Der Bund rühmt sich, beide Geschlechter im Sport gleich zu fördern. Damit reproduziert er jedoch die bestehende Ungleichheit. Das stört Irène Kälin (Grüne).
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Ein Public-Viewing in Genf zur Frauen-Fussball-WM in Frankreich 2019. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sportlerinnen werden sowohl bei der Förderung wie der Berichterstattung diskriminiert.
  • Das findet Grünen-Nationalrätin Irène Kälin – und fordert vom Bundesrat Antworten.
  • Dieser widerspricht sich in seiner Antwort jedoch selbst.

Irène Kälin, Nationalrätin der Grünen, stellt unzufrieden fest: Die Sport-Berichterstattung in den Medien ist diskriminierend. Männersportarten erhalten mehr Aufmerksamkeit als jene Sportarten, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden.

«Bei der Männer-Fussball-WM gibt es ein regelrechtes Volksfest, wenn unsere Männer-Nati spielt», sagt Grünen-Politikerin zu Nau. «Bei der Frauen-Fussball-WM müssen wir offenbar dankbar sein, wenn zumindest diejenigen Spiele übertragen werden, bei welchen unsere Nati-Frauen am Zug sind. Deutlicher kann Diskriminierung nicht sein.»

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Irène Kälin politisiert für die Grünen im Nationalrat. - Keystone

In der Öffentlichkeit, so empfindet es Kälin, entstehe dadurch das Bild von Frauen, die keinen oder kaum Sport betreiben. Von Frauen, die sich nicht für Sport interessieren. Von Frauen, deren sportlichen Leistungen kaum erwähnenswert sind.

Das führt zu ungleicher Medienberichterstattung, wie Kälin am Beispiel Fussball erklärt. «Beim Frauenfussball braucht es schon fast WM-Erfolge, bis über die sportliche Leistung von Frauen berichtet wird, während beim Männerfussball sogar über die (Miss)-Erfolge des FC Aarau rege berichtet und diskutiert werden.»

Bundesrat bestätigt: Sportlerinnen haben weniger mediale Präsenz

Die 32-jährige Aargauerin klopfte mit ihrer Kritik beim Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK an. Bei Departementschefin Simonetta Sommaruga rennt Kälin offene Türen ein.

Denn in der Tat: Die SRG berichte etwas weniger über Sportlerinnen als über Sportler, schreibt das UVEK in seiner Antwort. So nehmen zwar an 55 Prozent der für 2019 geplanten oder bereits ausgestrahlten Sportübertragungen beide Geschlechter teil. Während jedoch bei 35 Prozent der Events nur Männer teilnehmen, betrage der Anteil reiner Frauen-Wettbewerbe lediglich 10 Prozent.

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Die mittlerweile zurückgetretene Lara Dickenmann im Dress der Schweizer Frauen-Nati. - Keystone

Das Sommaruga-Departement verweist aber auf die Vorgabe des Bundesrats an die SRG von 2018. In der Konzession verlangt der Bundesrat explizit die angemessene Vertretung der Geschlechter im Angebot. «Dazu gehört, dass Frauensport bei der SRG kein Nischendasein fristet», schreibt das UVEK.

So habe SRF beispielsweise 25 Spiele der Frauen-Fussball-WM in Frankreich live übertragen – obwohl sich die Schweizer Frauen-Nati nicht qualifiziert hatte. Aus Sicht des Mediendepartements wird dem Publikum demnach nicht ein «irreführendes und unrealistisches Bild über Frauensport vermittelt», wie dies Kälin moniert hatte.

Ungleichheit auch bei der Förderung

Ein zweites Kapitel schlägt der Bundesrat bezüglich der Sportförderung auf. Er sei sich bewusst, dass es hier einen «Gender-Gap» gebe. Er habe jedoch nur wenig Möglichkeiten, diese Ungleichheit zu korrigieren. Er betont, dass er sowohl den Spitzen- wie den Breiten-Sport geschlechtsneutral fördere.

Gleichzeitig stellt er fest, dass bei der Sportförderung von Kindern und Jugendlichen der Anteil Mädchen tiefer liegt. In der Konsequenz fördert er also Ungleiches gleich. Und zementiert dadurch die Ungleichheit. Deshalb überlegt der Bundesrat derzeit, wie er Mädchen im Sport besser fördern kann.

Das kritisiert auch Grünen-Nationalrätin Kälin. «Heute wird durch den Gender Gap im Sport die Ungleichheit bei der Sportförderung reproduziert.» Das habe konkrete Folgen. «Denn die Förderung, inklusive dem Sponsoring, kommt jenen Sportarten zu Gute, über welche am meisten berichtet wird.»

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Nina Betschart und Tanja Hüberli an der Beach-Volleyball-WM 2019 in Hamburg. - Keystone

Deshalb müsse der Frauensport eben bevorzugt gefördert werden, so Kälin. «Genauso wie die bestehenden Ungleichbehandlungen, wie sie zum Beispiel bei der Fussball-Berichterstattung stattfinden, dringend abgebaut werden müssen.»

Für Irène Kälin sind die Antworten des Bundesrates «absolut unbefriedigend». «Wer die Diskriminierung der Frauen bei der Sport-Berichterstattung und damit verbunden bei der Sportförderung nicht sieht, der muss auf beiden Augen blind sein», sagt sie. Bald will sie deshalb nachlegen, damit die gesetzlich vorgeschriebene Gleichheit der Geschlechter künftig auch tatsächlich umgesetzt wird.

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