Anlässlich seiner Jahresmedienkonferenz hat sich Datenschützer Adrian Lobsiger auch zu einer möglichen Covid-App-Pflicht in Clubs geäussert. Das gehe nicht.
Adrian Lobsiger spricht Klartext: Ein Download-Obligatorium für Clubbesucher sei gesetzeswidrig. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Datenschützer Adrian Lobsiger widerspricht einer möglichen Covid-App-Pflicht in Clubs.
  • Genau diese wollen Zürcher Clubbetreiber Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli vorschlagen.
  • Weiter sorgt sich Lobsiger um eine zunehmende Durchlöcherung des Öffentlichkeitsgesetzes.

Er hatte sich energisch dafür eingesetzt. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Adrian Lobsiger trug dazu bei, dass der Download der SwissCovid App freiwillig ist.

Im Nachgang zum Zürcher Superspreader im «Flamingo» und den Mängeln im herkömmlichen Contact Tracing wackelt diese Freiwilligkeit nun aber. Offenbar wollen Zürcher Clubbetreiber Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli am Dienstagabend eine Download-Pflicht der Partygäste schmackhaft machen. Sonst gäbe es keinen Einlass.

Corona Warn App
Die SwissCovid-App gilt als Ergänzung zum herkömmlichen Contact Tracing des Coronavirus der Kantone. - Keystone

«Das geht nicht», sagt Lobsiger dazu. «Es würde gegen die Anpassung des Epidemiengesetz verstossen.» Selbst bei einer Downloadpflicht sei nicht gegeben, dass das Contact Tracing dann besser funktioniere. «Wer kontrolliert, ob die Gäste nicht das Bluetooth ausschalten», fragt Lobsiger rhetorisch.

Tilsiter statt Emmentaler

Der EDÖB trat am Dienstagmorgen vor die Medien, um seinen alljährlichen Tätigkeitsbericht zu präsentieren. Darin hebt Lobsiger die Wichtigkeit einer liberalen Datenpolitik hervor.

Punkto Öffentlichkeitsgesetz funktioniere die Herausgabe von Informationen seitens der Bundesverwaltung immer besser. Jedoch bereitet dem 60-Jährigen die «zunehmende Durchlöcherung» des Gesetzes Sorgen. «Es kann nicht sein, dass dieses zunehmend zu einem Emmentaler, statt eines Tilsiters wird.»

Adrian Lobsiger zu den Bestrebungen, das Öffentlichkeitsgesetz zunehmend zu verwässern. - Nau.ch

Beispielsweise im UVEK, wenn es um Zwischenfälle bei der Organisation der Bahninfrastruktur gehe, aber auch in der Zollverwaltung seien solche Bestrebungen zu beobachten. «Wenn sich einzelne Bereiche des Staates zu Dunkelkammern machen, ist das nicht gut und schürt Verschwörungstheorien.»

Hohes Missbrauchsrisiko

Wichtig sei weiter die baldige Umsetzung der Reform des Datenschutzgesetzes. Voraussichtlich in der Herbstsession könnte die Vorlage vom Parlament verabschiedet werden und 2022 in Kraft treten.

Generell will der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte die Schweiz als wettbewerbsfähige digitale Nation etablieren. Dabei aber die Privatsphäre nicht aus den Augen verlieren. Das technische und wirtschaftliche Potenzial für Eingriffe in die Privatsphäre und Selbstbestimmungsrechte der Bevölkerung bleibe hoch.

Datenschutz
Wichtig sei auch die baldige Umsetzung der Reform des Datenschutzgesetzes, sagt Adrian Lobsiger. (Symbolbild) - Keystone

So gingen immer mehr Private dazu über, biometrische Daten in grossen Mengen automatisiert zu bearbeiten. Lobsiger rechnet damit, dass auch die Polizeiorgane von Bund und Kantonen bald Gesetze zur breiten polizeilichen Anwendung von Gesichtserkennungstechnologie forderten. «Solche wären aus Sicht des Beauftragten problematisch», heisst es im Bericht.

Datenklau verhindern

Weiter besorgten ihn auch die zwischen April 2019 und März 2020 zunehmend beklagten Verluste wie: Gesundheitsdaten, Personalkarteien, Kreditanträgen sowie Chat- und Mailinhalten. Mit jedem Datenklau steige das Meer ungeschützt zugänglicher Personendaten im Internet an und nehme die Privatsphäre schaden, schreibt Lobsiger.

In der Pflicht stünden insbesondere die Betreiber grosser Clouds. Sie müssten die Sicherheit der Daten mit angemessenen technischen und organisatorischen Mitteln sicherstellen.

Datenklau
Zwischen April 2019 und März 2020 wurde zunehment über Datenverluste beklagt. (Symbolbild) - Keystone

An die Verantwortlichen digitaler Applikationen richtet Lobsiger den Appell, «dass sie hohe datenschutzrechtliche Risiken bereits im Planungs- und Projektstadium minimieren». Er plädiert weiter für den «selbstverantwortlichen Einsatz moderner Arbeitsinstrumente wie der Datenschutzfolgenabschätzung und gegebenenfalls auch die Einsetzung betrieblicher Datenschutzorgane».

Tiktok im Visier

Auf dem Radar hat der oberste Schweizer Datenschützer ferner verschiedene Verkehrsbetriebe mit ihren Ticketing Apps. Solche erwiesen sich oft als besonders heikel. Diese führten leicht zu Persönlichkeitsprofilen, die sich nur mit grossem Aufwand pseudonymisieren oder gar anonymisieren liessen.

Tiktok
Eine Jugendliche schaut sich auf ihrem Handy einen Tiktok-Beitrag an. - Keystone

Auch die bei Kindern und Jugendlichen beliebte Videoplattform Tiktok ist im Fokus des Schweizer Datenschützers. Lobsiger habe die chinesische Betreiberin der App kontaktiert, da die Nutzungsbestimmungen für Schweizer Kunden unklar seien. Nun steht er mit der britischen Datenschutzbehörde ICO in Kontakt, welche eine Abklärung gegen Tiktok eröffnet hat.

Zu wenig Personal

Lobsiger macht im Jahresbericht darauf aufmerksam, dass er nicht alle an ihn gestellten Erwartungen erfüllen könne. Seine Behörde zählte im Frühjahr 2020 37 Mitarbeitende mit knapp 31 Vollzeitstellen.

Für die systematische Aufsicht von Konsumenten-Apps und sozialen Netzwerken fehlten die Mittel. Teilweise könne er und sein Team die Aufgaben «nicht im gewünschten Mass erfüllen». Das führe zunehmend auf Unverständnis.

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