Nicole Loeb: «Wir müssen Einkaufs-Erlebnisse schaffen»
Nicole Loeb führt das Unternehmen LOEB in fünfter Generation. Das sagt die Unternehmerin im grossen Interview mit dem BärnerBär.

Nicole Loeb kommt direkt vom jährlichen Pensionierten-Anlass und strahlt. «Es ist immer so schön, die vielen ehemaligen Mitarbeitenden zu sehen, die teils ja noch während der Zeit meines Vaters bei uns gearbeitet haben», sagt sie und lächelt.
Wir nehmen den Lift in den 6. Stock des Warenhauses und betreten die Terrasse des Restaurant Nido, von wo aus man einen atemberaubenden Rundblick über die Stadt Bern hat. Einer ihrer aktuellen Lieblingsplätze, wie Nicole Loeb sagt.
BärnerBär: Nicole Loeb, beschreiben Sie sich doch bitte ganz kurz selbst.
Nicole Loeb: Ich bin eine Unternehmerin, die zwar fest in Bern verankert ist, aber dennoch gerne Neues entdeckt und es entsprechend liebt, zu reisen. Ausserdem bin ich ein Familienmensch.
BärnerBär: Gibt es einen Ort, den sie noch entdecken möchten?
Loeb: Australien, da war ich noch nie. Das würde mich sehr reizen, aber es ist halt einfach sehr weit weg und braucht viel Zeit, das lag bisher noch nicht drin. Wir reisen zwar oft geschäftlich, besuchen dabei aber vor allem Städte.
BärnerBär: Und schauen bei anderen Warenhäusern vorbei?
Loeb: Genau. Inspiration ist sehr wichtig und wir sind interessiert daran, was andere machen. Erst kürzlich waren wir im Breuninger in Düsseldorf, der viele spannende Elemente zeigt.
BärnerBär: Was haben Sie an Inspiration von dort mitgenommen?
Loeb: Viele interessante Details – es heisst ja nicht umsonst: Detail-Handel. Und da kommt es auf diese Feinheiten an.
Mal sind das spezielle Warenträger, die uns auffallen, oder eine Marke, die uns fasziniert. Der Austausch mit anderen in der Branche ist sehr bereichernd und wichtig.

Bei Breuninger haben wir speziell auf die Parfümerieabteilung geachtet, da wir diese als Nächstes umbauen werden.
BärnerBär: Jetzt sind wir schon mitten im Heute – ich würde aber gerne noch ein bisschen am Rad der Zeit drehen: Wie ist Nicole Loeb aufgewachsen?
Loeb: Nun, ich hatte eine sehr schöne Kindheit, bin in Kanada geboren, später kamen wir nach Zürich, da mein Vater als Geschäftsleiter des Textilverbands arbeitete.
In Zürich sagte der Name Loeb niemandem etwas und da mein Grossvater das Warenhaus führte, war es auch nie gross ein Thema in unserer Familie. Als ich in der 1. Klasse war, starb mein Grossvater unerwartet und leider viel zu früh.
Weil mein Vater somit übernehmen durfte, oder vielleicht auch ein bisschen musste, kamen wir nach Bern.
BärnerBär: Wie wirkte sich der Umzug auf Ihre Familie aus?
Loeb: Hier in Bern war mein Vater dann sehr engagiert, wurde bald auch in der Politik aktiv, die folglich am heimischen Küchentisch diskutiert wurde. Wie auch das Warenhaus, das nun ein prägender Teil der Familie war.
BärnerBär: Wie war das für Sie als Kind?
Loeb: Als Teenager fand ich es gar nicht so toll, dass wir denselben Namen wie ein Warenhaus hatten. Gut war, dass ich so immer die Möglichkeit hatte, mir etwas Sackgeld zu verdienen, beim Mithelfen in der Confiserie oder bei der Inventur beispielsweise.
Etwas störend fand ich, dass meine Mitschülerinnen und Mitschüler immer das Gefühl hatten, ich könne ja eh alles, was ich wollte, gratis mitnehmen!
BärnerBär: Konnten Sie das?
Loeb: Natürlich nicht! (lacht) Sonst gäbe es den LOEB heute wohl kaum mehr!
Für mich galten und gelten nach wie vor die genau gleichen Regeln wie für alle anderen Angestellten: Wir haben einen Personalrabatt. Das war logischerweise auch für meinen Vater und uns damals verbindlich.
Events im Warenhaus LOEB
Die Vielfalt an Veranstaltungen im LOEB Bern bietet tolle Angebote, die keine Wünsche offenlassen.
Wie wär’s mit einer Reise durch verschiedenste Kulturen und Spezialitäten, von Kochkursen über Produktpräsentationen bis hin zu Degustationen in der Eventküche oder warum nicht im Nähkaffee seine eigenen Projekte realisieren?
Jetzt alle Events im Veranstaltungskalender entdecken und noch heute den nächsten Kurs und Erlebnis buchen. Alle weiteren Infos unter loeb.ch/events.
BärnerBär: Dennoch war für Sie klar, dass Sie LOEB einmal weiterführen würden?
Loeb: Ganz und gar nicht. In der Pubertät fand ich das keine prickelnde Idee.
Ich ging zunächst nach Vevey an die Kunstgewerbeschule und lernte Dekorateurin, heute heisst die Ausbildung Polydesign 3D. Später besuchte ich die Handelsschule und schnupperte bei Wartmann erstmals Textilluft.
So entdeckte ich meine Liebe zur Mode. Deshalb absolvierte ich die Nagold (LDT Nagold, Fachakademie für Textil & Schuhe, in Deutschland), ging danach zwei Jahre nach New York, bevor ich nach Deutschland zurückkehrte und bei Peek & Cloppenburg arbeitete.
BärnerBär: Was doch schon ziemlich nahe am LOEB war…
Loeb: Ja (schmunzelt). Ich habe mich somit schrittweise angenähert! Der damalige LOEB-CEO hat mich dann 1999 gefragt, ob ich Interesse an der Stelle «Bereichsleiterin Textil» hätte und so kam ich zurück nach Bern.
BärnerBär: Sie haben ja noch einen jüngeren Bruder, für ihn war der LOEB kein Thema?
Loeb: Er hat Betriebswirtschaft studiert und somit wäre es eigentlich naheliegend gewesen, dass er eines Tages übernimmt. Aber er wollte nicht.
BärnerBär: Was hat Sie schliesslich überzeugt?
Loeb: Mein Vater begann früh, bereits mit etwa fünfzig, über seine Nachfolge nachzudenken. Ich war zu dieser Zeit vor allem auch mit meinen beiden Kindern beschäftigt, ich war gerne Mutter und wollte möglichst viel Zeit mit ihnen verbringen.
Somit kam das Ganze im Jahr 2005 eigentlich etwas zu früh für mich. Aber letztendlich war es auch ein Bekenntnis zu meiner Familie und eine grosse Chance.
BärnerBär: Familie und Job unter einen Hut zu bringen ist generell nicht so einfach.
Loeb: Absolut. Es war schon streng und ich musste mich gut organisieren. Denn ich wollte nicht einfach ein bisschen mit dabei sein, sondern mich voll und ganz einbringen.
Deshalb war meine Bedingung, dass es wirklich Raum für eine neue Ära geben muss. Mein Vater war ein Patron der alten Schule mit all seinen Vorteilen, aber das Warenhaus brauchte auch neue Impulse.
Aber auch er war überzeugt, dass ein Generationenwechsel nur dann erfolgreich ist, wenn man der neuen Generation freie Hand lässt. Bei unseren beiden Persönlichkeitsstrukturen war das auch nur so möglich.
Diese Trennung bewahrte ausserdem unser gutes Vater-Tochter-Verhältnis.
BärnerBär: Mit Ihnen führte nun somit seit der Gründung 1881 erstmals eine «Loeb-Tochter» das Unternehmen – wie kam das an?
Loeb: Ich glaube, egal ob Frau oder Mann: Bei einer neuen Person in leitender Funktion sind alle neugierig, aber auch gespannt, wie es wohl mit dem neuen Führungsstil sein wird und ob es viele Veränderungen geben wird.
Medial war aber die Aufmerksamkeit doch recht hoch, da damals Töchter noch seltener die Nachfolge antraten.
BärnerBär: Und, gab es viele Veränderungen?
Loeb: Ja, die gab es. Es brauchte eine komplett neue Strategie und mit dem massiven Umbau 2008 wurde diese auch äusserlich sichtbar. Seither haben wir 2019 und auch dieses Jahr erneut unsere Räumlichkeiten verändert und angepasst.
Wir haben soeben den gesamten Modebereich in Bern erneuert und eingeweiht.
BärnerBär: Mit Umbauen allein ist es aber noch nicht getan?
Loeb: Nein (lacht). Es braucht schon noch etwas mehr, damit man mit einem Warenhaus auch heute noch bestehen kann. Stichwort: Retailtainment.
BärnerBär: Was heisst das genau? Das Wort vereint die Begriffe «Retail» und «Entertainment», also Detailhandel und Unterhaltung und beschreibt damit ziemlich treffend, worum es geht: Wir müssen Einkaufserlebnisse schaffen, die über den reinen Produktkauf hinausgehen. Etwas, das man online nicht erleben kann.
So ist LOEB inzwischen auch ein Ort der Unterhaltung und der Aktivitäten geworden. Wir haben für diese speziellen Events auch jemanden angestellt, der dafür sorgt, dass sie immer wieder neu, überraschend und bereichernd für unsere Kundinnen und Kunden sind.
BärnerBär: Das machen aber auch andere Häuser, was macht LOEB denn so speziell?
Loeb: Wir sagen von uns, wir sind «das persönlichste Warenhaus der Schweiz». Und das ist nicht einfach ein Werbeslogan. LOEB ist seit fünf Generationen familiengeführt und die Werte, die auch unsere Familien-Werte sind, wurden dabei immer weitergegeben.
In den 30er-Jahren beispielsweise, gründete mein Urgrossvater eine Patronale Stiftung, die schon damals Mitarbeitende in schwierigen Lebenssituationen unterstützte.
Mit dieser Stiftung konnten wir übrigens auch während der Corona-Pandemie die 20 Prozent Lohneinbussen der Kurzarbeit ausgleichen.

Unsere Mitarbeitenden waren und sind nach wie vor unser wichtigstes Gut. Sie repräsentieren LOEB gegen aussen und wenn sie motiviert sind, kommen auch die Kundinnen und Kunden gerne.
BärnerBär: Wie führen Sie?
Loeb: Mit Vertrauen und Ehrlichkeit. Das ist mir absolut wichtig. Danach lebe ich und das bekomme ich auch zurück. Meistens jedenfalls. Ein Restrisiko besteht natürlich immer, dennoch gibt es für mich nur diese Art, zu führen.
BärnerBär: Welche Frau hat Sie geprägt?
Loeb: Meine Mutter war mir ein grosses Vorbild. Sie hat die Familie gemanaged und meinem Vater den Rücken freigehalten und gestärkt.
Ich wollte so wie sie eine Familie haben und dennoch auch beruflich meinen Weg gehen. Das haben meine Eltern auch immer unterstützt.
Es war teilweise ein sehr anstrengender Weg, aber er hat sich definitiv gelohnt.
BärnerBär: Als wir vorhin durchs Warenhaus gingen, ist mir aufgefallen, dass Sie mit den Mitarbeitenden per DU sind. Nur mit einigen oder mit allen?
Loeb: Mit allen! Wir haben die DU-Kultur vor ein paar Jahren eingeführt und ich finde, sie schweisst uns noch mehr zusammen und baut Hemmnisse ab.
Mir ist wichtig, dass sich die Mitarbeitenden einbringen können und keine falsche Scheu vor Hierarchien haben. Geht es ihnen gut, fühlen sie sich wohl und machen sie mit Freude ihren Job, ist das die Grundlage unseres Erfolgs und unserer Zukunft.
BärnerBär: Apropos Zukunft – macht Ihnen das aktuelle Weltgeschehen Sorgen?
Loeb: Natürlich mache ich mir Gedanken. Es gibt sehr viele schlimme Situationen, die mich sehr betroffen machen.
Aber ich glaube, man muss differenzieren können zwischen «Was kann man selbst verändern, wo kann man helfen und was kann man nicht beeinflussen».
Dort wo man helfen kann, soll man sich einsetzen und dabei immer auch auf positive Dinge achten. Auch sollte man sich bewusst sein, dass wir mit Informationen aus aller Welt geradezu überflutet werden.
Diese Info-Fülle gab es früher nicht; deshalb passiert wahrscheinlich nicht einfach per se so unendlich viel mehr – wir wussten schlicht nicht alles.
BärnerBär: Wo tanken Sie Kraft?
Loeb: Im Kontrast zu meinem Berufsleben: In der Natur, in den Bergen beim Biken, ich liebe Yoga und bin gerne mit meiner Familie zusammen.
BärnerBär: Und wenn Sie eine Superkraft haben könnten, welche wäre das?
Loeb: Ah, ich würde gerne die Kraft des «Beamen» beherrschen! Sich einfach – zack – an einen anderen Ort bringen zu können.
INFO ZUR SERIE
Erfolgreiche Frauen in Bern
In dieser Serie spricht der BärnerBär mit bekannten Berner Frauen und will herausfinden, welche Menschen sich hinter den prominenten Namen verbergen, was ihnen wichtig ist, wer sie prägte und wie sie zu dem wurden, was sie heute sind.







