Aussicht. Auch die Waffenlieferungen an den «Autokraten» Erdogan würden «weiterlaufen». Das sei der «Gipfel an moralischer und politischer Verkommenheit», erklärte Dagdelen.