Bern wird nächste Woche zur Käse-Hauptstadt!
Nächste Woche rollt Bern anlässlich der «World Cheese Awards» den roten Teppich für den Käse aus. Wir zeigen, wo im Kanton jetzt schon alles Käse ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Nächste Woche rollen bei den «World Cheese Awards» Käselaibe aus 50 Ländern nach Bern.
- Bern ist perfekt als Käse-Hauptstadt geeignet. Wer Käse liebt, findet in Bern alles.
- In der Region entstehen Käse mit Tradition, Leidenschaft – und Roboterhilfe.
Im November ist Bern nicht nur Bundesstadt, sondern Welt-Hauptstadt. Wer jetzt denkt, das ist Käse, liegt vollkommen richtig. Denn die Teilnehmer bei den «World Cheese Awards» rollen ihre Laibe vom 13. bis 15. November in die Stadt, um die besten Käse der Welt zu küren.
Zum ersten Mal überhaupt steigt die Veranstaltung in der Schweiz. Wir sind der Meinung: Das war höchste Zeit.
Und: Bern ist vollkommen zu Recht «Capital of cheese». Warum? Weil die Käseräder dort 100 Kilo wiegen. Weil der Käse mit Knoblauch und Kohlenasche veredelt, in Pfeffer gewälzt und von Robotern geputzt und gedreht wird. Wer will, kann in der Region Bern sogar seinen eigenen Käse machen.
Hier die 7 wichtigsten Topics zum Event und alles, was sonst noch Käse ist.
Tradition in der Schaukäserei Affoltern
Plötzlich bewegt sich jemand im Rauch, der aus der Tür des 300 Jahre alten Hauses qualmt. Man sieht eine Hand, die Holz aufs offene Feuer legt und dann einen Finger in den Kupferkessel taucht, dessen dicker Bauch mit 200 Litern frischer Milch gefüllt ist. «Vor 48 Stunden war das noch Gras», sagt Hans Herbert Remund.

Er ist Käser in Affoltern bei Bern und damit Chef, wenn es heute darum geht, die Milch in einen Laib zu verwandeln. Wir geben Lab und Bakterienkulturen zu, schneiden die Masse mit der Harfe, erhitzen den Kessel und rühren, rühren, rühren, damit nichts anbrennt.
Die Tür steht noch offen und gibt den Blick frei auf grüne Hügel, blauen Himmel, Kräuterwiesen und Kühe. Optimale Grundlage für Rohmilch. Viel Platz, viele Tiere, viel Käse. Tradition seit 700 Jahren.

«Jetzt wird es ernst», sagt Remund. Mit einem grossen Tuch heben wir die Masse aus dem Kessel und stopfen sie in einen Holzring. Pressen, Lagern, Pflegen. In vier Monaten packt Remund den «Stöckli-Käse» in einen Karton und schickt ihn an unsere Adresse.
Knolle und Blaues Hirn aus Belp
Dass auch Frauen Käse machen (können), sieht man in Belp. Obwohl der Herbst bunte Blätter durch die Strassen peitscht, drücken Passanten ihre Nasen an die hohen Glasscheiben und schauen nach drinnen, wo Edith Zwahlen Knoblauch-Frischkäse zu Kugeln formt und dann in feinem Pfeffer rollt.

Die gläserne Produktion ist neu, der Käse hat Tradition seit 35 Jahren. Was aus Ediths Händen purzelt, ist die Belper Knolle, eine Rarität, die in Spezialläden in London verkauft wird und auch in die USA geht.
Sie reift ein paar Wochen, dann kann man sie wie Trüffel über Pastagerichte hobeln. «Heute ist die Knolle fest in Frauenhand», sagt Edith und lächelt ihren beiden Kolleginnen zu. Ein paar hundert Kugeln haben sie noch vor sich.
Dann ist das «Blaue Hirn» dran, das genauso aussieht, wie es heisst. Man kann es nebenan im Geschäft kaufen, wo es auch Raclette mit Whisky, Chili oder Lavendel gibt.
Qual der Wahl beim Berner «Chäsbueb»
Bekannt für seine feine Raclette-Auswahl ist der «Chäsbueb», ein Fachgeschäft im Herzen Berns. Insgesamt stehen mehr als 300 Sorten Käse zur Wahl.
«Manchmal ist es eine Qual», sagt Jolanta Reber und lächelt. Sie soll eine Käseplatte zusammenstellen und packt immer noch was auf Probierbrett. «Wenn ich anfange, denke ich immer, das muss auch drauf. Und das und das.» Am Ende sind es 14 Häppchen, und die Verkäuferin bittet in den Keller zur Probe.
Obwohl sie nicht mitisst, kann sie genau beschreiben, wie sich der Petit Arvine im Mund entfaltet: «Erst die Explosion an den Backen, dann das Echo am Gaumen und es beisst ein bisschen im Hals.»
Als der Alpkäse dran ist: «Das Aroma erinnert an eine blühende Wiese in den Bergen.» Hier ein Käse, der mit Kohlenasche veredelt wurde, dort ein Rotschmierkäse: «fliessend, cremig, da schlägt das Herz schneller.»
Zwischendurch erklärt sie die Ziegenkäsepyramide, die im Reifeschrank in ihrem Rücken auf den richtigen Zeitpunkt zum Verzehr hinarbeitet. Ach ja, da liege noch ein Prunkstück im Regal, ein Alpkäse aus dem Jahr 2007, bewacht von Wilhelm Tell, der in die Rinde eingeschnitzt ist.
Fondue mit saurem Most vom «Chäsbueb»
Wer den «Chäsbueb» verlässt und die Nase in den Wind hält, kann schon die «Chäshütte» schmecken, ein weiteres Spezialgeschäft in der Berner Altstadt.
Der Renner dort sind Bier und saurer Most. Dabei schenkt Patrick Bärfuss, der das 130 Jahre alte Geschäft betreibt, keinen einzigen Tropfen aus. Vielmehr giesst er aus der Flasche direkt ins Päckli, in dem ein Kilo geriebener Käse auf den finalen Schuss Alkohol wartet.

«Der Most ist neutral, so hat man den vollen Käsegeschmack und es liegt nicht so schwer im Magen.» Mehr als eine Tonne Käsefondue verkauft Bärfuss im Durchschnitt pro Monat.
1000 Tüten, alle von Hand befüllt. Natürlich gibt es auch noch die Klassiker-Kunden, die auf Weisswein stehen. Wer sich etwas gönnen will, bestellt mit Prosecco oder gar Champagner.
Bärfuss selbst ist Purist, kippt in sein eigenes Fondue weder Kirsch noch sonst etwas. «Im Prinzip ist aber alles möglich, von Steinpilzen über Blauschimmel bis Speck.»
Bärfuss ist Quereinsteiger, hat das Geschäft vor zwölf Jahren mit seinem Bruder übernommen, weil ihm ein «authentisches Produkt» mehr gebe. Vorher hat er bei einer Kunststoff-Firma gearbeitet. «Jetzt mache ich Menschen mit Käse glücklich. Das ist mir viel lieber.»
Fondue mit Aussicht im Rosengarten
In der «Chäshütte» sollte man sich also die Käse-Mischung für zuhause mitnehmen. Wer gleich in Bern (sein Brot) ins Fondue eintauchen will, kann aus vielen Restaurants auswählen.
Fondue mit feiner Aussicht gibt es im Restaurant «Rosengarten». Der Gast blickt durch grosse Scheiben auf Bern. Achtung: nicht ablenken lassen vom Panorama und immer fleissig rühren, damit nichts anbrennt.
Wer noch keine grosse Fondue-Erfahrung hat, sollte im Restaurant «Zunft zu Webern» vorbeischauen. Das Service-Personal erklärt genau, wie es geht, denn dort hat man schon so manche Überraschung mit US-Amerikanern und Asiaten erlebt, die Stücke vom Fleisch-Fondue in den Käse geschmissen haben.
«Oder sie haben alles auf einmal in den Fonduetopf geworfen: Brotscheiben am Stück und alles Gemüse», erzählt Geschäftsführer Simon Wenger, der manchmal auch in der Küche steht.
Er und sein Team planen sogar, in Zukunft Fondue-Seminare für Auswärtige zu geben. Im Übrigen ist Wenger der Meinung: «Käsefondue wird häufig unterschätzt. Es muss auf jeden Fall 15 Minuten köcheln, damit eine gute Bindung da ist.» Zur Verdauung empfiehlt er einen Altstadt-Bummel.
100-Kilo-Räder in Zäziwil
Wir hingegen steigen zum Schluss in den Zug und reisen nochmal ins Emmental. In Zäziwil befindet sich die Käserei Eyweid, für die viele fleissige Leute arbeiten. Und auch eine Handvoll Roboter. Im Reifelager stapeln sich die Käseräder bis an die Decke.
Zig Tausend Laibe werden dort gehegt und gepflegt, damit sie eines Tages in voller Pracht bei der «Chäshütte», beim «Chäsbueb» oder irgendwo sonst in der Welt in einer Käsetheke landen.
Aber wer soll 100-Kilo-Räder Emmentaler drehen und wenden? Das machen eben Roboter, die zwischen den Regalreihen durchfahren, den Käse mit langen Armen huckepack nehmen, in die Höhe heben und wieder einsortieren.
Ein anderer Roboter pflegt Raclette-Blöcke. Je drei Blöcke kommen gleichzeitig in die Kammer, wo schrubbende Bürsten warten. Danach geht es zurück ins Regal, solange, bis der Roboter wieder vorbeikommt…
«World Cheese Awards» in Bern
Wer jetzt Lust auf Käse hat, sollte vom 13. bis 15. November nach Bern reisen. Bei den «World Cheese Awards» in der neuen Festhalle kommen rund 5000 Käse aus 50 Ländern auf den Tisch. 250 Experten aus aller Welt wählen die besten Sorten.

Besucher können auf dem «Swiss Fine Food Market» Löcher in den Käse futtern. Ausserdem gibt es ein Rahmenprogramm mit Konzerten und Unterhaltung rund um die Festhalle.








