Gewinnen die Nationalisten? Schadet die FPÖ-Krise den Rechtspopulisten? Welchen Einfluss hat der Brexit? Die wohl spannendste EU-Parlamentswahl startet heute.
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Europaparlament in Strassburg: Blick in den Plenarsaal. (Archivbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In einigen EU-Staaten beginnen heute die Parlamentswahlen.
  • 751 Sitze im Europaparlament sind zu vergeben.
  • Die Wahlen werden auch über den künftigen Kommissionspräsidenten entscheiden.
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Europa wählt! Von heute Donnerstag bis am Sonntag, 26. Mai sind die rund 400 Millionen EU-Bürger im wahlfähigen Alter aufgerufen, das Europäische Parlament in Strassburg (F) für die nächsten fünf Jahre neu zu bestellen. 751 Sitze im Europaparlament sind zu vergeben.

Es ist die neunte Wahl eines EU-Parlaments – und sie ist richtungsweisende für Europa. Nicht nur deshalb, weil das EU-Parlament weitreichende Kompetenzen hat – etwa das Erlassen von Gesetzen, das Bestimmen des EU-Haushalts und die Kontrolle über den Ministerrat und die EU-Kommission.

Europaparlament Jean Claude
Jean-Claude Juncker wird als EU-Kommissionspräsident abtreten. - keystone

Es entscheidet auch, wer künftig das höchste Amt innerhalb der Europäischen Union – das Kommissionspräsidium – belegen wird. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine zweite Amtszeit abgelehnt.

Aussichtsreichster Kandidat auf das Amt des Luxemburgers ist der Deutsche CSU-Politiker Manfred Weber. Er steigt als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) ins Rennen.

Manfred Weber EVP Europawahlen
EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber gilt aus aussichtsreichster Kandidat auf das Kommissionspräsidium. - AFP/Archiv

Populisten auf dem Vormarsch

Richtungsweisen wird es auch, weil die Rechtspopulisten innerhalb Europas auf dem Vormarsch sind. Mit der AfD in Deutschland oder der britischen Change UK dürften einige Parteien den Sprung ins EU-Parlament schaffen. Glaubt man den Wahlumfragen, werden die nationalistischen Parteien deutlich an Sitzen zulegen können.

Italiens Innenminister Matteo Salvini will nun das in drei Fraktionen zersplitterte rechtsnationale Lager unter einem Dach vereinen. Die Akzente im Parlament sollen so nach rechts gerückt werden.

Ob der Schulterschluss mit der AfD, der französischen Nationalistin Marine Le Pen und dem niederländischen Islamgegner Geert Wilders gelingen wird, ist offen. Inhaltliche Differenzen zwischen den Rechtspopulisten der verschiedenen EU-Länder könnten dem ganzen einen Strich durch die Rechnung machen.

Marine le Pen Matteo salvini
Die Rechtspopulisten aus der EU vereint: Geert Wilders, Matteo Salvini und Marine Le Pen in Mailand. - AFP

Klar ist, die bisherigen Fraktionen innerhalb des EU-Parlaments werden wohl ziemlich durchgeschüttelt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hatte einen möglichen Ausstieg seiner Fidesz aus der EVP-Fraktion angedroht. Emmanuel Macrons La République en Mache hat einen Sturm auf Strassburg angekündigt. Eine Allianz mit der liberalen Alde-Fraktion ist wahrscheinlich. Und die italienische Fünf-Sterne-Bewegung hat die Bildung einer neuen Anti-Establishment-Fraktion angekündigt.

Staatskrise in Österreich

Auch die österreichische FPÖ von Heinz Christian Strache ist beim Schulterschluss mit Salvini mit an Bord. Diese hat nun aber in Österreich eine schlimme Staatskrise ausgelöst.

Kann der Ibiza-Video-Skandal die Rechtspopulisten noch ausbremsen? Die Meinungen gehen auseinander. Politologe Claude Longchamp etwa geht davon aus, dass der Skandal um den FPÖ-Chef Strache vor allem der FPÖ selbst schaden wird.

Heinz-Christian Strache FPÖ
Heinz Christian Strache (FPÖ) musste nach dem Ibiza-Skandal-Video zurücktreten. - dpa

Andere Experten glauben, dass die Rechtspopulisten in ganz Europa an Zuspruch verlieren werden. Denn auch etwa Le Pen und ihre Partei in Frankreich, als auch die AfD in Deutschland stehen wegen diverser dubioser Wahlkampfspenden unter Druck.

Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke glaubt deshalb, dass die Krise dem Enthusiasmus anderer Rechtspopulisten in Europa mit dem Politskandal einen Dämpfer verpasst wurde. Gegenüber «n-tv» äussert sich Funke: «Es dürfte eine Schwächung der AfD bei der Europawahl geben.»

Ungewiss also, ob die Staatskrise in Österreich Auswirkungen auf die EU-Wahlen haben wird.

Kuriosum Brexit

Eigentlich wären dies die ersten EU-Parlamentswahlen ohne Beteiligung der Briten geworden – eigentlich. Denn: der Austrittstermin vom 21. März 2019 ist längst verstrichen, ohne dass sich das Königreich aus der EU verabschiedet hat. Der Europäische Rat hat nun Grossbritannien einen Aufschub des Brexit bis spätestens dem 31. Oktober 2019 gewährt.

Kurios, denn nun müssen die Briten doch noch an den EU-Parlamentswahlen teilnehmen. Kurios auch, dass Mr. Brexit Nigel Farage und seine neu gegründete Brexit-Partei als aussichtsreichste Kandidaten in die Europaratswahlen steigt. Laut Umfragen könnte seine Partei mehr Stimmen machen, als die konservativen Tories von Theresa May und die liberale Labour-Partei zusammen.

nigel farage brexit partei
Seine Brexit-Partei könnte bei der Europawahl einen spektakulären Erfolg einfahren: Ex-Ukip-Chef Nigel Farage. - dpa

Steigt Grossbritannien doch noch aus der EU aus, wird die Zahl der Abgeordneten von 751 auf 705 Sitze sinken.

Doch ob das nun wirklich die letzten EU-Wahlen für die Briten sind? Auch dies bleibt offen.

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