Per Notrecht kann der Bundesrat weitreichende Entscheide fällen, was jüngst immer häufiger geschieht. Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser ordnet ein.
Bundesrat Machtverschiebung Notrecht
Seit der Corona-Pandemie kommt das Notrecht immer häufiger zum Einsatz – für Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser könnte dies problematisch sein. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesrat greift in der Causa Credit Suisse einmal mehr zum Notrecht.
  • Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser beobachtet eine Machtverschiebung.
  • Der gehäufte Einsatz der Notrechtsbefugnisse könne die Demokratie gefährden, so Glaser.
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Die Causa Credit Suisse schlägt nicht nur wirtschaftlich hohe Wellen, auch politisch haben die Ereignisse am Paradeplatz grosse Sprengkraft: Für die Fusion musste die Landesregierung einmal mehr zum Notrecht greifen. In Krisenfällen kann sie damit am Parlament vorbei weitreichende Entscheide fällen – ein Werkzeug, welches eigentlich als «Ultima Ratio» gilt.

«Machtverschiebung hin zum Bundesrat»

Doch jüngst hat die Landesregierung dieses «letzte Mittel» immer häufiger eingesetzt – alleine während der Corona-Pandemie 18 Mal. Kurze Zeit später folgte der Rettungsschirm für die Axpo, vor einer Woche die Rettung der Credit Suisse. Für Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser steht fest: «Das bedeutet eine Machtverschiebung, weg vom Parlament und von den Stimmberechtigten hin zum Bundesrat.»

Bundesrat Notrecht
Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Bundespräsident Alain Berset an der Pressekonferenz zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Der Bundesrat regiert per Notrecht. (Archivbild) - keystone

Im Interview mit «SRF» erklärt Glaser, die Landesregierung habe dadurch eindeutig mehr Macht erhalten, als in einer Normalsituation vorgesehen wäre. Natürlich brauche es dieses Instrument für Situationen, in denen die Regierung sehr schnell handeln müsse. Trotzdem sei es immer eine Gratwanderung, erklärt Glaser: Notrecht dürfe nicht zu oft zum Einsatz kommen.

Häufung von Krisen problematisch für Demokratie

Glaser ist überzeugt, dass diese Häufung zu einem Problem für die Demokratie werden könne. Stimmbevölkerung und Parlament würden dadurch entmachtet. Gleichzeitig betont der Staatsrechtsprofessor, dass man auch die historische Perspektive beachten müsse: «Wenn es Krisen gab, fand eine solche Machtverschiebung zum Bundesrat statt.»

Andreas Glaser Notrecht
Für Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser könnte die Häufung des Notrechts zum Problem für die Demokratie werden. (Archivbild) - keystone

Dabei verweist der Experte auf beide Weltkriege: Schon 1914 erteilte das Parlament dem Bundesrat ausserordentliche Vollmachten, ähnliches geschah 1939. Dieses sogenannte «Vollmachtenregime» blieb bis 1950 erhalten, lange nach Kriegsende. «Mit der Häufung von Krisen, haben wir jetzt auch wieder mehr Macht beim Bundesrat», erklärt Glaser.

Bevölkerung könnte Notrechtsbefugnisse beschneiden

Ferner existierten in der Schweiz zahlreiche Kontrollmechanismen gegen eine übermässige Machtkonzentration: «Wir haben eine Konkordanzregierung mit sieben Mitgliedern aus vier Parteien», so der Experte. Mittels Notrecht könne die Landesregierung dennoch quasi in Eigenregie entscheiden. Damit riskiere sie auch einen Vertrauensverlust innerhalb der Bevölkerung: «Wir haben bereits während der Pandemie gesehen, dass das Vertrauen in den Bundesrat verloren ging.»

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Der Bundesrat müsse daher die Stimmung innerhalb der Bevölkerung immer im Auge behalten. Ansonsten könne es passieren, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit einer Volksinitiative reagieren und die Notrechtsbefugnisse des Bundesrates beschneiden.

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