Gegenvorschlag: Ständerat will Neutralität in Verfassung schreiben
Die Neutralitäts-Initiative der SVP lehnt der Ständerat zwar ab. Der Gegenvorschlag gefällt dagegen beiden Lagern.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Ständerat sagt nein zur Neutralitäts-Initiative der SVP.
- Ein abgespeckter Gegenvorschlag findet aber eine Mehrheit.
- Sowohl Befürworter wie Gegner der Initiative «können damit leben.»
Der Ständerat hat am Donnerstag die Neutralitäts-Initiative der SVP mit 35 zu 8 Stimmen abgelehnt. Er will kein Verbot von Sanktionen auf Verfassungsebene. Allerdings möchte er dennoch die dauerhafte, bewaffnete Neutralität in der Bundesverfassung festschreiben. Eine klare Mehrheit von 27 zu 15 Stimmen sprach er sich für einen direkten Gegenvorschlag aus.
«Pro-Russland-Initiative»
Das Volksbegehren verlangt, sowohl die immerwährende, bewaffnete Neutralität als auch ein weitgehendes Verbot von Sanktionen in die Verfassung zu schreiben. Vorbehalten wären lediglich Sanktionen, die der Uno-Sicherheitsrat beschliesst. Möglich wären auch Massnahmen, um die Umgehung von Sanktionen anderer Staaten zu verhindern.

Dem Initiativtext merke man an, dass er unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs entstanden sei, sagt Ständerat Matthias Michel. Die SVP habe gefunden, sie wolle keine Wirtschaftssanktionen mehr. «Selbst wenn jemand wie Russland völkerrechtswidrig handelt.»
Deshalb haben man auch von der FDP aus gesagt: «Das ist eigentlich eine Pro-Russland-Initiative.»
Initiativtext zu einschränkend
Dem Entscheid des Ständerats ging eine rund dreistündige Debatte voraus. «Mit dem neuen Artikel würde sich die Schweiz selbst fesseln anlegen», warnte Tiana Angelina Moser (GLP/ZH). Der Fall der Ukraine zeige, dass Sanktionen im Interesse der Schweiz sein könnten. «Die Initiative gefährdet unsere Glaubwürdigkeit und unsere internationalen Beziehungen.»
Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) kritisierte, das Volksbegehren schade der Sicherheit der Schweiz. «Wir dürfen dann Bündnisse eingehen, wenn die ersten Panzer rollen. Ich bin nicht sicher, ob dann noch jemand Lust auf Bündnisse hat.»
Ausland stellt Neutralität infrage
Die Schweiz sei nicht etwa zu wenig neutral, betont Ständerat Hannes Germann (SVP/SH), aber: «Die Neutralität muss auch von aussen sichtbar sein. In letzter Zeit ist das eher infrage gestellt worden beziehungsweise man hat behauptet, wir seien nicht mehr neutral.»
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Die Initiative gebe einen schönen Kontrapunkt. Sie verpflichte auch den Bundesrat, sich innerhalb dieser Leitplanken zu bewegen. Leitplanken, die der Mehrheit des Ständerats aber zu eng gesteckt sind.
Neutralitäts-Initiative: Gegenvorschlag überzeugt beide Lager
Eine starke Minderheit der vorberatenden Ständeratskommission wollte zwar das erste Anliegen der Initianten aufnehmen, nicht aber das Sanktionsverbot. Der Rat folgte diesem Vorschlag schliesslich.
Der Gegenvorschlag nehme sicher der Initiative ein Stück weit den Wind aus den Segeln, räumt SVPler Germann ein. Doch das sei nicht weiter schlimm. «Insgesamt finde ich den Gegenvorschlag eine gute Basis. Jetzt hoffe ich, dass die Neutralität endlich in die Verfassung aufgenommen wird.»

Damit könnte auch Ständerat Michel leben – obschon die Neutralität seiner Meinung nach schon in der Verfassung drinstehe. «Mit dem Gegenvorschlag nimmt man das auf, was heute gilt. Die Angst ist etwas, das man mehr hineininterpretiert.»
Die Frage sei, ob man diesen Zusatz in der Verfassung nun brauche oder nicht. «Aus meiner Sicht gibt es keinen Handlungsbedarf», betont Michel. «Aber wenn man etwas in die Verfassung schreiben will, wär das das, was noch am wenigsten stört.»
Der Bundesrat trat dafür ein, die Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Als Nächstes muss der Nationalrat über die Initiative befinden.