Nach dem Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative wird mit einer Petition nachgedoppelt. Sie fordert ein griffigeres Gesetz, wie jenes der EU.
Konzernverantwortung Petition eingereicht
Die Konzernverantwortungspetition wurde am 1. Dezember 2022 eingereicht, mit über 217'000 Unterschriften. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz hat seit Januar 2022 ein Gesetz zur Konzernverantwortung.
  • Über 217'000 Personen wollen dies aber verschärft sehen, wie eine Petition zeigt.
  • Denn die neuen Richtlinien der EU gehen viel weiter als die Schweizer Vorschriften.

Die Initianten der Konzernverantwortungsinitiative sind überglücklich: Ihre Petition hat 217'509 Unterschriften erhalten, mehr als das Doppelte, was für eine Volksinitiative nötig wäre. Laut eigenen Angaben haben sie dies innert nur 100 Tagen erreicht. Und das Timing haben sie sich perfekt ausgesucht — zwei Jahre ist die verlorene Abstimmung her.

dick marty ständerat
Alt Ständerat Dick Marty und weitere Personen einer breiten Koalition aus rund 80 Organisationen reichen 2016 in Bern die Konzernverantwortungsinitiative ein. - Keystone

Aber wieso scheren sich die Aktivisten immer noch um mehr Verantwortung für Konzerne? Seit knapp einem Jahr ist ein Gesetz, der indirekte Gegenvorschlag zur Initiative, schliesslich in Kraft. Die Antwort: Es geht um die EU, genauer gesagt um ihr Vorpreschen in diesem Bereich, erklärt Beat Flach.

Beat Flach Konzernverantwortung
Beat Flach, Nationalrat (GLP/AG) und Jurist, spricht an einer Medienkonferenz zur Konzernverantwortungsinitiative, 30. September 2020. - Keystone

Flach ist GLP-Nationalrat und sitzt sowohl in der Rechts-, als auch in der Umweltkommission. «Die Gegner haben im Abstimmungskampf immer gesagt, die Schweiz soll keine Extrawurst haben. Aber genau die haben wir jetzt, mit unserem Gesetz», sagt der Aargauer.

Die EU und mehrere Mitgliedsstaaten, wie etwa Norwegen, Deutschland oder Frankreich, hätten schneller vorwärtsgemacht. Die Kommission hat jetzt Richtlinien ausgearbeitet für eine Sorgfaltspflicht, Haftungsbestimmungen und einer Aufsichtsbehörde. Diese sollen bis Ende 2023 verabschiedet werden.

«Bundesrat hat Zeichen nicht gesehen»

Beat Flach hält sich mit Kritik an den Bundesrat nicht zurück: «Er hat immer gesagt, die Lösung werde mit Vorgaben der EU stimmig sein.» Dabei habe die Exekutive «deutliche Zeichen dafür nicht gesehen», dass es anderswo «dynamisch vorwärtsgeht». Und so werde die Schweizer Lösung in Kürze nicht mehr EU-kompatibel sein.

Keller-Sutter Konzernverantwortungsinitiative
Bundesrätin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz zur Konzernverantwortungsinitiative, 6. Oktober 2020. - Keystone

Das bringt rechtliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten für hiesige Unternehmen, so die Befürchtung Flachs. «Die Sorgfaltspflichten in unserem Gesetz gelten nicht für alle Menschenrechte und werden nicht verbindlich durchgesetzt», sagt der Grünliberale. In der EU hingegen seien neue Aufsichtsbehörden aktiv, die Unternehmen kontrollierten, und es seien Haftungsklagen vorgesehen.

«Ohne griffiges Gesetz könnte die Schweiz zum Umgehungsplatz werden», befürchtet Flach. «Ich denke ausserdem nicht, dass die EU uns mit Samthandschuhen anfassen wird, weil es um wirtschaftliche Konkurrenz geht.»

Eigene Lösung prioritär

Beat Flach und andere Politiker der Mitte, der Grünen und der SP mit Hilfswerken plädieren für eine schweizerische Lösung. «Wir brauchen etwas, was mit unserem Rechtssystem kompatibel ist», erklärt er. Denn eine Übernahme der EU-Richtlinien dürfte sich als schwierig erweisen: Nicht alle schweizerischen Firmen seien von ihnen betroffen und viele Regeln liessen sich erst gar nicht durchsetzen.

Industrie Jobs Konzernverantwortung
Wegen der fehlenden Harmonisierung zwischen EU- und Schweizer Recht im Bereich Konzernverantwortung drohen Jobs abzuwandern, befürchtet GLP-Nationalrat Beat Flach (AG). - Keystone

«Wir dürfen unsere Unternehmen nicht im Stich lassen!», erklärt Flach. «Für sie ist dann unklar, woran sie sich halten müssen.» Sonst, befürchtet er, könnten Industriejobs abwandern, weil das bürokratische Chaos zu gross wäre. Denn die Lösung des Bundesrats habe keine Klarheit geschaffen, es brauche eine verbindliche Regelung.

«Der Bundesrat hat einfach Prioritäten verweigert», kritisiert Flach. Es sei ihm wohl zu unangenehm, den Konzernen neue Änderungen in der Sorgfaltspflicht mitzuteilen. «Aber wir sind angewiesen auf den Marktzugang», sagt Flach.

Braucht die Schweiz ein verschärftes Gesetz für Konzernverantwortung?

Die Petition wird heute eingereicht: Sie spricht auch andere Themen an, so etwa Entwaldung durch Soja und Fleisch, das importiert wird. Oder auch die Einfuhr von Produkten, die unter Zwangsarbeit fabriziert wurden. Beides könnte die EU verbieten.

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