Bald könnte die Schweizer Stimmbevölkerung wieder über eine Konzernverantwortungsinitiative abstimmen – trotz Gegenvorschlag. Die Initianten bereiten sich vor.
Konzernverantwortungsinitiative
Schokolade und Flyer werben für die Konzernverantwortungsinitiative, am 7. November 2020 in Bern.
Marco Chiesa Isabelle Chevalley
Nationalrätin Isabelle Chevalley (GLP/VD) zeigt ein afrikanisches Werkzeug neben SVP-Präsident Marco Chiesa, während einer Medienkonferenz des überparteilichen Komitees gegen die Konzernverantwortungsinitiative, im September 2020, in Bern.
Konzernverantwortungsinitiative Chalet Plakat
Ein Plakat wirbt für die Konzernverantwortungsinitiative auf dem Balkon eines Chalets in Hérémence VS, im Oktober 2020.
Konzernverantwortungsinitiative Kirche Banner
Ein Banner der Konzernverantwortungsinitiative hängt an der Hauswand der Berner Nydeggkirche, am 7. November 2020.
Konzernverantwortungsinitiative Kriegsgeschäfteinitiative
Plakate gegen die Kriegsgeschäfte- und Konzernverantwortungsinitiative hängen an einem Holzstapel, im Herbst 2020 am Kreuzweg oberhalb Steffisburg BE.

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor drei Jahren wurde die Konzernverantwortungsinitiative vom Stimmvolk abgelehnt.
  • Seither ist der Gegenvorschlag in Kraft, der aber hinter neuen EU-Richtlinien herhinkt.
  • Die Befürworter der Initiative wollen deshalb Ende Jahr einen neuen Anlauf wagen.
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Der Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative (kurz auch KVI genannt) war einer der Heftigsten seit längerer Zeit. Die Gegnerinnen und Gegner warnten vor einer Zerstörung des Schweizer Wirtschaftsstandorts; die Befürwortenden griffen auf emotionale Inhalte zurück, wie etwa ein Kind mit traurigen Augen vor einer Kupfermine in Südamerika.

Konzernverantwortungsinitiative Keller-Sutter
Die damalige Justizministerin, Karin Keller-Sutter, an der Medienkonferenz nach der Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative. - keystone

Die damalige Vorsteherin des zuständigen Justizdepartemens, Karin Keller-Sutter, wurde vor ein paar Tagen sogar von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats gerügt. Ihre Kommunikation habe «mehr auf die Ablehnung der Initiative als auf die Information» der Stimmbevölkerung gezielt.

Gewirkt hat die Kampagne aber nicht bei der Bevölkerung, welche die Initiative ganz knapp (50,7 Prozent) annahm. Doch das nötige Ständemehr blieb aus und der Gegenvorschlag des Parlaments trat in Kraft. Die multinationalen Unternehmen müssen demnach «nur» darüber Bericht erstatten, wie sie Menschenrechte und Umweltrichtlinien umsetzen. Für Missstände haften müssen sie nicht.

Schweiz «einziges europäisches Land ohne Konzernverantwortung»

Doch das EU-Parlament hat im Juni dieses Jahres für mehr Konzernverantwortung gestimmt. Diese Vorlage gehe sogar weiter als die ursprüngliche, schweizerische Initiative, sagen NGOs. Heisst also, die Schweiz wird aufholen müssen.

Karl Vogler Konzernverantwortungsinitiative
Karl Vogler (CSP/OW) während der Wintersession 2018. Der heutige Geissenbauer setzte sich 2020 für die Konzernverantwortungsinitiative ein. - keystone

Die Initianten möchten deswegen einen zweiten Anlauf starten. «Eigentlich wollten wir mit unserer Arbeit genau das Gegenteil erreichen», sagt Karl Vogler zum «Tages-Anzeiger». Der ehemalige Nationalrat (CSP/OW) engagierte sich zunächst gegen die KVI, dann dafür. Der Gegenvorschlag war ihm zu wenig griffig.

«Wir wollten eben gerade nicht, dass wir auf Druck aus dem Ausland reagieren müssen. Nun ist es halt wieder so weit», so Vogler. Auch der ehemalige Mitte-Nationalrat Dominique de Bumann sagt: «Es kann nicht sein, dass die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung ist.»

Sind Sie für mehr Konzernverantwortung?

Wie die Zürcher Tageszeitung weiter schreibt, wünschen sich viele Branchen angesichts der EU-Richtlinien mehr Rechtssicherheit. Bis Ende Jahr soll die Richtlinie nämlich fertig beraten sein. Dann soll sich eine neue, nationale Volksinitiatie auf diese stützen.

Der Schweizer Detailhandel und der Dachverband multinationaler Konzernr (GEM) haben den Bundesrat bereits zum Handeln aufgefordert. Die Industrie hingegen ist noch skeptisch.

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