Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen – Warnsignale erkennen

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Der Umgang mit Essen, Körper und Gewicht wird für viele Kinder bei uns früh zur Herausforderung. Nicht selten sind Essstörungen die Folge. Was Sie tun können.

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Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter einer Essstörung. - Depositphotos

Wenn ein Kind an einer Essstörung leidet, fühlt sich das Leben für die ganze Familie plötzlich anders an. Die Mahlzeiten, die einst Momente der Nähe waren, werden zu schwierigen Herausforderungen.

Angst, Unsicherheit und das Gefühl der Hilflosigkeit begleiten viele Eltern auf diesem Weg. Doch es gibt Hoffnung und konkrete Wege, wie Sie Ihr Kind unterstützen können.

Was genau sind Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen?

Essstörungen sind ernsthafte psychische Erkrankungen, die sich im Essverhalten und in der Beziehung zum eigenen Körper niederschlagen. Sie treten häufig schon im Kindes- und Jugendalter auf, in einigen Fällen bleiben körperliche wie seelische Folgen bis weit ins Erwachsenenalter bestehen.

massband waage
Geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus und depressive Verstimmungen erhöhen das Risiko für Essstörungen. - Depositphotos

Zu den häufigsten Formen der Essstörungen zählen Magersucht (Anorexie), Ess-Brech-Sucht (Bulimie) und das sogenannte Binge Eating.

Es gibt nicht «die eine» Ursache für eine solche Erkrankung. Sie reichen von genetischen Faktoren bis zu gesellschaftlichen Einflüssen; oft spielen auch familiäre oder persönliche Belastungen eine Rolle.

Magersucht: Wenn der Hunger zur Gefahr wird

Bei der Magersucht essen die Betroffenen über längere Zeit sehr wenig; ein starker Gewichtsverlust ist die Folge. Das Abnehmen wird zum Beweis der Selbstkontrolle; häufig ist, mehr als eine bestimmte Ziffer auf der Waage ein bestimmtes Körpergewicht das Ziel.

Typische Anzeichen für Aussenstehende sind ein deutlich zu niedriges Gewicht bei der betroffenen Person, meist verbunden mit konstantem Kalorienkalkül. Ausserdem vermeidet die betroffene Person mit zig Vorwänden gemeinsame Mahlzeiten, zieht sich sozial zurück und zeigt Veränderungen im Wesen, wie zum Beispiel depressive Verstimmungen oder Emotionslosigkeit.

magersucht mädchen
Der Erkrankungsgipfel bei Magersucht lag früher bei etwa 15 Jahren, inzwischen erkranken aber auch immer mehr jüngere Kinder, teils schon im Alter von acht oder neun Jahren. - Depositphotos

Die Erkrankung tritt meist in der Pubertät auf, kann aber auch schon bei jüngeren Kindern beginnen und auch erwachsene Menschen können ihr zum Opfer fallen. Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen, doch auch Jungen können an Magersucht erkranken.

Bulimie: Der Kreislauf von Essanfällen und Erbrechen

Bulimie ist gekennzeichnet durch wiederholte Essanfälle, bei denen grosse Mengen an Nahrung in kurzer Zeit aufgenommen werden. Anschliessend versuchen die Betroffenen durch Erbrechen, Fasten, übermässigen Sport oder den Missbrauch von Abführmitteln eine Gewichtszunahme zu verhindern.

Betroffene essen und erbrechen oft heimlich, begleitet von starken Schuld- und Schamgefühlen. Gleichzeitig haben auch an Bulimie Erkrankte eine gestörte Wahrnehmung ihres Körpers und sind übermässig mit ihrem Gewicht und Aussehen beschäftigt.

mädchen finger im mund
Bulimie bleibt oft lange unentdeckt, da die Betroffenen ihre Essanfälle und das Erbrechen häufig verheimlichen. - Depositphotos

Trotz der Essstörung sind die Betroffenen häufig normalgewichtig, Schwankungen im Gewicht sind dabei nicht ausgeschlossen. Bulimie kann zu gesundheitlichen Problemen wie Zahnschäden, Halsschmerzen und Magenbeschwerden führen; in manchen Fällen geht sie in eine Anorexie über.

Binge-Eating-Störung: Essanfälle verborgen vor anderen

Auch bei der Binge-Eating-Störung kommt es zu «Fressattacken». Während dieser Essanfälle haben die Kinder das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren zu haben.

Im Gegensatz zur Bulimie versuchen Betroffene mit einer Binge-Eating-Störung nach den Essattacken nicht, das Gegessene auszugleichen. Die Essanfälle treten häufig unabhängig von Hungergefühlen auf und werden oft durch negative Emotionen wie Ärger, Trauer oder Stress ausgelöst.

binge eating
Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Form der Essstörung bei Mädchen und Frauen, noch vor Bulimie und Magersucht. - Depositphotos

Betroffene Kinder sind häufig übergewichtig. Ähnlich der Bulimie leiden sie unter Schuldgefühlen, Scham und niedrigem Selbstwertgefühl, besonders nach den Essanfällen.

Erste Anzeichen erkennen und richtig reagieren

Kinder mit Essstörungen ziehen sich oft zurück, werden reizbar oder wirken traurig. Es kann schwerfallen, mit ihnen über das Thema zu sprechen, besonders wenn sie ihr Problem nicht erkennen wollen und gerade auch dann, wenn Ursachen viel tiefer liegen und erst gefunden werden müssen.

Bleiben Sie als Eltern ruhig und liebevoll und fokussieren Sie nicht das Essverhalten oder Aussehen Ihres Kindes, sondern seine und Ihre Gefühle. Sätze wie «Ich mache mir Sorgen, weil du nicht glücklich wirkst» sind hilfreicher als Vorwürfe oder Bewertungen.

Im Austausch ist Geduld gefragt, eine Essstörung hat immer eine längere Vorgeschichte. Geheimniskrämerei und Ablehnung sind Teil der Erkrankung und kein Zeichen fehlender Liebe.

Psychotherapie ist der wichtigste Schritt

Die Behandlung von Essstörungen basiert vor allem auf psychotherapeutischen Verfahren, meist in Form von Einzel- oder Gruppentherapie. Primäres Ziel ist es, schädliche Gedanken- und Verhaltensmuster bei den Betroffenen zu erkennen und hier zur Veränderung anzusetzen.

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Die Therapie hilft, psychische Ursachen der Essstörung zu erkennen und zu bearbeiten, insbesondere dysfunktionale Gedanken- und Verhaltensmuster. - Depositphotos

Auch Ernährungsberatung spielt eine wichtige Rolle, gemeinsam mit dem Kind erstellt sie individuelle Essenspläne. Bei Bedarf werden auch medizinische Massnahmen ergriffen, etwa zur Gewichtszunahme oder zur Behandlung von Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Je nach Schweregrad erfolgt die Behandlung ambulant, tagesklinisch oder stationär und umfasst oft auch kreative, bewegungs- oder erlebnisorientierte Therapieangebote.

Wieder gemeinsam essen (lernen)

Mahlzeiten sind für Familien mit einem essgestörten Kind besonders belastend. Manchmal ist es wichtig, eine externe Vertrauensperson zu finden, in deren Gegenwart das Essen wieder erlernt werden muss und auch kann, bevor es wieder in den Kreis der Familie gehen kann.

Gemeinsame Essenspläne, die mit dem Kind abgestimmt werden, schaffen Klarheit und Sicherheit. Sprechen Sie während der Mahlzeiten nicht über Portionen, Kalorien oder Diäten.

mutter und tochter kochen
Gemeinsames Kochen und Essen kann bei essgestörten Kindern Ängste abbauen. - Depositphotos

Stattdessen sollte die Atmosphäre möglichst entspannt und positiv gehalten werden, auch wenn es schwerfällt. Nach dem Essen lenkt eine gemeinsame Aktivität – wie ein Spiel, ein Film oder eine Routine, die ihm gefällt – das Kind von belastenden Gedanken ab.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Informieren Sie sich selbst über Essstörungen und zeigen Ihrem Kind, dass es immer geliebt und angenommen wird. Ehrliche Gespräche über eigene Gefühle fördern das Vertrauen in der Familie.

Gehen Sie als Vorbild voran: Ein ausgewogenes Essverhalten und ein gesunder Umgang mit dem eigenen Körper wie anderen Körpern in der Gesellschaft (dick, dünn, hässlich, farbig, alt et cetera) geben Orientierung. Lob und Anerkennung für positive Eigenschaften oder Erfolge stärken das Selbstbewusstsein des Kindes.

Die Betreuung eines Kindes mit Essstörung ist auch für Eltern eine grosse Belastung. Suchen Sie sich Unterstützung – sei es durch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder das Gespräch mit dem Hausarzt.

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