Finanzen Bern: Drei Paradoxien, die Anleger zum Schmunzeln bringen

Stephan Lehmann-Maldonado
Stephan Lehmann-Maldonado

Bern,

Zölle, Zinsen und Zyklen: Die Finanzmärkte sind nie bierernst. Wie sollten Bernerinnen und Berner die widersprüchlichen Signale der Börsen interpretieren?

Börse Trump
Obwohl die wirtschaftliche Lage unsicher ist, erfreuen sich die Börsen weiterhin grosser Beliebtheit. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Finanzmärkte verhalten sich oft konträr zu den Schlagzeilen
  • Die Börsen feiern Rekordstände – trotz Trumps Zollpolitik.
  • Die Nullzinsen zwingen Sparerinnen und Sparer in riskantere Anlagen.

Notorische Miesepeter mögen zwar den nächsten Crash wittern. Aber die Zukunft gehört jenen, die sie umarmen – und die Ambiguität an der Börse mit einem Lächeln quittieren.

1. Die Börsen feiern – trotz Zöllen

Ganze Heerscharen kritisieren die US-Zollpolitik. Mit einem Satz von 39 Prozent erhielt die Schweiz die höchsten Zölle Europas aufgebrummt. Aber die Börsen liegen nicht am Boden. Viele Indizes bewegen sich um Allzeithochs. Wieso? Anlegerinnen und Anleger vertrauen darauf, dass Unternehmen Wege finden, die Mehrkosten zu umschiffen und halten sich bereits den nächsten Rekordstand vor Augen.

US Zölle
Für die meisten Waren aus der Schweiz gilt in den USA ein zusätzlicher Einfuhrzoll von 39 Prozent. - keystone

«Auf Rekordstände folgen früher oder später neue Rekordstände», sagt Thomas Fischer, Chief Investment Officer der Berner Kantonalbank. Er empfiehlt auch Bernerinnen und Bernern, ihren Sparbatzen diversifiziert anzulegen. Während US-Aktien aktuell hoch notieren, hält er Schweizer Aktien für «attraktiv» bewertet.

Die Volkswirtschaft Bern bekommt die US-Zölle ohnehin nicht mit voller Wucht zu spüren: Sie lebt über breite Strecken von der Bundesverwaltung, der verarbeitenden Industrie und dem Tourismus. «Berner Unternehmen exportieren schwergewichtig in den EU-Raum», erklärt Fischer. Langfristig könnte das allerdings ein Bumerang sein. In den letzten 20 Jahren hat das Wirtschaftswachstum weitgehend ausserhalb Europas stattgefunden. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

2. Geld ist wertvoll – aber gratis

Unsere Grosseltern lehrten uns: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not.» Aber paradoxerweise strafen uns viele Zentralbanken fürs Sparen. Der Zins gilt als «Preis» des Geldes. Doch die Nationalbank hat ihn auf 0 Prozent gesenkt. Die Inflation verkleinert also jeden Franken auf unseren Sparkonten. Selbst Kleinsparerinnen und Kleinsparer jagen deshalb verzweifelt nach Renditen. Gigantische Geldströme fliessen in Aktien, Immobilien, Edelmetalle und Kunstwerke, was deren Preise hochtreibt.

Sparschwein
„Angesichts der niedrigen Zinsen verliert das Sparen an Attraktivität – selbst Kleinsparerinnen und Kleinsparer suchen daher vermehrt nach Renditechancen an den Finanzmärkten. - keystone

Wie können wir dem Anlagenotstand entfliehen, ohne riskante Wetten einzugehen? «Kassenobligationen und kurz laufende Unternehmensanleihen in Schweizer Franken können interessant sein», meint Thomas Fischer. Einen Blick wert sind auch Immobilienfonds: «Im Vergleich zu Aktien wiesen sie bisher weniger starke Schwankungen auf.»

3. KI dominiert die Börsen – aber schafft sie auch Mehrwert?

Selten floss so viel Kapital in so wenige Unternehmen wie heute. Die zehn grössten US-Titel scharen 40 Prozent der Marktkapitalisierung um sich. Die Aktien der «glorreichen Sieben» Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla schweben auf astronomischen Höhen.

Unzählige Marktteilnehmer hoffen, dass die Künstliche Intelligenz (KI) unsere Arbeitsproduktivität vervielfacht. Doch selbst OpenAI-Gründer Sam Altman zweifelt: «Der KI-Boom ist mit der Internetblase ums Millennium vergleichbar», meinte er kürzlich. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) stellte nüchtern fest: 95 Prozent der Unternehmen, die in KI investieren, haben daraus noch keinen messbaren Nutzen gezogen.

GPT-5
Künstliche Intelligenz spielt an den Börsen eine immer grössere Rolle. - depositphotos

KI basiert auf Unmengen an Daten. Das verlockt, jede Banalität zu einem komplexen Prozess auszuweiten, wie es etwa der Wirtschaftsprofessor Mathias Binswanger in einem seiner Bücher beschreibt. Und wie bekommt man die Bürokratie wieder in den Griff? Man ruft nach noch mehr KI!

Im Kino-Blockbuster «Die glorreichen Sieben» von 1960 schlugen die sieben Revolverhelden zwar die Banditen – aber vier davon verloren ihr Leben. Die eigentlichen Gewinner waren die Dorfbewohner. Ganz ähnlich könnten Unternehmen aus der zweiten Reihe, die KI mit Bedacht implementieren, als Sieger aus dem Rennen gehen.

Zum Autor

Stephan Lehmann-Maldonado hat schon als Kind Münzen gesammelt (Bitcoins gab es damals noch nicht) und sich während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich auf Banking und Finance spezialisiert. Parallel dazu, schrieb er bereits für Wirtschaftsmedien, unterrichtete als Handelslehrer und vertiefte sein Wissen in der Bankpraxis. Heute führt er eine Agentur für klare Kommunikation – und freut sich, wenn sich auch die Finanzbranche damit anfreunden kann.

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