Theater Basel sucht explizit magersüchtige Darsteller
Ein Aufruf, der Experten entsetzt: Das Theater Basel sucht öffentlich nach magersüchtigen Laiinnen und Laien. Nun lädt die Regisseurin zum Dialog ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Theater Basel publizierte einen Aufruf für das Stück «Jeanne Dark» von Lies Pauwels.
- Darin wird spezifisch nach akut magersüchtigen jungen Menschen gesucht.
- Nach scharfer Kritik von Fachärzten sucht das Theater nun den Dialog.
Es ist ein Aufruf, der bei Fachärzten und Psychiatern für Schrecken sorgt. Das Theater Basel veröffentlichte einen Casting-Aufruf für das Stück «Jeanne Dark». Gesucht werden magersüchtige Darsteller.
«Wir suchen dezidiert nach Personen, die kein gutes Normalgewicht haben und in therapeutischer Betreuung sind.»
So lautet der Aufruf, der auf der Webseite publiziert wurde. Die Suche nach jungen, akut unter Anorexie leidenden Schauspielern wurde per E-Mail auch an zahlreiche Ärzte versendet. Dies berichtet die «Basler Zeitung».
Regisseurin lädt zum Dialog ein
Die scharfe Kritik an diesem Vorgehen hat die Verantwortlichen des Theaters erreicht.
Mittlerweile wurde der Casting-Aufruf, den das Theater Basel veröffentlicht hatte, von der Webseite gelöscht. Er ist nicht mehr auffindbar.
Heike Anne Neumann von der Kommunikationsabteilung beim Theater Basel äussert sich nun gegenüber Nau.ch. Man nehme alle Reaktionen auf das künstlerische Konzept sehr ernst. Das Theater befinde sich aktuell in einem Rechercheprozess, der keinesfalls abgeschlossen sei.
Bereits zuvor hatte die Regisseurin des Stücks, Lies Pauwels, zu einem informellen Austausch eingeladen. Die Einladung dafür wurde an zahlreiche Experten versandt — unter anderem auch an interessierte magersüchtige Darsteller.
In ihrem online einsehbaren Konzept schreibt die 57-Jährige, sie wolle «verstehen, was es bedeutet, süchtig danach zu sein, nicht zu essen». Bekannt sei, dass die historische Figur des Stücks, Jeanne d’Arc, sehr wenig ass.
«Ihr Fasten war zum Teil ein Ausdruck ihrer Überzeugungskraft, ihrer bemerkenswerten Mission. Sie hatte einen starken Willen. Der Wille kann nur wirksam sein, wenn er auf etwas gerichtet ist: Der Wunsch, eine Heilige zu werden!»
Pauwels schreibt, sie glaube, dass eine bedeutungsvolle Begegnung zwischen der historischen Heiligkeit und der modernen Anorexie etwas Kraftvolles hervorbringen könne.
Vorgehen «ethisch-moralisch fragwürdig»
Die Basler Jugendpsychiaterin Anja Müller findet das Vorgehen des Theaters ethisch-moralisch fragwürdig, wie sie gegenüber der Zeitung erklärt.
«Es käme auch niemand auf die Idee, auf der Onkologie nach schwer kranken Krebspatienten für ein Theaterstück zu suchen.»
Das Stück soll ausserdem über einen Zeitraum von sieben Monaten aufgeführt werden. Die Rolle würde der Erkrankung eine Bühne bieten, sie geradezu «romantisieren».
«Da die Laiendarstellerinnen und -darsteller ausdrücklich untergewichtig sein müssen, dürfen sie eigentlich bis dahin nicht gesund werden», sagt Müller.
Zahl der Essgestörten wächst rasant
Die aktuellen Zahlen zu Essstörungen alarmieren. Immer mehr junge Menschen werden aufgrund einer Magersucht, Bulimie oder wegen Essanfällen ins Spital eingeliefert — vor allem Frauen.
Im Vergleich zum Jahr 2018 mussten 2023 fast doppelt so viele junge Frauen stationär behandelt werden. Social Media befeuert das Risiko für Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper noch mehr.
«Wenn die eigene Identität noch nicht gefestigt ist, können übersteigerte Ansprüche an das eigene Aussehen zur grossen Belastung werden.» Das sagte Psychologin Franziska Klemm kürzlich gegenüber Nau.ch.
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Brauchst du Hilfe?
Bist du selbst oder jemand in deinem Umfeld von einer Essstörung betroffen? Dann kannst du die Dargebotene Hand (www.143.ch) kontaktieren.
Unter der kostenlosen Hotline 143 erhältst du anonym und rund um die Uhr Hilfe von Beraterinnen und Beratern. Sie können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über Einzelchat oder eine anonyme Beratung via E-Mail sind möglich.