Ein peinliches Skandal-Video, der Rücktritt aller FPÖ Minister. Nun wackelt auch der Stuhl des Kanzlers Kurz. Politologe Claude Longchamp schätzt die Lage ein.
Politologe Claude Longchamp über die FPÖ-Krise. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem Skandal-Video von Ibiza sind alle Minister der FPÖ zurück getreten.
  • Nun wackelt auch der Stuhl von Bundeskanzler Sebastian Kurz.
  • Politologe Claude Longchamp erklärt den Einfluss auf die Europawahl und die Schweiz.

Ein Video sorgt für viele rollende Köpfe. Nicht nur der des FPÖ-Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache, der die Hauptrolle des peinlichen Videos spielt. Auch alle Minister der FPÖ haben den Rücktritt eingereicht.

Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache neben der vermeintlichen Russen-Oligarchin 2017 auf Ibiza. Es ist ein Ausschnitt aus dem Video, das die Regierungskrise in Österreich auslöste. - Der Spiegel/SZ

Aufgrund eines Misstrauensvotums steht nun auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (32) auf der Kippe. Nächsten Montag muss sich der jüngste Regierungschef weltweit dem Votum im Nationalrat stellen.

Zieht Kurz den Kürzeren?

Für den Schweizer Politologen Claude Longchamp sind viele Fragen offen. «Trifft es nur die FPÖ, oder auch ihren Koalitionspartner ÖVP?» Denn der Zeitpunkt für die Krise ist äusserst ungünstig. In nur zwei Tagen beginnt nämlich die Europawahl, die Wahl des neuen EU-Parlamentes.

Dass es Wählerverschiebungen gibt, also FPÖ-Wähler zu einer anderen Partei wechseln, glaubt Longchamp nicht. Er sagt: «Meistens bleiben die Wähler enttäuscht Zuhause.»

FPÖ
Die Grafik zeigt die Zusammensetzung des EU-Parlaments, welches ab 23. Mai neu gewählt wird. Die FPÖ besitzt derzeit vier Sitze. - Nau

Auch schätzt er den Einfluss des FPÖ-Skandals auf die Europawahl als gering ein. «So kurzfristig wie das gerade passiert gehe ich davon aus, dass es vor allem der FPÖ schadet.» Die rechts-nationalistischen Kräfte, wie sie Longchamp bereits als Gewinner der Europawahl prognostiziert hat, könne der Skandal nicht gross schwächen.

Bundeskanzler Kurz wolle vermutlich noch über das Wochenende am Drücker sein, «damit die ÖVP gut abschneidet.»

Das Risiko, dass Kurz am Montag dann abgesetzt wird, sei hoch. Insbesondere, «wenn die Sozialdemokraten und FPÖ gemeinsam das Misstrauensvotum unterstützen.»

Krisenpartei FPÖ im Vergleich zur SVP

Für Claude Longchamp steht fest: Die FPÖ-Krise erschüttert vorwiegend Österreich. «Die FPÖ-Saubermänner, wie sie sich selber gern nannten, wurden sehr stark demaskiert.» Dies löse in der Bevölkerung natürlich ein grosses Missvertrauen aus. «Das ist nicht gut für die Demokratie in Österreich!»

Politologe Claude Longchamp über die Wirkung des FPÖ-Skandals auf die österreichische Bevölkerung. - Nau

Dass der Skandal am Schweizer Demokratie-Glaube kratze, glaubt der Politologe jedoch weniger. In der Schweiz sei so ein Vorfall zudem kaum denkbar. «Man würde ja als aller erstes auf die SVP schauen.»

Eine Partei, die ein gewisses Feeling dafür entwickelt habe, was man dürfe und was nicht. «Das hat die FPÖ nie und auch nie gewollt.» Diese sei sehr nationalistisch oder gar rechtsextrem. «Rechtsextrem ist die SVP definitiv nicht.»

SVP
Die SVP und ihr Präsident Albert Rösti seien nicht direkt mit der FPÖ vergleichbar. - Keystone

Auch vom System her sei die Schweiz nicht mit Österreich vergleichbar. «Wir haben vier Parteien in der Regierung. Wenn eine Eskapaden macht, kommt das meist schnell hervor, das wirkt auch präventiv.»

Anders sei dies in Österreich mit einer massiv höheren Anzahl von Parteien und besonders einer Koalitionsregierung. «Das sind die Regierungspartner aufeinander angewiesen und verpfeifen sich kaum.» Das sehe man auch jetzt: Falls die ÖVP die FPÖ verpfeife, riskiere sie, mitgerissen zu werden.

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