In der deutschen Wirtschaft «riecht es schon leicht nach Stagflation»: Die Konjunkturdynamik lässt nach, während die Preise stark steige.
Stagflation in der Automobilindustrie
Arbeiter in der deutschen Industrie. - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Deutschland steigen die Preise, während die Konjunkturdynamik nachlässt.
  • Es wird eine Stagflation im vierten Quartal befürchtet.
  • Die Produktion ging im August so stark zurück wie seit April 2020 nicht mehr.

Die deutsche Wirtschaft hat ihre Produktion im August so stark gedrosselt wie seit fast anderthalb Jahren nicht mehr. Dies wegen gravierenden Materialengpässen in der Automobilindustrie. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 4,0 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte.

Das ist der stärkste Rückgang seit April 2020. Damals kam es wegen des ersten Corona-Lockdowns zu einem heftigen Einbruch von mehr als 18 Prozent. Er fiel zehnmal so stark aus wie von Ökonomen vorhergesagt.

Die Produktion liegt damit noch um 9,0 Prozent niedriger als im Februar 2020. Das war der Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Pandemie in Deutschland.

«Riecht schon leicht nach Stagflation.»

Experten Europas grösster Volkswirtschaft sagen eine Herbstflaute voraus. Dies, weil Versorgungsprobleme etwa bei Halbleitern nicht von heute auf morgen verschwinden dürften.

«Gegenwärtig sprechen die Materialengpässe, eine nachlassende Nachfrage aus China sowie eine neue Corona-Welle dafür, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal kaum noch wachsen wird.» Dies sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

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Ein Mitarbeiter von Volkswagen in der Gläsernen Manufaktur in Dresden. - dpa-infocom GmbH

«Insofern kann man mit Blick auf das vierte Quartal von Stagflation sprechen.» Das Kunstwort, das aus Stagnation und Inflation zusammengesetzt wird, beschreibt eine Mischung aus nachlassender Konjunkturdynamik bei gleichzeitig stark steigenden Preisen.

Die Teuerungsrate liegt aktuell mit 4,1 Prozent so hoch wie seit 1993 nicht mehr, da vor allem Energie mehr kostet. «Ein toxisches Gebräu, das schon leicht nach Stagflation riecht», sagte auch Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

«Bänder stehen still»

Dem Abwärtstrend konnte sich im August lediglich die Energiebranche entziehen. Sie steigerte ihre Erzeugung um 4,1 Prozent. Dagegen fiel die Baufertigung um 3,1 Prozent geringer aus. Die Industrieproduktion allein brach mit 4,7 Prozent noch stärker ein.

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Autoproduktion in Wolfsburg. - POOL/AFP

«Die Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten erwiesen sich als gravierender als bislang angenommen», schrieb das Wirtschaftsministerium dazu.

In der Automobilindustrie ging die Produktion mit 17,5 Prozent besonders heftig zurück. Da dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass bei einigen Herstellern die Betriebsferien dieses Jahr in den August fielen.

«Im August fielen die sich verschärfenden allgemeinen Engpässe in eine Jahreszeit, die die Automobilindustrie gerne nutzt, ihre Arbeitskräfte in den Urlaub zuschicken, wenn Produktionsbehinderungen vorliegen», sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle dazu. «Die Bänder stehen in weiten Teilen still.»

In der Automobilindustrie können volle Auftragsbücher oft nicht abgearbeitet werden

Opel
Florian Huettl übernimmt ab Juni Unternehmensführung bei Opel. - dpa

Der Autobauer Opel gab vorige Woche sogar bekannt, er werde sein Werk in Eisenach mindestens bis zum Jahresende schliessen. Die Schliessung erfolgt wegen fehlender Halbleiter. BMW wiederum geht davon aus, dass im Gesamtjahr wegen der Chipkrise 80′000 bis 100′000 Autos nicht gebaut werden können.

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