Grüne BE zu Polizeigesetz: Gemeindeautonomie muss bestehen bleiben!
Das teilrevidierte Polizeigesetz erlaubt im Kanton Bern neue Massnahmen wie die automatisierte Fahrzeugfahndung, GPS-Tracker und längere Datenaufbewahrung.

Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Bern werden Autofahrer durch das teilrevidierte Polizeigesetz stärker überwacht.
- Die erhobenen Daten sollen neu bis zu 30 Tage lang aufbewahrt werden.
- Neu werden auch technische Geräte wie GPS-Tracker bei erhöhter Gefahrenlage eingesetzt.
Das totalrevidierte Polizeigesetz des Kantons Bern ist seit dem 1. Januar 2020 in Kraft. Doch da beim Bundesgericht einzelne Punkte bemängelt wurden, muss es nun teilrevidiert werden.
Das geplante Gesetz sieht vor allem eine stärkere Überwachung der Autofahrer vor. Dies soll durch eine Änderung bei der automatisierten Fahrzeugfahndung (AFV) ermöglicht werden. Die AFV kann – mobil oder stationär – mithilfe einer Kamera die Kontrollschilder von Fahrzeugen erfassen.
Die Identität des Fahrzeughalters kann auf diese Weise festgestellt werden. Zudem werden auch Zeitpunkt, Standort, Fahrtrichtung und Fahrzeuginsassen ermittelt und automatisch mit polizeilichen Fahndungssystemen abgeglichen.
Einsatz von Videokameras bei erhöhter Gefahrenlage
Die erhobenen Daten sollen neu bis zu 30 Tage lang aufbewahrt und für Ermittlungen bei schwerer Kriminalität verwendet werden können. Auskunftsrechte und eine unabhängige Kontrollinstanz seien vorgesehen, hält der Berner Regierungsrat fest.
Mit der Teilrevision wird zudem die gesetzliche Grundlage geschaffen, um bei der polizeilichen Überwachung technische Geräte wie GPS-Tracker einzusetzen. Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass der Kanton einer Gemeinde bei einer erhöhten Gefahrenlage an bestimmten Orten empfehlen kann, Videokameras einzusetzen. Verzichtet die Gemeinde darauf, soll der Kanton selbst tätig werden können.
Nau.ch hat sich bereits mit der FDP Bern über das Polizeigesetz unterhalten. Auch der Berner Grossrat Thomas Gerber (Grüne) äussert sich zu diesem Thema.
Nau.ch: Das teilrevidierte Polizeigesetz des Kantons Bern sieht eine Änderung bei der AFV vor. Wann genau wird diese eingesetzt?
Thomas Gerber: Die Fahrzugfahndung ist laufend aktiv. Neu werden Kameras fix montiert und die Bilder werden laufend mit der Datenbank abgeglichen.
Nau.ch: Stellt die AFV einen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung dar?
Thomas Gerber: Aus meiner Sicht nicht. Die AFV wird heute bereits im Zusammenhang mit der LSVA vom Bund eingesetzt. Bei der AFV werden nur Autonummern gespeichert. Also keine Fahrzuglenkende oder Mitfahrende – gibt es eine Übereinstimmung mit der Datenbank, gibt es auch ein Bild von den Fahrzuginsassen.
Heute werden von Firmen – Google, Autofirmen via Kameras und ähnlich – Daten und Bilder gesammelt, von denen wir nicht einmal wissen, dass es diese überhaupt gibt. Zudem haben wir keine Gewissheit, dass solche Bilder je wieder gelöscht werden und zu welchem Zweck diese verwendet oder weitergegeben werden.
Nau.ch: Im neuen Gesetzesentwurf wird vorgeschlagen, dass die gespeicherten Daten erst nach 30 Tagen gelöscht werden müssen. Weshalb sollen die Daten auch ohne Fahndungsauftrag bewahrt werden?
Thomas Gerber: Es kann sein, dass Autonummern erst nach ein paar Tagen gesucht werden. So kann ein allfälliger Fluchtweg rekonstruiert werden. Dies kann zu hinweisen, auf Täter geben und zu späterer Festnahme führen.
Nau.ch: Wer ausser dem Kanton Bern und der Berner Polizei dürfte alles auf die gespeicherten Daten zugreifen?
Thomas Gerber: Die Staatsanwaltschaft.
Nau.ch: Der Kanton Bern soll mit der Gesetzesvorlage gegen den Willen einer Gemeinde Überwachungskameras installieren dürfen, was beispielsweise von der Stadt Bern stark kritisiert wurde. Ist eine Videoüberwachungspflicht nötig?
Thomas Gerber: Nein, ich sehe keinen Grund, dass sich der Kanton über die Gemeindehoheit hinwegsetzen soll, um den Gemeinden eine Videoüberwachung aufzuzwingen. Die Gemeinden haben heute die Möglichkeit, an neuralgischen Punkten Kameras aufzustellen. Wenn das eine Gemeinde nicht machen will, dann hat diese ihre Gründe. Die Gemeindeautonomie muss vom Kanton ernst genommen und respektiert werden.
Zur Person
Thomas Gerber ist 56-jährig, Berner Grossrat, Präsident der Grünen in Wohlen und seit 1995 Geschäftsführer einer Schreinerei. Seine Hobbys sind Fotografieren, Reisen, Sport, Musik, Theater und Politik.