Nachmeldungen von auf Coronavirus positiv getesteten Patienten lassen das Schweizer Pandemie-Bild etwas weniger positiv aussehen, als es eigentlich ist.
Fallzahlen Coronavirus BAG
Die Entwicklung der Fallzahlen mit Coronavirus in der Schweiz, Stand 27. Mai 2020, mit den täglich gemeldeten neuen Fällen (oben) und der sich abflachenden Kurve der aufsummierten Fälle total. - BAG
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die tiefen Schweizer Fallzahlen mit Coronavirus sind tatsächlich sogar noch tiefer.
  • Grund sind die nachgemeldeten positiven Testergebnisse.
  • Theoretisch hat die Schweiz sogar schon Null Fälle pro Tag als Zwischenresultat erreicht.

«Wir können Corona», lobte Gesundheitsminister Alain Berset die Schweizer Bevölkerung (und sich selbst). Die Fallzahlen mit Neuansteckungen durch das Coronavirus sind trotz Lockerungen nicht mehr angestiegen.

Die Zahlen sind so tief, dass schon wenige Fälle wie grosse Schwankungen aussehen: 32, 17, 17, 9, 3, 19 und 20 hiess das in den letzten sieben Tagen. Aber genau betrachtet sind es sogar noch weniger – manchmal sogar gar keine.

Null Ansteckungen in 24 Stunden

Beispiel gestern, 4. Juni: Gemeldet werden 20 neu vom BAG erfasste Fälle. In der Excel-Tabelle des BAG lautet der Eintrag für dasselbe Datum aber «0». Das ist kein Widerspruch, aber bedarf der Klärung.

Zunächst: Ja, «am Kalendertag 4.6. waren es Null», bestätigt das BAG auf Anfrage. Die Schweiz hat das Coronavirus besiegt, lasst die Korken knallen, umarmt wildfremde Menschen, reisst euch gegenseitig die Masken vom Gesicht?

Nicht ganz. «Null» galt gestern nur für den Stand morgens um 8 Uhr, aber immerhin auch seit vorgestern, gleiche Zeit. 24 Stunden ohne Coronavirus!

Nachgemeldete Fälle mit Coronavirus

Tatsächlich sind dann bis Nachmittag dem BAG zwei weitere Fälle gemeldet worden, die Plattform corona-data.ch wusste aus den Kantonen bereits von Vieren. Auch der Donnerstag war also nicht gänzlich frei von Coronavirus. Auch so wären die Fallzahlen ja aber viel tiefer als die, die das BAG täglich vertwittert.

Diagramm Fallzahlen Coronavirus
Die als neu kommunizierten Fallzahlen mit Coronavirus (orange) und die tatsächlich am betreffenden Tag registrierten (blau) der vergangenen sieben Tage. Generell sind die tatsächlichen Zahlen tiefer, mit Ausnahme des 2. Juni, wo zunächst sehr wenige Fälle gemeldet, aber viele nachgemeldet wurden. - BAG / Nau.ch / Datawrapper

Das liegt einmal mehr wieder an der lieben Statistik. Die Zahlen sind alle korrekt, aber – Mahnfinger – es gilt zu unterscheiden. Nämlich zwischen Meldedatum und Falldatum. So werden jeden Tag auch Fälle «neu» gemeldet, die de facto schon weiter zurückliegen. Man kennt das mittlerweile von den Wochenend-Nachmeldungen; immer wieder werden aber auch mehrere Wochen zurückliegende Fälle neu eingespiesen.

Stufe Orange

Das BAG verdeutlicht dies jeweils auch grafisch. In den täglich nachgeführten Diagrammen erscheinen die neuen Ansteckungen mit Coronavirus als orange Ergänzungen der blauen Tagesbalken. Problem: Bei nurmehr einstelligen Zahlen ist die orange Dämmerung oben an den Hunderter-Hügeln kaum noch zu erkennen.

Coronavirus Fallzahlen
Die Ansteckungen mit Coronavirus, Stand 3. Juni 2020. Die orangen Flächen für «Neu gemeldet» muss man mit der Lupe suchen (s. nächste Bilder).
Coronavirus Fallzahlen Mai
An diversen Daten Ende Mai und Anfangs Juni scheinen neu gemeldete Fälle mit Coronavirus dazugekommen zu sein.
Coronavirus Fallzahlen März
Auch Ende März, während dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in der Schweiz, gab es noch nachgemeldete Fälle mit auf Coronavirus positiv getesteten Patienten.

So glaubt man im Diagramm vom Mittwoch zu erkennen, dass die 19 «neuen» Fälle sich auf den 5., 9., 14., 15., 22. und womöglich den 1.6. verteilen. Sogar im März, zum Beispiel dem 23., dem Tag mit der höchsten Schweizer Fallzahl, scheint Anfangs Juni noch was dazugekommen zu sein. Obwohl das dort nun wirklich keinen Unterschied mehr macht.

Freuen können wir uns also gleich doppelt. Einerseits sind die Coronavirus-Fallzahlen so nahe bei Null, dass man sie fast nicht mehr sieht. Und andererseits: Auch in der Krise arbeiten Schweizer Beamte noch bünzlig genau.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Alain BersetCoronavirus