Der Kompromiss von Linkspartei, SPD, Grünen und CDU zur Beilegung der politischen Krise in Thüringen ist noch keinen Tag alt, da hat die Bundes-CDU schon vehementen Widerspruch eingelegt: Wer den Linken-Politiker Bodo Ramelow zum Thüringer Regierungschef wähle, verstosse gegen die Beschlüsse der CDU, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak am Samstag.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach Kompromiss in Erfurt zu Neuwahlen im April 2021 und Stabilitätspakt.

Aus der CDU-Zentrale in Berlin hiess es, das Verhandlungsergebnis in Erfurt sei «ohne Zutun» der Bundes-CDU entstanden und allein von den Thüringer Parteifreunden zu verantworten.

Am Freitagabend hatten sich in Erfurt Vertreter von Linkspartei, SPD und Grünen nach langem Tauziehen mit der Thüringer CDU auf Neuwahlen im April 2021 geeinigt. Vorher will sich Ramelow am 4. März im Landtag zur Wiederwahl stellen und bis zur Neuwahl regieren.

Da die Koalition der Linken mit SPD und Grünen aber eine Minderheitsregierung ist, fehlen ihr vier Stimmen dafür. Spekuliert wird, ob mehrere CDU-Abgeordnete in der geheimen Wahl für Ramelow stimmen könnten.

Die vier Parteien vereinbarten nach den Worten Ramelows am Freitagabend zudem einen Stabilitätspakt. Zu diesem gehöre, dass die AfD nicht zum Mehrheitsbeschaffer im Thüringer Landtag werden könne.

Ramelow war am 5. Februar in den ersten zwei Wahlversuchen gescheitert, im dritten Wahlgang setzte sich überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und FDP sowie der AfD durch. Die Wahl mit Stimmen der AfD löste ein politisches Erdbeben in Deutschland aus; Kemmerich trat nach drei Tagen wieder zurück.

Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion erklärte am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter, sie werde «Ramelow nicht aktiv als Ministerpräsidenten» mitwählen. Zuvor hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Volker Emde, der an den Verhandlungen teilnahm, AFP gesagt, seine Partei werde die Wahl von Ramelow «sicherstellen».

Ziemiak reagierte scharf: Die Abgeordneten im Thüringer Landtag seien «nach der Verfassung frei, aber alle Mitglieder der CDU Deutschland sind an die Beschlüsse des Bundesparteitages gebunden». Ein CDU-Parteitagsbeschluss von 2018 verbietet die Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD. Es gehe «um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der CDU Deutschlands insgesamt», fügte Ziemiak hinzu. Am Montag will die Parteiführung in Berlin über die neue Situation in Thüringen beraten.

Aus der Berliner CDU-Zentrale kam unverhohlene Kritik: Die Parteispitze habe die Thüringer CDU immer wieder auf den verbindlichen Parteitagsbeschluss hingewiesen. Das jetzige Verhalten sei ein «durchsichtiges Manöver» des Thüringer Landesverbandes, um «von eigenen Fehlern und der eigenen Verantwortung abzulenken», hiess es.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der als Anwärter auf den Parteivorsitz gilt, lehnte eine Wahl Ramelows durch die CDU auf Twitter ab. Die Union sei in einer «Vertrauenskrise». «Die letzten Wendungen aus Thüringen» kosteten weiteres Vertrauen, schrieb Spahn.

Der sozialdemokratische Koalitionspartner im Bund rief dagegen die CDU auf, die Einigung in Erfurt nicht in Frage zu stellen. Es sei vereinbart worden, dass die Koalitionsparteien ihren Beitrag für eine demokratisch getragene Regierung und baldige Neuwahlen in Thüringen leisten, schrieb SPD-Chefin Saskia Esken auf Twitter. Dieser Weg sei in Thüringen gefunden worden. «Wir erwarten, dass die CDU im Bund Wort hält.»

Die Grünen kritisierten das Nein der Bundes-CDU zum Erfurter Kompromiss. «Das Richtige zu tun erfordert, aus Sackgassen rauszugehen - dagegen ist es verantwortungslos, keine Lösungen für Thüringen auf den Tisch zu legen, sondern Kompromisse zu torpedieren», sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner AFP.

Dagegen erklärte der AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, die Entscheidung der Thüringer CDU, Ramelow ins Amt zu verhelfen, sei «Verrat» an ihren Wählern. Die «Brandmauer» zur Linkspartei sei «endgültig gefallen».

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