Mitte-Rüdisüli: FDP hat «Frauenbild aus 50ern»
Ein wichtiges Argument für die Individualbesteuerung ist die Gleichstellung. Dabei liegt der Idee eigentlich ein altes Frauenbild zugrunde, sagt Marc Rüdisüli.

Das Wichtigste in Kürze
- Junge-Mitte-Präsident Marc Rüdisüli spricht sich gegen die Individualbesteuerung aus.
- Die Vorlage zeichne ein altes Frauenbild und bringe bürokratischen Mehraufwand mit sich.
- Bettina Balmer, Präsidentin der FDP-Frauen, widerspricht.
Die Individualbesteuerung bleibt ein heiss diskutiertes Thema. Zuletzt hat sich im Parlament eine Mehrheit für den Systemwechsel bei den Steuern ausgesprochen. Das Volk dürfte jedoch dereinst das letzte Wort haben.
Auf X kritisiert Marc Rüdisüli, Präsident der Jungen Mitte, das Vorhaben scharf. Ein oft genanntes Argument für die Individualbesteuerung ist nämlich die Gleichstellung von Mann und Frau. Doch statt sich dafür einzusetzen, propagiere die FDP ein veraltetes Frauenbild, ist für Rüdisüli klar.

Die FDP-Frauen würden nämlich argumentieren, dass Frauen durch die Reform endlich das Ausfüllen einer Steuererklärung lernen sollen. Auch hätten sie mit der Individualbesteuerung die Möglichkeit, sich um ihre eigenen Finanzen zu kümmern. «Das ist ein Frauenbild aus den 50ern», hält Rüdisüli fest.
Rüdisüli: Frauen brauchen keine «Erziehungshilfe» von der FDP
Gegenüber Nau.ch führt der Jungpolitiker aus: «Das Hauptargument der FDP-Frauen liegt darin, dass sie Frauen zur Erwerbstätigkeit ermutigen wollen. Ganz offensichtlich haben sie nicht mitbekommen, dass Frauen längst erwerbstätig sind und nicht mehr in den Fünfzigern steckengeblieben sind.»
Die Frauen brauchen keine «Erziehungshilfe» von der FDP, so Rüdisüli weiter. In einem Radiogespräch habe eine FDP-Frau gesagt, dass es gut sei, wenn Frauen lernen, ihre Steuererklärung selbst auszufüllen. «Man muss sich dieses paternalistische Gehabe einmal vor Augen führen!»
Diese Ansicht sei veraltet, sagt der Thurgauer Kantonsrat. «Frauen sind heute längst berufstätig und kompetent im Umgang mit finanziellen und administrativen Aufgaben sind sie auch.»
FDP-Frau kontert: Geht nicht um Zwang, sondern um Freiheit
Bettina Balmer, Präsidentin der FDP-Frauen, findet die Aussage von Rüdisüli «schon noch interessant». Es gehe bei der Individualbesteuerung nicht darum, die Frauen zur eigenen Steuererklärung zu zwingen. Stattdessen wolle man ihnen mehr Freiheiten geben.
«Aktuell gibt es Fehlanreize, die ein konservatives Familienmodell fördern. Mit der Individualbesteuerung können Frauen freier entscheiden, ob sie arbeiten gehen wollen», erklärt die Zürcher Nationalrätin.

Dass Frauen sich dank der Individualbesteuerung stärker mit finanziellen Themen befassen, könne aber «ein guter Nebeneffekt» sein. «Frauen haben diesbezüglich teilweise Aufholbedarf», hält Balmer fest.
«Echt?», sagt Rüdisüli zu dieser These – man könne doch nicht behaupten, dass Frauen keine Ahnung von Finanzfragen haben. Bei seinen Eltern würde beispielsweise seine Mutter die Steuererklärung ausfüllen.
Bringt die Individualbesteuerung einen Mehraufwand?
Ein wichtiges Argument, das laut Rüdisüli zudem gegen die Individualbesteuerung spricht, ist die Bürokratie. Schweizweit würden etwa 1,7 Millionen Steuererklärungen mehr anfallen. «Dies führt zu einem massiven Mehraufwand für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie für die Steuerämter.»
Die Individualbesteuerung stelle das bewährte System der Kantone auf den Kopf. Im Gegensatz zur Mitte-Initiative für faire Steuern, wie Rüdisüli sagt. «Die Mitte will die Heiratsstrafe auch abschaffen, aber korrekt und systemkompatibel.»
Balmer findet das Argument des administrativen Mehraufwands wenig überzeugend, sie spricht von einem «Trugschluss». «Die Individualbesteuerung kann für den Staat am Anfang einen Mehraufwand bedeuten. Längerfristig ist das aber nicht mehr der Fall.»
Aktuell reiche ein Ehepaar eine «komplizierte» Steuererklärung ein, neu wären es zwei «einfachere». Für Balmer ist klar: «Eine komplizierte Erklärung ist mit mehr Aufwand verbunden als zwei einfachere.» Auch würden Mehraufwände beim Zivilstandeswechsel wegfallen.
Bürgerliche Differenzen beim Steuersystem
Die Fairness-Initiative der Mitte lehnt Balmer ab. Diese würde ein «konservatives Familienmodell» zementieren, sagt sie.
Zudem würde sie mehr Steuerausfälle bringen als der Wechsel zur Individualbesteuerung. «Auch lehnt der Bundesrat die Mitte-Initiative ab und im Parlament ist sie noch nicht zu Ende besprochen.»
Zu einem möglichen bürgerlichen Schulterschluss in der Steuerpolitik sagt Balmer: «Wir arbeiten gerne mit der Mitte zusammen. Bei dieser Vorlage gehen die Meinungen aber zu weit auseinander, die FDP ist gesellschaftspolitisch wohl fortschrittlicher.»