EZB: Urteil sieht Kauf von Staatsanleihen als verfassungswidrig an
Das Anleihenkaufprogramm der EZB ist umstritten. Nun stellt sich das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem Urteil gegen das Vorhaben.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Bundesverfassungsgericht stellt sich gegen den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB.
- Entsprechende Klagen wurden am Dienstag überwiegend gutgeheissen.
- Das Urteil ist brisant, man widerspricht damit dem EuGH.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit einem europapolitisch brisanten Urteil gegen das Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) beim Staatsanleihenkauf gestellt.
Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe gab am Dienstag Klagen gegen das Anleihenkaufprogramm überwiegend statt. Es setzte sich damit über ein anderslautendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinweg. Die EZB erklärte, sie werde weiter «alles Notwendige» tun, um für Preisstabilität zu sorgen.
Die Karlsruher Verfassungsrichter mussten über das bereits im Jahr 2015 gestartete EZB-Programm PSPP (Public Sector Purchase Programme) entscheiden. In dessen Rahmen pumpte die Zentralbank bis Ende 2018 bereits 2,6 Billionen Euro in die Finanzmärkte. Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass die Beschlüsse der EZB gegen deren Kompetenzen verstiessen.
EZB will weiter für Preisstabilität sorgen
Die Zentralbank hätte demnach prüfen müssen, ob die Massnahmen verhältnismässig sind. Bundesregierung und Bundestag wiederum hätten Grundrechte verletzt, weil sie nicht dagegen vorgegangen seien. Einen Verstoss gegen das Verbot einer monetären Haushaltsfinanzierung in den Eurostaaten stellte das Verfassungsgericht aber nicht fest.
Die EZB kündigte am Abend an, trotz des Urteils weiter «alles Notwendige» zu tun, um die Preisstabilität sicherzustellen. Die geldpolitischen Massnahmen sollen «auf alle Teile der Wirtschaft und auf alle Gerichtsbarkeiten der Eurozone übertragen werden».
Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts verpflichtete die Bundesregierung, auf eine Verhältnismässigkeitsprüfung durch die EZB hinzuwirken. Der Bundesbank wurde es untersagt, nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten an den entsprechenden EZB-Beschlüssen weiter mitzuwirken. Ausser, wenn sie nachvollziehbar darlegt, dass die Massnahmen verhältnismässig sind.
Urteil widerspricht Europäischem Gerichtshof
Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle hob zudem hervor, dass aktuelle Programme der EZB in der Corona-Krise nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen seien. Es gehe um die Verpflichtung der EZB, bei dem angegriffenen Programm eine Verhältnismässigkeitsprüfung vorzunehmen.
Für Konfliktstoff könnte sorgen, dass sich das Bundesverfassungsgericht offen gegen ein anderslautendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellte. Der vom Verfassungsgericht angerufene EuGH hatte im Dezember 2018 die Anleihenkäufe als rechtens eingestuft. Der Sichtweise der Luxemburger Kollegen wollten die Karlsruher Richter aber nicht folgen.
Die EU-Kommission hat nach dem Urteil das Prinzip des Vorrangs europäischer Rechtsprechung betont. Die Kommission werde das Urteil aus Karlsruhe nun eingehend prüfen, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde.