Das Parlament heisst die revidierte Strafprozessordnung gut. Das Teilnahmerecht von Beschuldigten wird aber eingeschränkt.
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Eine Zeichnung von einer Gerichtsverhandlung. - sda - KEYSTONE/KARIN WIDMER
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Das Wichtigste in Kürze

  • Auch der Ständerat hat der revidierten Strafprozessordnung zugestimmt.
  • Er will auch das Konzept zur restaurativen Gerechtigkeit nicht in die Vorlage aufnehmen.
  • Sonst griff der Ständerat grundsätzlich auf die Ideen des Bundesrats zurück.

Das Parlament hat die revidierte Strafprozessordnung grundsätzlich gutgeheissen. Nach dem Nationalrat hat ihr am Dienstag auch der Ständerat mit 29 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt. Er schränkte aber das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Beweiserhebungen im Gegensatz zum Nationalrat ein.

Anders als der Nationalrat will der Ständerat zudem auch das Konzept der sogenannten restaurativen Gerechtigkeit nicht in diese Vorlage aufnehmen.

Er hat entschieden, die Regulierung des Mediationsverfahrens in einer separaten Vorlage zu behandeln. Es sei kein Entscheid gegen das Thema selbst, eine Mediation könne durchaus sinnvoll sein, sagte Kommissionssprecher Daniel Jositsch (SP/ZH).

Der Rat hat deshalb eine Motion überwiesen. Der Bundesrat soll eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der restaurativen Gerechtigkeit in der Strafprozessordnung (StPO) auszuarbeiten. Dieses Konzept sieht vor, dass sich beide Parteien eines Verfahrens auf eine Mediation einigen können. Deren Ergebnis kann die Strafverfolgungsbehörde berücksichtigen.

Ständerat greift auf Lösung des Bundesrats zurück

In weiteren wesentlichen Punkten ging der Ständerat zurück auf die Lösungen des Bundesrats, wie Jositsch in der Eintretensdebatte darlegte. Entsprechend zahlreich sind die Differenzen, die nun wieder zurück in die grosse Kammer gehen.

Heikelster Punkt zwischen den Räten ist das sogenannte Teilnahmerecht von Beschuldigten. Hierbei geht es auch um die Frage, wie weit die Austauschmöglichkeiten unter Beschuldigten im Rahmen von Einvernahmen eingeschränkt werden sollen. Der entsprechende Artikel zielt insbesondere auf den Umgang mit Bandenkriminellen während der Beweisaufnahme ab.

«Wie würden wohl die 'Tatort'-Kommissare Batic und Leitmayr diese Verhöre führen?», fragte Heidi Z'Graggen (FDP/UR). «Sicher nicht, wenn alle Beschuldigten im Raum wären.»

Insbesondere, wenn hinten im Raum der Bandenchef sitze. Bei einer solchen Konstellation Widersprüche beziehungsweise die Wahrheit zu finden, sei quasi unmöglich.

Faire Verfahren sollen garantiert werden

Der Nationalrat will das Teilnahmerecht der Beschuldigten an Einvernahmen im Gegensatz zum Bundesrat und Ständerat aber nicht einschränken. Nach geltendem Recht dürfen alle Parteien im Verfahren an allen Beweiserhebungen teilnehmen. Dabei will der Nationalrat bleiben, um faire Verfahren zu garantieren.

Der Bundesrat beantragte, dass Beschuldigte bei Beweiserhebungen nicht dabei sein dürfen, bevor sie sich selbst einlässlich geäussert haben. Gemeint sind die bereits erwähnten Einvernahmen von Zeugen oder Personen, die im selben Verfahren beschuldigt sind.

Der Ständerat verhalf nun einem neuen Antrag seiner Kommission teilweise zum Durchbruch. Dieser sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person vor der Einvernahme einer anderen beschuldigten Person ausschliessen kann. Dies, solange die beschuldigte Person ausserhalb des Haftverfahrens nicht einvernommen worden ist.

Kommissionsvorschlag wurde abgelehnt

Abgelehnt hat das Plenum dagegen den Vorschlag der Kommission. Als Ausgleich soll zur Wahrung der Verteidigungsrechte die Einvernahme unverzüglich erfolgen muss, wenn der Verdächtige bereits in Untersuchungshaft sitzt.

Für die siegreiche Kommissions-Minderheit ist die Frist aus praktischen Gründen nicht umsetzbar. Technische Auswertungen und Zeugenbefragungen dauerten in aller Regel länger. Man riskiere deshalb, dass dem Beschuldigten nichts vorgehalten werden könne. Der Rat folgte dieser Argumentation und kippte die Frist.

DNA-Profile sollen besser verwendet werden können

Beim Umgang mit DNA-Profilen will der Bundesrat die Praxis des Bundesgerichts ins Gesetz schreiben. Profile sollen nicht nur zur Aufklärung jener Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch für die Aufklärung früherer oder künftiger Taten verwendet werden können.

Dabei bedarf es laut Beschluss des Ständerates vom Dienstag wie für den Bundesrat «konkreter Anhaltspunkte». Dem Nationalrat genügt dafür eine «gewisse Wahrscheinlichkeit».

Die Schweizerische Strafprozessordnung ist erst seit 2011 in Kraft. Zuvor hatten der Bund und jeder Kanton eigene Regeln. Schon kurz nach deren Inkrafttreten wies die Praxis auf Probleme hin, es folgten parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat hat die Anliegen nun in einer Vorlage zusammengefasst.

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