Die Grünen unterstützen eine Volksinitiative gegen Handystrahlung. Der Verein dahinter nennt sich «Frequencia» und verbreitet Verschwörungstheorien zu 5G.
Michael Töngi 5g
Präsident Michael Töngi begrüsst die Mitglieder der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KVF-N bei einer Kommissionssitzung im November 2020. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Verein hinter der «Saferphone»Initiative verbereitet Mythen über Gefahren von 5G.
  • Die Technologie führe zu Krebs, Tinnitus, ADHS, Diabetes und Fruchtbarkeitsstörungen.
  • Die Grünen unterstützen die Initiative. Nationalrat Töngi verteidigt die Zusammenarbeit.
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Die Bevölkerung soll besser vor Mobilfunkstrahlung geschützt werden. Diese dürfe nicht mehr durch Hauswände dringen können. Das verlangt die «Saferphone»-Initiative, welche diese Woche lanciert wurden.

Bei der Präsentation an vorderster Front dabei: die Nationalräte Michael Töngi und Isabelle Pasquier-Eichenberger (beide Grüne) sowie Martina Munz (SP). Die Schweizer Grünen unterstützen die Initiative offiziell, gestützt auf einen Beschluss der Delegierten.

Nationalrätin Grüne Schweiz
Grünen-Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger spricht während der Frühlingssession der Eidgenössischen Räte am 17. März 2022, im Nationalrat in Bern.
Michael Töngi Grüne
Michael Töngi (Grüne/LU) an einer Kommissionssitzung.
Nationalrat SP Martina Munz
Martina Munz (SP) beantwortet eine Frage an der Sommersession 2022 im Nationalrat in Bern.

Hinter dem Anliegen steht aber eine weitere Organisation. «Die Initiative wird vom Verein Frequencia koordiniert», teilt das Initiativkomitee mit. Um wen es sich dabei handelt, blieb auf den ersten Blick nebulös.

Denn: Die Homepage des Vereins ist offline, man arbeite «mit Hochdruck» am neuen Webauftritt. Das sorgte am Tag der Lancierung bei vielen Beobachtern in Bern für Verwunderung. Zufälle gibt es in der Politik aber kaum.

Verein hinter Initiative gibt 5G Mitschuld an Corona-Pandemie

Frequencia ist schon länger aktiv im Kampf gegen Strahlung. Im Fokus steht dabei der Standard 5G. «Nein zur Zwangsbestrahlung, Ja zur Wahlfreiheit», posaunte der Verein bis vor kurzem auf seiner Homepage.

5g
Frequencia mobilisiert seit Jahren gegen 5G.
5g
Frquencia warnt, wegen 5G werde es zu einer Explosion von Fällen von Tinnitus, Depressionen, Diabetes und Krebs kommen.
5g
Frequencia mobilisiert seit Jahren gegen 5G.
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Auf Facebook warnt Frequencia davor, sich auf Schachtdeckeln aufzuhalten, da teilweise Mobilfunkantennen darunter installiert werden.
5g
Frequencia teilte im April 2020 ein Video, auf dem die 5G-Antennen in Wuhan für den Ausbruch der Corona-Pandemie mitverantwortlich gemacht werden. Das Video wurde auf Youtube mittlerweile gelöscht, der Post nicht.

Weitere Screenshots, die Nau.ch vorliegen, belegen, dass Frequencia auch offensichtliche Mythen und Verschwörungstheorien verbreitete. Während der Corona-Pandemie verbreiteten die Initianten die Behauptung, dass «Wuhan 5G-Antennen» zur «pathogenen Macht des Virus beitragen».

Überhaupt fürchtet Frequencia, dass mit 5G die Zahl der Krankheitsfälle «explodieren» werde – egal ob Diabetes, Tinnitus oder sogar Krebs. Eine Warnung spricht der Verein auch davor aus, sich über Schächten aufzuhalten – «besonders wenn Sie einen Kinderwagen mit einem kleinen Kind haben!». Hintergrund ist die Installation von Antennen.

5G Demo Bundesplatz
Menschen demonstrieren auf dem Bundesplatz gegen 5G. - Keystone

Diese wilden Behauptungen decken sich nicht mit der Realität. Das Bundesamt für Gesundheit erklärt auf der eigens dafür geschaffenen Website «5g-info.ch»: «Die Strahlung kann bei sehr hohen Intensitäten Körpergewebe erwärmen – eine zu grosse Erwärmung ist gesundheitsschädlich.» Die Schweiz wende deshalb international empfohlene Grenzwerte an, um die Menschen vor einer zu hohen Belastung zu schützen.

Grüne Parlamentarier kämpfen für «Saferphone»

Sicher ist: Für die Grünen werden die Hintermänner- und Frauen der Initiative zu einer Belastung. Präsident Balthasar Glättli, der nicht im Unterstützungskomitee sitzt, erklärte Nau.ch, die Initiative richte sich nicht gegen 5G und sei weniger «wirr» als andere Anliegen.

Unterstützen Sie die Saferphone-Initiative?

Sieben Nationalrätinnen und Nationalräte der Partei unterstützen das Anliegen öffentlich. Es handelt sich um Marionna Schlatter, Valentine Python, Isabelle Pasquier-Eichenberger, Katharina Prelicz-Huber, Felix Wettstein, Raphaël Mahaim und Michael Töngi.

Marionna Schlatter-Schmid
Marionna Schlatter-Schmid, Nationalrätin Grüne (ZH).
Valentine Python
Valentine Python, Nationalrätin GP-VD, portraitiert am 5. Dezember 2019 in Bern.
Altersvorsorge
Katharina Prelicz-Huber spricht während der Frühlingsession 2021 zur Grossen Kammer.
Wettstein Grüne Nationalrat
Felix Wettstein (Grüne/SO) spricht im Nationalratssaal.
Die Grüne Schweiz
Nationalrat Raphaël Mahaim, GP-VD, schaut sich um im Saal an der Sommersession 2022.

Sogar im Initiativkomitee an vorderster Front dabei ist Michael Töngi. Der Luzerner Nationalrat sagt nach der Konfrontation mit den Behauptungen: «Wir arbeiten in Bezug auf die Initiative mit Frequencia zusammen.» Der gemeinsame Inhalt sei der Initiativtext, der mehrfach überarbeitet «und in dieser Form von den Grünen unterstützt» worden sei.

Grünen-Töngi: «Expertenberichte geben keine Entwarnung

Der Anstoss zum Volksbegehren entstand gemäss Töngi «aus Kreisen, die grundsätzlich mobilfunk-skeptisch sind und von Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die dem ständigen Druck der Mobilfunkanbieter ausgesetzt sind, um die Grenzwerte zu erhöhen». Dass in einer breiten Allianz auch «Merkwürdiges im Internet steht», sei nicht überraschend.

Ziel der Initianten sei, «aus all den Einsprachen gegen Antennen und Widerstand ein zukunftsgerichtetes Projekt zu machen und Lösungen zu erarbeiten.» Die Initiative sei ein «Angebot an die Bevölkerung», grundsätzliche Spielregeln aufzustellen. «Denn der Datenverbrauch steigt rasant, bestimmt kommt bald schon 6G», so Töngi.

Michael Töngi
Nationalrat Michael Töngi (Grüne/LU). - Keystone

Zur Frequencia-Behauptung, dass 5G sogar zu Krebs führen könne, sagt der grüne Nationalrat bloss: «Expertenberichte geben hinsichtlich gesundheitlicher Effekte der Mobilfunkstrahlung keine Entwarnung und fordern konsequente Vorsorge.»

Die Promotoren der Initiative haben nun 18 Monate Zeit, 100'000 Unterschriften zu sammeln. Töngi sagt, diese Arbeit werde «primär Frequencia stemmen» müssen.

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