Grüne fordern Gedenkfeier für Covid-19-Opfer
Vorstösse der Grünen fordern eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer. Das Anliegen kommt in National- und Ständerat unterschiedlich gut an.

Das Wichtigste in Kürze
- Vorstösse der Grünen fordern eine Gedenkfeier für die Opfer der Corona-Pandemie.
- Der Ständerat hat dem Anliegen oppositionslos zugestimmt.
- Im Nationalrat haben insbesondere Bürgerliche aber Vorbehalte.
Das Parlament, zusammen mit dem Bundesrat, soll eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen organisieren. Dies fordern zwei Parlamentarierinnen der Grünen mit gleichlautenden Vorstössen in National- und Ständerat. Über 10’000 Menschen seien Opfer dieser grössten Gesundheitskrise unserer Zeit geworden, begründet Ständerätin Maya Graf ihr Postulat. Während ihr Vorstoss breit abgestützt ist, stösst Parteikollegin Greta Gysin im Nationalrat auf mehr Widerstand.
Schweigeminute, Glockengeläut: Reicht das?
Andere Länder hätten bereits offizielle Gedenkfeiern abgehalten, streichen die beiden Grünen heraus. Das Parlament hat eine Schweigeminute abgehalten, die Landeskirchen auf Anregung von Bundespräsident Guy Parmelin die Glocken läuten lassen. Das Büro des Ständerats – Präsidium, Stimmenzähler und Fraktionsvertreter – unterstützt die Idee einer Gedenkveranstaltung im Grundsatz. Mit dem Vorbehalt, dass die Landesregierung mitmache und der Nationalrat ebenfalls zustimmt.

Genau dieser Punkt könnte aber zum Problem werden: Das Büro des Nationalrats ist nämlich weniger begeistert als die Ständeratskollegen. Es sei zu früh und eine Gedenkfeier sprenge den Rahmen des Parlaments, angesichts von Symbolik und emotionaler Bedeutung. Nur sechs von 13 Büro-Mitgliedern – Grüne, SP und GLP – unterstützen Gysins Vorstoss. Im Ständerat wurde dagegen nicht einmal abgestimmt, Einstimmigkeit von links bis rechts: «Ein wichtiges und starkes Zeichen des Ständerates», freut sich Graf.
Gedenkfeier: «Wenn nicht wegen sowas, wann dann?»
Und auch keineswegs etwas Neues für die Schweiz, denn solche Gedenkfeiern kenne man hierzulande bereits, betont Graf. «Es gab beispielsweise einen offiziellen Gottesdienst im Berner Münster im Januar 2005 im Gedenken an die über 100 Tsunami-Opfer.»
Die Grüne Ständerätin warnt davor, angesichts der abebbenden dritten Welle einfach zur Tagesordnung überzugehen. «Diese Jahrhundertkrise hat unsere Gesellschaft durchgeschüttelt, das braucht Anerkennung der Verluste und deren Würdigung. Eine Gedenkfeier kann helfen, die Gesellschaft wieder zu kitten.»
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Wenn es jetzt wieder Richtung Normalität gehe, dürfe man nicht einfach vergessen. «Sondern das Leid und die Trauer müssen verarbeitet und diesem einen würdigen Rahmen gegeben werden.» Oder anders gesagt: «Wenn nicht für die über 10'000 Todesopfer der Corona-Pandemie, wann dann?»
Skeptischer Nationalrat: «Schwer zu verstehen»
Das fragt sich auch Greta Gysin, deren gleichlautender Antrag im Nationalrat auf Widerstand stösst. «Die Zurückhaltung des Büro Nationalrat ist für mich schwer zu verstehen», sagt sie zu Nau.ch. Auffallend sei, dass sich das Büro in seiner ablehnenden Antwort in Details verliere, wie dem Zeitpunkt und der Zuständigkeit.

«Hier geht es aber um einen Grundsatzentscheid: Wollen wir den Opfern der COVID-19 Krise offiziell gedenken oder nicht? Ich finde: wir sollten es tun», insistiert Gysin.
In der Tat greift die Kritik zu kurz, es sei zu früh für eine Gedenkfeier. «Sie soll stattfinden, sobald die epidemiologische Lage es erlaubt», heisst es in den beiden Postulaten der Grünen. «Im Postulat sage ich nichts über den Zeitpunkt der Gedenkfeier», wundert sich Gysin. «Es geht nur um den Entscheid, überhaupt eine zu planen - dafür ist die Zeit reif!»
Obwohl nebst Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP) auch die Fraktionspräsidenten von Mitte, FDP und SVP dagegen sind, sieht Greta Gysin Chancen. «Der stillschweigende Entscheid des Ständerates stimmt mich positiv.» Viele Kollegen aus anderen Parteien hätten ihr bereits Unterstützung zugesichert.
Ball liegt bei Bundesrat
Das Büro des Nationalrats sieht auch eine «Gefahr von Politisierung», sollte ein solcher Anlass stattfinden. Denkbar wäre sicher, dass die Polemik um Nutzen und Schaden einzelner Massnahmen angefacht würde. Und dass der Bundesrat dann sozusagen sich selbst gedenkt, zuerst als Verursacher, dann als tröstende Landeseltern.
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Wie Maya Graf im Ständerat ausführte, sollen durchaus auch jene mit gemeint sein, die in der Pandemie wirtschaftliche Verlustängste erlitten. Nicht nur die Todesopfer seien Opfer: «Auch diejenigen, die von ihren Angehörigen oft nicht einmal richtig Abschied nehmen konnten. Diejenigen, die immer noch krank sind, an psychischen wie physischen Folgen wie Long Covid leiden. All die, wie viele ältere Menschen, die zuhause oder im Pflegeheim lange isoliert und einsam waren.»
Der Ball liegt nun beim Bundesrat, der Zustimmung signalisiert haben soll. Zunächst aber beim Nationalrat, der voraussichtlich am Donnerstag entscheidet. Auf die «schwer zu verstehende» ablehnende Haltung der Bürgerlichen angesprochen, zuckt Maya Graf nur mit den Schultern. «Wenn man nicht will, kann man immer einen Grund finden.»
Moment der Andacht heute um 11.59 Uhr in der Bundesratssitzung: Die Regierung legte eine Schweigeminute ein und gedachte der Verstorbenen und Betroffenen der Coronapandemie. Danke den Kirchen, das Geläut spendete Trost. #CoronaCHsilence pic.twitter.com/be725mEvQa
— Bundesrat • Conseil fédéral • Consiglio federale (@BR_Sprecher) March 5, 2021