Durch das zeitweise geltende Berufsverbot im Sexgewerbe hat sich die Macht laut einer Studie in Richtung der Freier verschoben.
Bordell oberentfelden
Eine «Blowjob-Meisterschaft» sorgt in Oberentfelden AG für rote Köpfe. (Symbolbild) - dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Studie analysiert die Situation im Sexgewerbe während dem Berufsverbot.
  • Die Ausnahmesituation hat das Machtgefälle verschärft.

Das im Zuge der Corona-Pandemie verordnete Arbeitsverbot hat Sexarbeitende in der Stadt Zürich in eine prekäre Lage gedrängt. Wer trotz Verbot weiterarbeitete, erfuhr eine Machtverschiebung zugunsten der Freier.

Das zeigt eine Studie des Departements Soziale Arbeit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Für die Studie haben die Forschenden Interviews mit 14 Fachpersonen sowie 11 Sexarbeitenden durchgeführt. Die Untersuchung bezog sich auf die Situation in der Stadt Zürich.

So ging aus den Befragungen hervor: Sexarbeiterinnen und -arbeiter waren mehr Nötigungs- und Betrugsversuchen ausgesetzt gewesen seien als vor der Pandemie. Auch Aggressionen und Gewalt nahmen demnach zu. Solche Taten konnten nicht eingeklagt werden, ohne dass sich die Sexarbeitenden selbst belastet hätten.

Zudem mussten «mangels Alternativen» auch Freier bedient werden, die vor der Pandemie abgelehnt worden wären.

Nachfrage sank, Angebot nicht

Ausnahmslos alle interviewten Sexarbeitenden erlebten durch die Massnahmen finanzielle Einbussen und Engpässe. Das Angebot sei nicht im gleichen Masse wie die Nachfrage gesunken, stellen die Forschenden fest. Dies, weil ein Grossteil von ihnen aufgrund dieser prekären Situation trotz Verbot weiterarbeitete. Denn viele Freier - insbesondere ältere Personen aus Risikogruppen - hätten sich vor einer Ansteckung gefürchtet.

Zudem gaben die Befragten mehrfach an, dass andere Sexarbeitende aus finanzieller Not die Preise drücken würden. Damit wäre es auch ohne kantonal erlassene Verbote zu einer deutlichen Verschiebung der Verhandlungsmacht zu Ungunsten der Sexarbeitenden gekommen. Das schreiben die Forschenden. Die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hätten dieses Ungleichgewicht zusätzlich verschärft.

Die Forschenden bemängeln die unübersichtliche und unkoordinierte Situation, nachdem der Zürcher Regierungsrat das Arbeitsverbot verordnet hatte. Das Durcheinander entstand demnach, weil er die Unterstützung von Sexarbeitenden Kommunen und Privaten überlassen habe. Auch der Vollzug sei uneinheitlich und unübersichtlich gewesen.

Landesweit dauerte das Sexarbeitsverbot im Kanton Zürich am längsten. Es wurde zuerst vom 17. März 2020 und dem 5. Juni 2020 verhängt.

Zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 31. Mai 2021 wurde es erneut verhängt.

Studie rät von erneutem Berufsverbot ab

Beruhend auf den Studienergebnissen empfehlen die Autoren, in einem ähnlichen Fall kein Prosititutionsverbot mehr auszusprechen. Die negativen Effekte überwögen gegenüber den positiven. «Insbesondere beim Versuch des Contact-Tracings mittels Registrierung der Kunden», sagte Studienleiter Michael Herzig gemäss einer Mitteilung der ZHAW.

Sinnvoller wäre es Massnahmen zu entwickeln, die auf die Situation im Sexgewerbe abgestimmt sind und darum auch umgesetzt werden können. So resümieren die Forschenden.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

GewaltCoronavirusStudie