SP-Nationalrätin Jacqueline Badran erklärt im Gastbeitrag, weshalb am 13. Februar zur Teilabschaffung der Stempelsteuer ein Nein in die Urne gehört.
Airbnb Jacqueline Badran
Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran will die US-Plattform Airbnb verbieten. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 13. Februar stimmt die Schweiz über die Abschaffung der Stempelsteuer ab.
  • Jacqueline Badran (SP) begründet in diesem Beitrag ihre Ablehnung der Vorlage.
  • Kapital gehöre, genauso wie Einkommen und Konsum, besteuert, argumentiert Badran.
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Wir erinnern uns: Unternehmenssteuerreformen 1-3, 13 Reformen zur Senkung der Stempelsteuer.

Seit 25 Jahren machen wir nichts anderes als Kapital, Grossunternehmen und damit Grossaktionäre steuerlich zu entlasten. Preisschild: mindestens 5 Milliarden Franken jährliche Einnahmenverluste allein beim Bund.

Im Gegenzug wurde die Mehrwertsteuer seit ihrer Einführung 1995 mehrmals von 6,5 auf 8 (seit zwei Jahren auf 7,7%) erhöht.

Dazu sind sämtliche Abgaben auf Bundesebene gestiegen. Diese Steuern und Abgaben zahlen wir alle. Wir haben also unsere Arbeits- und Renteneinkommen – und damit die Kaufkraft der Menschen – belastet.

Stempelsteuer Jacqueline Badran
Jacqueline Badran. - keystone

Preisschild: 5 Milliarden Franken Mehreinnahmen beim Bund. Das ist nicht etwa Zufall, sondern hat System: «Vorwiegend sollen Einkommen und Konsum besteuert werden».

So steht es schwarz auf weiss in einem Papier «Steuerstandort Schweiz» von Ueli Maurers Finanzdepartement. Das ist volkswirtschaftlich unsinnig und schädlich, denn 62 Prozent unserer Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt) stammt aus dem Konsum der privaten Haushalte. Wer also denn Wirtschaftsstandort Schweiz stärken will, stärkt die frei verfügbaren Einkommen der Privatpersonen und macht nicht das Gegenteil.

Stempelsteuer, die älteste der Schweiz

Die Stempelsteuer ist die Mehrwertsteuer für den Finanzbereich, den alle Länder in irgend einer Form kennen. Sie ist die älteste Steuer der Schweiz auf Bundesebene und mit ihr sind wir über 100 Jahre gut gefahren. Bei der Einführung der Mehrwertsteuer 1995 schmiedete man einen grossen Kompromiss: Der Finanzbereich bekommt keine Mehrwertsteuer, dafür belässt man die Stempelabgaben.

Jacqueline Badran
Cedric Wermuth, Nationalrat SP (AG), Co-Praesident SP Schweiz, rechts, spricht an der Seite von Jacqueline Badran. - keystone

Nach 13 Senkungsrunden der Stempelsteuer, soll nun, als Puzzleteil des Plans, die Emissionsabgabe auf Eigenkapital von 1% abgeschafft werden. Dies bei einem Freibetrag von 1 Million Franken. Nun kann man zu Recht sagen, die Aufnahme neuen Eigenkapitals sei zu unterstützen. Aber nur gerade mal 0,3% aller Unternehmen in der Schweiz zahlen pro Jahr Emissionsabgabe oder umgekehrt: 99,7% aller Unternehmen sind nicht betroffen.

Den Löwenanteil der «Betroffenen» sind Immobilien- und Beteiligungsfirmen und mittlere und kleinere Banken. Das heisst KMU finanzieren sich aus verschiedenen guten Gründen selbst, durch stehengelassene Gewinne und äusserst selten durch neues Kapital.

Abgaben sind für Unternehmen nicht gross relevant

Gerade in der Krise geben Dritte ohnehin keinem Restaurant, Hotel oder Fitnesscenter Eigenkapital, um die Schulden der Vergangenheit zu bedienen. Und der bestehende Eigentümer, würde - wenn er sein Privatvermögen einschiessen möchte - immer ein Darlehen, nie aber Eigenkapital geben. (Und Grosskonzerne kaufen Aktien im grossen Stil zurück und emittieren sie nicht).

Zudem ist die Abgabe derart gering, dass sie keinen relevanten Kostenfaktor für Unternehmen darstellt, beispielsweise im Vergleich zu den Lohnkosten. Der Nutzen ist für die 0,3 % der Unternehmen also gering. Der Schaden ist für alle mit den Steuerausfällen von 250 Millionen Franken gross. Gerade eben haben wir die Abschaffung der Industriezölle beschlossen, was uns 600 Millionen Franken jährlich kostet.

Stempelsteuer-Bschiss
Die Nationalrätin spricht bei der Einreichung der Unterschriften für das Referendum gegen die Teilabschaffung der Stempelsteuer, am Dienstag 5. Oktober 2021. - keystone

Ausserdem haben wir im Dezember 2021 die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Fremdkapital beschlossen: Kostenpunkt mehrere hundert Millionen Franken jährlich. Von dem milliardenhohen Schuldenberg wegen der Corona-Krise gar nicht erst zu reden.

So bleibt uns kein Spielraum mehr zum Beispiel für die Abschaffung der Heiratsstrafe resp. die Individualbesteuerung der natürlichen Personen. Von dem würde endlich wieder einmal die breite Bevölkerung profitieren, die von Lohn- oder Renteneinkommen lebt.

Wie wollen Sie zur Abschaffung der Stempelsteuer stimmen?

Wir müssen diesen Trend, bald nur noch Arbeit und Konsum zu besteuern, stoppen. Denn so schaden wir unserer Volkswirtschaft und bringen unser austariertes Steuersystem aus dem Gleichgewicht: Beide Produktionsfaktoren, Arbeit und Kapital, sollen ihren fairen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten.

Zur Autorin: Jacqueline Badran ist Nationalrätin für die SP und Unternehmerin. Sie wohnt mit ihrem Mann in Zürich.

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