Claude Longchamp: «Mitte löst heute GLP als Stimmlead ab»

Heute entscheidet die Schweiz über die Vorlagen 13 bis 17 in der laufenden Legislaturperiode. Unabhängig vom Ausgang der umstrittensten Entscheidung beim neuen CO2-Gesetz kann man jetzt schon sagen: Die GLP verliert mit dem heutigen Tag das Lead als Partei, die am häufigsten Volksentscheidungen vorneweg nimmt. Neu ist das «Die Mitte».

In der letzten Legislaturperiode war die FDP die Partei mit der höchsten Übereinstimmung von Parolen und Ergebnissen bei den eidgenössischen Volksabstimmungen.

In der laufenden Legislaturperiode lag die GLP von Beginn weg in Führung. In 10 der 12 Abstimmungen stimmte der Souverän so, wie es die GLP empfahl.

Die beiden Abweichungen betrafen Volksinitiativen. Zuerst die Konzernverantwortungsinitiative, die am Ständemehr scheiterte, dann das Verhüllungsverbot, das angenommen wurde.

Doch verliert die GLP den Titel erfolgreichster Partei bei eidgenössischen Volksabstimmungen aller Voraussicht nach heute. Der Titel wird nach rechts wandern und an die Mitte gehen.

Vorausgesetzt ist, dass die beiden Agrar-Initiativen scheitern und das PMT angenommen wird. Denn die GLP ist für die Trinkwasserinitiative und gegen das Anti-Terror-Gesetz. Bei der Mitte ist es genau umgekehrt.

Gibt es zwei Nein zu den Volksinitiativen und drei Ja zu den Behördenvorlagen, liegen die Mitte und FDP heute fünfmal richtig. Die GLP kommt auf genau die Hälfte der Punkte.

Scheitert die CO2-Abgabe, gibt es einen Minuspunkt für GLP, die Mitte und FDP. Und ein Plus bei der SVP. Am neuen Spitzenreiter unter den Parteien ändert das nichts, wie die obige Tabelle zeigt.

Man kann es auch allgemeiner sagen: Mit dem heutigen Abstimmungstag verlagert sich der Schwerpunkt der Stimmenden von Mitte/Links nach Mitte/Rechts.

Das kommt nicht von ungefähr. Die linksliberale Welle aus den eidgenössischen Wahlen 2019 ist verebbt. Das Klimathema zieht noch links, nicht mehr aber rechts.

Mit der vermehrt bürgerlichen Ausrichtung reagiert die Politik auf Corona. Konsolidierung des Vertrauens in den Staat und bereinigte Finanzen stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Offensichtliches Ziel des bürgerlichen Zentrums ist es, die relevante Brücke bilden zu können, die mehrheitsfähige Kompromisse herstellt. Dabei scheint die Mitte mit ihrer Neuorganisation besser als die FDP aufgestellt, mit Fragen der eigenen Ausrichtung beschäftigt.

Sollte die CO2-Abgabe abgelehnt werden, wäre die Bilanz des bürgerlichen Zentrums getrübt. Es käme das rechtsbürgerliche Element stärker zum Ausdruck.

Die SVP wäre der Tagessieger. Über die ganze Legislaturperiode gesehen, würden die SVP aber weder die FDP noch die Mitte überholen.