Fast hundert Abgeordnete der regierenden Tory-Partei haben im britischen Parlament gegen neue Corona-Regeln der Regierung von Premierminister Boris Johnson gestimmt.
Boris Johnson im Parlament
Boris Johnson im Parlament - UK PARLIAMENT/AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Johnson bringt Massnahmen nur mit Hilfe der Opposition durchs britische Parlament.

Das Massnahmenpaket, mit dem die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus eingedämmt werden soll, wurde bei der Abstimmung am Dienstagabend zwar verabschiedet. Johnsons Regierung war dabei allerdings auf die Unterstützung von Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei angewiesen.

Johnsons Gesundheitsminister Sajid Javid hatte vor der Abstimmung an die Tory-Abgeordneten appelliert, nicht gegen die neuen Regeln zu stimmen. Omikron sei «eine ernste Bedrohung» für das Land, warnte der Minister. Daher halte die Regierung die verschärften Massnahmen für erforderlich. «Wenn sich die Fakten ändern, muss sich auch unsere Reaktion ändern», sagte Javid.

Dutzende Abgeordnete von Johnsons Tory-Partei hatten vor der Abstimmung Widerstand gegen die neuen Regeln angekündigt, die teilweise schon in Kraft sind und durch die Parlamentsabstimmung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden sollten.

97 Tories und damit deutlich mehr als erwartet stimmten dann letztlich gegen die neue Impf- oder Testnachweis-Pflicht für Besucher von Nachtclubs und Grossveranstaltungen. 61 Tory-Abgeordnete stimmten gegen eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal bis April 2022 und 38 Tory-Abgeordnete votierten gegen die Maskenpflicht in Kinos und Theatern.

Trotz einer komfortablen Mehrheit von 80 Sitzen war die Regierung daher auf die Stimmen aus den Reihen der oppositionellen Labour-Partei angewiesen, die das Massnahmenpaket unterstützt.

Für Johnson ist die grosse Zahl von Abweichlern aus den eigenen Reihen eine herbe Schlappe - und seine grösste parteiinterne Niederlage seit seinem Wahlsieg im Dezember 2019.

Javid hatte bereits am Montag gewarnt, die Omikron-Variante breite sich in Grossbritannien mit «phänomenaler» Geschwindigkeit aus, «wie wir es noch nicht erlebt haben». Die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt sich derzeit alle zwei bis drei Tage, auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen steigt. Am Dienstag meldeten die britischen Behörden fast 60.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden - einer der Höchstwerte seit Pandemie-Beginn. In London ist die Omikron-Variante bereits die dominierende Variante.

Johnson hatte die Omikron-Ausbreitung am Sonntag in einer Fernsehansprache zum «Notfall» erklärt und von einer auf das Land zurollenden «Flutwelle» gesprochen. Schon seit Freitag gilt eine Maskenpflicht für die meisten öffentlichen Gebäude, auch die Test- und Quarantäne-Vorschriften wurden verschärft. Seit Montag gilt in England auch wieder eine weitgehende Homeoffice-Pflicht. Die Kampagne für Auffrischungsimpfungen soll beschleunigt werden.

Johnson und seine Regierung stehen aber nicht nur wegen der verschärften Massnahmen, sondern auch wegen mutmasslicher Verstösse gegen die selbst gesetzten Corona-Regeln unter Druck. Britische Medien berichten seit Tagen über eine Weihnachtsfeier der engsten Mitarbeiter Johnsons im Dezember 2020 - damals waren Treffen von mehr als zwei Menschen aus zwei Haushalten in geschlossenen Räumen verboten.

Die von der Regierung in London beschlossenen Corona-Regeln gelten immer nur für England. Die Gesundheitspolitik gehört zu den autonomen Zuständigkeitsbereichen von Schottland, Wales und Nordirland, deren Regionalregierungen eigene Regeln erlassen.

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