Coronavirus: Was steckt hinter Angela Merkels Achterbahn-Fahrt?
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte die Bekämpfung des Coronavirus verstärkt auf Bundesebene regeln. Damit sind aber nicht alle einverstanden.

Das Wichtigste in Kürze
- In Deutschland steigen die Corona-Fallzahlen derzeit rasant an.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert, dass die Bundesländer die Schraube anziehen.
- Politwissenschaftler Klaus Armingeon sagt: Der Föderalismus hat keine gute Falle gemacht.
Es war historisch. «Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler», sagte Angela Merkel vergangene Woche. Die Bundeskanzlerin zog den Oster-Lockdown am letzten Mittwoch zurück – und entschuldigte sich bei der Bevölkerung. Das hat es in ihren 16 Jahren als Kanzlerin noch nie gegeben.
Nur wenige Tage später sendet dieselbe Angela Merkel mit harschen Worten eine klare Botschaft an die Bundesländer ab: Jetzt muss gehandelt werden, um der dritten Welle entgegenzuwirken, sagt sie in der ARD-Sendung «Anne Will».
Doch einzelne Bundesländer haben bisher ihre Notbremsen-Planung nicht beachtet. Und geöffnet, während die Fallzahlen rasant anstiegen.
Merkel könnte neuen Weg zur Bekämpfung des Coronavirus eingehen
Noch vor der Verhängung der Ruhepause über die Feiertage diskutierte Merkel stundenlang mit den Ministerpräsidenten. Die Politikerinnen und Politiker fanden aber keine zufriedenstellende Lösung, um das Coronavirus zu bekämpfen.

Das sorgte offensichtlich für Unmut bei der 66-Jährigen. Am Sonntagabend war Merkel dann in der Talksendung zu Gast. Und zeigte ihre Bereitschaft, einen neuen Kurs – ohne die Ministerpräsidenten – anzusteuern.
Wenn sie nicht handelten, drohte sie den Bundesländern, werde sie über bundeseinheitliche Regelungen zur Eindämmung des Coronavirus nachdenken. Innert weniger Tagen vom demütigen Verhalten bis hin zum Machtwort - welche Strategie steckt dahinter?
Merkels Position sei verständlich, sagt Politikwissenschaftler Klaus Armingeon. Der gebürtige Deutsche doziert an den Universitäten von Zürich und Mailand und beschäftigt sich mit der Politik in der EU.
Föderalismus stösst bei Eindämmung des Coronavirus an Grenzen
Dass Merkel eventuell eine einheitliche Lösung anstrebt, habe sich angebahnt, sagt er. Die Ministerpräsidenten missachteten die Vorschläge aus Berlin. «Sie wollen wiedergewählt werden und agieren auf Druck der Bevölkerung – wie die kantonalen Regierung in der Schweiz», erklärt er.
Und einige der Regierungschefs argumentierten wie «Hobby-Virologen», meint er schmunzelnd. Insgesamt habe der Föderalismus in Deutschland – wie auch in der Schweiz – während der Krise keine gute Falle gemacht.

Deshalb könnte Angela Merkel versuchen mehr Zuständigkeit von den Ländern zum Bund zu verlagern. Es sei ihr Job, das richtige zu tun, meint Armingeon. Sie trage die Verantwortung. Der Bundeskanzlerin wird zuletzt allerdings vorgeworfen, sie wolle im letzten Amtsjahr ihre Macht austesten.
Armingeon hat dafür kein Verständnis, das sind «Hobby-Psychologen», sagt er. «Weshalb brauchte sie das? Bei Politik geht es nicht in erster Linie um persönliche Eigenheiten, sondern um Strukturen und Interessen.»
Bisher nur Drohungen von Angela Merkel
Sie wolle nicht zuschauen, bis sich täglich 100'000 Personen mit dem Coronavirus infizieren, begründete Merkel. Aktuell sind die täglichen Infektionsfälle bei rund 20'000 und somit weit entfernt von Merkels genannter Marke. Aber die Neuansteckungen nehmen rasant zu.
Ob es der Bundeskanzlerin gelingt, mehr Zuständigkeit in Berlin zu konzentrieren, zeigt sich erst in den nächsten Wochen. Bisher waren es nur Drohungen.

Die Worte in Taten umzumünzen, wird keine leichte Aufgabe für Merkel. Sie braucht die Zustimmung der Bundesländer. «Das neue Gesetz müsste durch den Bundestag – dem Pendant zum Nationalrat – und den Bundesrat, der die Länder so vertritt, wie das bei uns der Ständerat tut.»
Es werde sich zeigen, wie sich die Mehrheit formieren wird, meint Armingeon. Angela Merkel hat gewichtige Namen wie Bayerns Regierungschef Markus Söder auf ihrer Seite. Doch die Gegner des Vorschlags werden ebenfalls ein Wörtchen mitreden.