Barnier empört über «polemischen» Tweet der britischen Regierung
EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat empört auf einen Tweet des britischen Premierministers Boris Johnson reagiert, in dem Brüssel vorgeworfen wird, mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen von den bisherigen Standpunkten abzuweichen.

Das Wichtigste in Kürze
- EU-Vertreter bekräftigt Forderung nach Chancengleichheit auch nach Brexit.
Er wolle «keine Zeit mit Polemik vergeuden», sagte Barnier am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. «Ich empfehle beiden Seiten, dass wir ruhig bleiben und die Realität, die Wahrheit und die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Folgen des Brexit im Blick behalten.»
Die britische Regierung präsentierte am Dienstagabend eine zwei Jahre alte Präsentationsfolie auf Twitter, mit der Barnier die Optionen Grossbritanniens und verschiedene rote Linien für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und London aufgezeigt hatte. Downing Street warf Brüssel vor, nicht mehr bereit zu sein, ein Freihandelsabkommen mit Grossbritannien auszuhandeln, welches dem mit Kanada ausgehandelten Abkommen ähnele.
«2017 hat die EU auf ihrer eigenen Folie gezeigt, dass ein Freihandelsabkommen nach Kanada-Art die einzige mögliche Beziehung für das Vereinigte Königreich sei. Jetzt sagen sie, dass es gar nicht zur Debatte steht. Was hat sich geändert, Michel Barnier?», schrieb die Pressestelle Johnsons im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Der Tweet verweist auf den grössten Streitpunkt in den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen: Die EU besteht darauf, dass Grossbritannien EU-Standards in den Bereichen Arbeit, Umwelt und Steuern beibehält, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren.
Es sei «falsch zu behaupten, dass wir unsere Haltung geändert haben», sagte ein EU-Vertreter in Brüssel. «Es ist immer sehr deutlich gewesen, dass ein Freihandelsabkommen mit Chancengleichheit verknüpft ist», ergänzte er. Der Tweet der britischen Regierung sei «sehr negativ» in Brüssel aufgenommen worden.
Stefaan de Rynck, ein enger Berater Barniers, sagte unterdessen, Brüssel erwarte, dass einige der bevorstehenden Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Grossbritannien «ziemlich schwierig» sein könnten - «vielleicht schwieriger als während des Austritts», sagte er an der Londoner School of Economics.
Grossbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsphase, in der das Vereinigte Königreich noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Diese Zeit wollen beide Seiten nutzen, um insbesondere ein Handelsabkommen auszuhandeln.