Keine Sportlager, keine Fussballspiele – das Coronavirus verschärft ein Problem, auf dass Kinderärzte schon lange hinweisen. Kindern fehlt genügend Bewegung.
Coronavirus Kinder
Wegen der Beschränkungen durch das Coronavirus bewegen sich Kinder weniger. - pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sportlager wurden wegen des Coronavirus abgesagt, Turnunterricht findet dezimiert statt.
  • Kinderärzte warnen vor der fehlenden Bewegung von Kindern - nicht nur seit der Pandemie.
  • Eltern seien in der Verantwortung, dass die Kinder genügend Bewegung im Alltag haben.

Normalerweise kurven in diesen Wochen Hunderte Schüler die Schweizer Skipisten hinunter. Nicht so in diesem Jahr: Praktisch sämtliche Sport-Schullager wurden wegen des Coronavirus abgeblasen. Mit Maskenpflicht in der Turnstunde und Lockdown kommt die Bewegung in der Corona-Krise schnell zu kurz.

Verlässliche Daten zum Rückgang der Bewegung gibt es bislang nur vom ersten Lockdown, durch die «Ciao Corona»-Studie der Universität Zürich. Epidemiologin und Kinderärztin Susi Kriemler hat darin nachgefragt, wie viel sich Kinder vor und während des Lockdowns bewegt haben.

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Die Grafik zeigt die körperliche Aktivität von Primar- und Oberstufenschülern vor und während des Lockdowns: Low/tief sind weniger als 1h am Tag, Medium/mittel 1-2h und High/hoch sind über 2h am Tag. - zvg, Ciao Corona

Das Ergebnis: Im Lockdown haben 44 Prozent der Schüler weniger als eine Stunde Sport am Tag getrieben. Davor waren es lediglich 15 Prozent. Dabei gilt zu beachten: Im ersten Lockdown waren die Schulen geschlossen.

Die Technische Universität München wies im Oktober nach, dass sich die Hälfte der 10- bis 14-Jährigen seit Pandemiebeginn weniger bewegen. Besonders 10- bis 12-Jährige nahmen an Gewicht zu.

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Die Studie «Ciao Corona» der Universität Zürich erforscht mit einem Langzeit-Monitoring der Antikörper-Entwicklung, wie sich das Coronavirus unter Schülerinnen und Schülern ausbreitet. - Ciao Corona

Über solche «Corona-Kilos» wurden in der Schweiz bislang keine Daten erhoben. Doch auch hier sorgen sich Kinderärzte um die Bewegung – nicht nur wegen Corona.

Coronavirus führt zu mehr Bildschirmzeit, weniger Schlaf, schlechterer Konzentration

«Wir merken, dass sich die Kinder teils weniger bewegen, auch im Alltag», sagt Irmela Heinrichs. Sie ist Vorstandsmitglied von Kinderärzte Schweiz, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen in der Praxis.

Immerhin sind Kindern unter 16 Jahren weiterhin fast sämtliche sportlichen Aktivitäten, auch in Vereinen möglich. Anders sieht es für Teenager ab 16 aus. Freizeitmöglichkeiten wie Schimmbäder oder Schlittschuhbahnen sind geschlossen. Die Folge: «Die Kinder hängen viel mehr vor dem Computer oder Handy». Dies wiederum führt dazu, dass Kinder schlechter schlafen und die Konzentration am nächsten Morgen darunter leidet.

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Irmela Heinrichs ist Kinder- und Jugendärztin am Spital Uster und beobachtet mit Besorgnis, dass Kinder immer mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen. - Spital Uster

Dass nun etliche Kinder «Corona-Kilos» zulegen, bezweifelt Heinrichs. «Diejenigen, die schon dazu tendieren, übergewichtig zu sein, könnten in dieser Zeit zunehmen.»

Viel wichtiger sei es, über alternative Bewegungsmöglichkeiten zu sprechen. Heinrichs empfiehlt: «Handy drinnen lassen und rausgehen zum Spazieren oder Joggen. Auch wenns mit den Eltern nicht so prickelnd ist, wie mit den Kollegen ins Schwimmbad zu gehen.»

Kinder zum «Schritt-Sammler» ausbilden

Auch Sabine Zehnder, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in Bern, hält fest: «Bewegungsarmut ist keine Folge der Pandemie des Coronavirus. Aber in der Pandemie ist es schwieriger und umso wichtiger, auf die Bewegung der Kinder zu achten.»

Skilager oder Gewichteheben im Fitnesscenter machen gemäss Zehnder einen kleinen Teil aus. «Viel wichtiger ist die Bewegung im Alltag.» Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt mindestens 10'000 Schritte am Tag.

Die kalte und nasse Jahreszeit ist ohnehin schon ein Motivations-Killer. Unabhängig vom Coronavirus bergen Medien ein immenses Suchtpotential. «Viele Kinder bevorzugen das Gamen an der Wärme, statt draussen Fussball zu spielen.»

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Kreativität ist auch beim Sportmachen mit den eigenen Kindern gefragt. - Keystone

Die Kinder nun aufgrund der Restriktionen zum Spazieren bewegen? Muss nicht sein. «Es braucht klare Ziele und Kreativität», macht Zehnder Mut. Die Verantwortung liege bei den Eltern. «Kinder sammeln zum Beispiel gerne Gegenstände, warum dann nicht mittels Schrittzähler zum Schritt-Sammler werden?» Weitere mögliche Ziele: «Den Spagat oder Handstand lernen.»

Für die Fachärztin steht fest: «Man ist den negativen Folgen der Bewegungsarmut nicht ausgeliefert.»

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