Claude Longchamp über Gerhard Pfister: «Der beste Kommunikator»
Gerhard Pfister tritt ab, war aber in seiner Amtszeit einer der erfolgreichsten Parteipräsidenten. Politologe Claude Longchamp zu den Gründen dahinter.
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Das Wichtigste in Kürze
- Politologe Claude Longchamp zieht Bilanz über den abtretenden Mitte-Chef Gerhad Pfister.
- Pfister spiele vorne mit, vor allem als Kommunikator.
- Nachfolger Bregy könne von ihm lernen, auch wenn Pfister oft aneckte.
Es ist beinahe ein nahtloser Übergang geworden in der Mitte-Partei: Der neue Pfister (Martin) kommt und wird Bundesrat, der bisherige Pfister (Gerhard) tritt als Parteipräsident ab. Die Delegierten haben vor einer Woche Philipp Matthias Bregy zu seinem Nachfolger bestimmt.
Gerhard Pfister im Parteipräsidenten-Vergleich
Zeit also, mit dem Politologen Claude Longchamp auf die immerhin neun Jahre an der Spitze von CVP und Mitte zurückzublicken. Longchamp macht im Nau.ch-Talk gleich zu Beginn klar: Gerhard Pfister spielt in der Parteipräsidenten-Liga ganz vorne mit.

«Ich würde sagen, im vorderen Drittel. Er hat – und das ist doch bemerkenswert für einen CVP/Mitte-Präsidenten – 2023 einen Wahlsieg hinbekommen.» Damit sei Pfister nebst Cédric Wermuth von der SP der Einzige, der eine Trendwende hinbekommen habe.
Insbesondere bei der FDP, dem ganz grossen Konkurrenten der Mitte-Partei, habe diese Trendwende bis heute eigentlich nicht stattgefunden. Die Gründe für Pfisters Erfolg sieht Claude Longchamp auf drei Ebenen: der organisatorischen, der strategischen und der kommunikativen.
Gerhard Pfister, «der beste Kommunikator»
Als wohl prägendste Leistung hebt Longchamp aber zunächst die gelungene Fusion von CVP und BDP zur «Mitte» hervor. Dies habe es erlaubt, weg vom angestaubten Image als Milieupartei hin zu einer modernen Volkspartei zu gelangen.

Organisatorisch habe Pfister vor allem die Bundespartei gestärkt, die im Vergleich zu den Kantonalparteien bisher schwach gewesen sei. Auch die Jungpartei habe er gefördert: «Heute ist die Junge Mitte bei der Generation Z die drittbeliebteste Partei, hat die FDP und die Grünen überholt. Das kann man ganz klar als Leistungsausweis betrachten.»
Strategisch habe Pfister genau gewusst, dass die Schweiz eine Mitte-Position brauche, betont Longchamp: «Er hat nicht gewartet, bis alle anderen Position bezogen haben und dann geschaut, wo der kleinste gemeinsame Nenner liegt.» So habe Pfister, beispielsweise beim Frauenrentenalter, seine Partei vorgeschickt und als Vordenker-Partei profiliert.

Voll des Lobes ist der Politologe über Pfisters kommunikative Fähigkeiten: «Er ist wohl der beste Kommunikator nach aussen.» Entsprechen genoss er ein hohes Ansehen bei den Medien. «Er hat durchaus auch eigenständige, kreative Gedanken in die Schweizer Politik eingebracht.»
Immer etwas konservativer als die Partei
Manchmal auch etwas zu kreativ: «Durch seine markanten, gelegentlich auch polarisierenden Auftritte ist er bei Freund und Feind auch angeeckt», gibt Longchamp zu bedenken. Pfister habe sich nicht gescheut, eigene Positionen klarzumachen. So sei er etwa in der Europapolitik systematisch etwas konservativer als die Beschlüsse seiner Partei gewesen.
Aber auch in anderen Fragen, wie bei der SRG-Initiative, habe Pfister immer versucht, eine eigene, konservative Position einzunehmen. Für einen Parlamentarier sei das kein Problem, aber: «Als Parteipräsident, als wichtigster Sprecher und wichtigste Identifikationsfigur war das nicht immer das Geschickteste», so Longchamp. Das habe auch zu Irritationen geführt und ihm vielleicht auch Allianzen mit anderen Parteien gelegentlich verbaut.
Von Gerhard Pfister lernen: Visionen
Nun tritt also der Walliser Philipp Bregy in die Fussstapfen des Zugers Gerhard Pfister. Bregy habe zunächst einen Startvorteil, analysiert Politologe Longchamp: «Er ist eindeutig der Populärere.»
Bregy sei volksnäher, politisiere aus dem Bauch heraus, während Pfister eher der Intellektuelle an der Parteispitze gewesen sei. «Vielleicht für eine Partei sogar zu intellektuell.»

Wo aber kann sich Bregy noch eine Scheibe bei Pfister abschneiden? «Der neue Präsident ist nicht visionär und vielleicht ist er auch noch nicht strategisch», hät Longchamp fest. «Beides kann noch werden, beides kann er sich abschauen bei Gerhard Pfister, weil das seine Stärken waren.
Immerhin hätten diese Stärken der Mitte-Partei gutgetan: «Weil die Partei bis anhin eher von Spielern geleitet worden ist.»
Offene Zukunft – aber kein zweiter Bundesrat Pfister
Nun lässt es Gerhard Pfister erstmal etwas ruhiger angehen. Ein erstes Engagement hat er bereits angetreten, als Kritiker im «Literaturclub» von SRF. Das perfekte Nebenamt für einen plötzlich unterbeschäftigten Ex-Parteipräsident: Immerhin hat Gerhard Pfister Literatur und Philosophie studiert.
Doch wie sieht die politische Zukunft aus? «Die Bundesratsfrage ist erledigt», stellt Politologe Claude Longchamp klar. Pfister habe sich bei der Amherd-Nachfolge zu deutlich aus dem Rennen genommen.

Hingegen hält es Longchamp für durchaus möglich, dass Gerhard Pfister noch Ständerat wird. Wenn der bisherige Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin zurücktreten sollte, sei Pfister tatsächlich die akzeptierteste und wohl auch profilierteste Figur.
«So könnte er ab 2027 noch eine neue politische Karriere in Bundesbern lancieren», sinniert Longchamp. «Gut möglich aber auch, dass es das dann auch war.»