Franken

Ostschweizer Anwalt zockte jahrelang Erben ab

Sina Barnert
Sina Barnert

Stadt St. Gallen,

In der Ostschweiz treibt ein Anwalt über Jahre hinweg sein Unwesen. Er zockt Erbinnen und Erben seiner verstorbenen Kundschaft ab – ohne dass Banken reagieren.

Erbe Anwalt Abzocke
Ein Anwalt und Willensverwalter unterschlug jahrelang das Erbe seiner toten Klientinnen und Klienten. Er soll fast 600'000 Franken ergaunert haben. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Jahrelang zockte ein Ostschweizer Anwalt die Erben seiner verstorbenen Klientel ab.
  • Bei der Schadenssumme soll es sich um 580'000 Franken handeln.
  • Auch die St. Galler Kantonalbank gerät wegen des Vorwurfs der Gehilfenschaft ins Visier.

Ein Anwalt soll nach Angaben in der Ostschweiz jahrelang Erben abgezockt haben. Die Staatsanwaltschaft von St. Gallen beziffert den möglichen Schaden der Erben auf rund 580'000 Franken.

Begonnen hat er mit der Masche offenbar bereits im Jahr 2013. Er zog sie bis ins Jahr 2022 durch.

Das von den Erben abgezweigte Geld verwendete der Anwalt laut der «Sonntagszeitung» für seine Kanzlei. Etwa, um Löhne und Mietkosten zu bezahlen.

Auch NGOs und Firmen unter den Geschädigten

Der Anwalt habe aber auch immer wieder Geld auf sein Privatkonto überwiesen, oder es sich bar auszahlen lassen. Alles offenbar ohne bei den Banken Skepsis aufkommen zu lassen.

Nebst Privatpersonen zählen auch Hilfsorganisationen wie Unicef oder Ärzte ohne Grenzen zu den Geschädigten.

Hast du schon einmal etwas geerbt?

Hinzu kommen mutmasslich geschädigte Firmen, in denen der Anwalt als Verwaltungsratsmitglied oder Geschäftsführer sass. Der Beschuldigte soll dort Beträge von insgesamt über einer Million Franken abgezogen haben.

Hob grosse Summen in bar ab

Wie perfid der Willensvollstrecker bei seiner Veruntreuung vorging, illustriert die «Sonntagszeitung» anhand der Geschichte eines Geschädigten. Dieser bekam von seiner verstorbenen Gotte 100'000 Franken vermacht.

Vom Geld sah er aber nie etwas. Denn: Als der Erbe nach einer Trauerphase zum ersten Mal nach dem Erbe fragt, hat der Anwalt das meiste bereits ausgegeben.

Das geht aus den Gerichtsakten hervor. Diese zeigen auf, dass der Willensvollstrecker bereits drei Wochen nach dem Tod seiner Klientin erstmals 15'000 Franken in bar abhob.

«Er hat mich jahrelang vertröstet, bis am Ende kein Geld mehr da war»

Danach machte er weiter, bis das ganze Erbe durchgebracht ist. Dies, während der Erbe keinen Verdacht schöpft, weil er den Anwalt für vertrauenswürdig hält.

Gegenüber der «Sonntagszeitung» berichtet er: «Er hat mich jahrelang vertröstet, bis am Ende kein Geld mehr da war.»

Hätte die Bank einschreiten müssen?

Wegen seiner Unterschlagungen muss sich der Anwalt nun vor Gericht verantworten. Zudem haben Anwälte gegen einen Kundenberater der St. Galler Kantonalbank Anzeige eingereicht.

«Die Bank hat ihre Sorgfaltspflichten in grober Weise verletzt»

Dies, wegen des Verdachts auf Gehilfenschaft zur Veruntreuung. Und auch der betrogene Erbe fragt sich: «Ich kann nicht verstehen, warum die St. Galler Kantonalbank nicht früher eingegriffen hat.»

Und wieso die Bank sogar grosse Bargeldauszahlungen und Überweisungen auf das Ehekonto durchgehen liess. Seine Rechtsvertreter glauben: «Die Bank hat ihre Sorgfaltspflichten in grober Weise verletzt.»

Anders sieht das offenbar die St. Galler Kantonalbank: «Wir sehen keine Grundlage für eine Haftung.» Und verzichtet im Fall des Erben auf ein Schlichtungsverfahren.

Übrigens: Eine Raiffeisen-Studie zeigte kürzlich, dass viele Schweizer sich erst mit dem Thema Erbschaft auseinandersetzen, wenn sie damit selbst konfrontiert sind.

Kommentare

User #4803 (nicht angemeldet)

Ich war als Privatperson, mit dem notwendigen Wissen in Erbteilungen, als Willensvollstreckerin eingesetzt. Für meine eigene Sicherheit habe ich die Erben monatlich schriftlich über die Vorgänge, inklusive Kostenzusammenstellung, informiert. Wenn das gon einem Willensvollstrecker nicht von sich aus macht, liegt es an den Erben das zu verlangen.

User #3201 (nicht angemeldet)

Oh man - wenn die Story wiklich so stimmt, ist es m.E. nicht auch irgendwie grobfahrlässig seitens der Erben? Als unsere Eltern starben hatten wir zwar einen Treuhänder für steuerliche Angelegenheiten, aber ihm niemals einen autonomen Zugriff auf Konten gewährt. Sorry - aber irgendwie geht es auch darum, dass Erben Eigenverantwortung und Interesse an der Materie zeigen, Fragen stellen etc. Erben ist generell kein simples Thema, aber man sollte sich wirklich ernsthaft damit auseinandersetzen und das beginnt m.E. schon bei den Verträgen/Vollmachten für Erbenvertreter, Juristen, Treuhändern, Nachlassverwaltern etc. an.

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