YB-Legende Guillaume Hoarau«Dieses Konzert ist wie ein Heimspiel»
Guillaume Hoarau (41) singt bei seinem Konzert in der Fan Zone der Euro seit der YB-Meisterfeier 2019 erstmals wieder auf dem Bundesplatz.

BärnerBär: Was bedeutet es für Sie, ein Konzert in der Fan Zone der Euro zu geben?
Guillaume Hoarau: Zuerst mal, es ist in Bern, das ist für mich zu Hause. Es macht mich immer stolz, wie mich die Menschen in Bern empfangen. Und dann sind wir Jungs dafür da, die Mädchen bei ihrer Meisterschaft zu unterstützen, ihnen unsere Solidarität zu zeigen.
BärnerBär: Spüren Sie auch einen gewissen Druck? Schliesslich dürften Sie seit Ihrer letzten Meisterschaftsfeier mit YB nie mehr vor so vielen Leuten gesungen haben.
Guillaume Hoarau: Ja, da ist immer ein wenig Druck, weil es eine intime Situation ist, wenn du singst. Deine Stimme ist etwas sehr Persönliches. Zudem ist dieses Konzert wie ein Heimspiel.
Meine Musiker und ich bereiten uns entsprechend vor. Das Wichtigste ist jedoch, dass ich mit ihnen auf der Bühne genauso viel Spass habe wie früher, als ich mit der Mannschaft im Wankdorfstadion Fussball spielte.
BärnerBär: Stellen Sie ein spezielles Programm zusammen?
Guillaume Hoarau: Der Reggae Vibe wird wie üblich im Zentrum stehen. Das Wichtigste ist, den Moment mit den Fans zu teilen und zu versuchen, ihnen ein bisschen Liebe zu geben, einfach Liebe.
Eigentlich ist das unser Programm. Und ich denke, es wird klappen.
BärnerBär: Treten Sie wie üblich mit den «The One Lovers» auf?
Guillaume Hoarau: Genau genommen ist es so, dass ich jedes Mal, wenn ich in Bern einen Auftritt habe, Chrigu Fluri von Take This kontaktiere, der mir hilft, eine Band zusammenzustellen, die ich manchmal nach Bob Marleys Song «One Love» nenne oder einfach als meine «friends» bezeichne.
Wenn es um Musik geht, ist Chrigu der Profi. Ausserdem ist er ein echter Freund. Wir treffen uns auch, wenn kein Konzert bevorsteht.
BärnerBär: Was können Sie zum Song «Passion» sagen, auf dem Sie mitsingen und der Schlagzeilen machte, weil die Uefa nicht erlaubte, dass er als EM-Song bezeichnet wird?
Guillaume Hoarau: Chrigu hat ihn komponiert, um zu feiern, dass die Euro uns in Bern und in der gesamten Schweiz zusammenbringt, wo wir gemeinsam unsere Leidenschaft feiern, die Musik und den Fussball. Das Lied soll ein Mosaikstein in der Erinnerung an diesen Grossanlass werden.
Es geht uns nicht darum, dass «Passion» möglichst oft gestreamt wird. Wir haben keine Ambitionen, Popstars zu werden. Wir wollen einfach auf unsere Weise teilnehmen.
Wenn die Uefa nicht erlaubt, dass wir es dem Turnier widmen, weil das klingt, als wäre es ein offizieller EM-Song, ist es natürlich schade, aber wir lassen uns die Freude nicht verderben.
BärnerBär: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Auftritte in der Mühle Hunziken?
Guillaume Hoarau: Für mich ist sie der beste Musikclub in Bern. Eine super Location, die Deko gefällt mir sehr. Ich wurde schon zweimal eingeladen. Es war beide Mal top. Ich hoffe, dass ich dort noch weitere Konzerte geben kann.
Persönlich
Guillaume Hoarau wurde am 5. März 1984 auf La Réunion, einem französischen Übersee-Département im indischen Ozean, geboren. Sein Talent brachte ihm 2004 einen Vertrag bei Le Havre und 2008 bei Paris St-Germain ein. Dort erzielte der 1,94 Meter grosse Stürmer in fünf Jahren 38 Tore, zwischen 2014 und 2020 bei Young Boys 94 Tore. Mit YB feierte er drei Meistertitel und einen Cupsieg. Seine Karriere beschloss er 2022 beim FC Sion. Er hat einen Sohn (16). Inzwischen ist er als TV-Experte tätig, macht Musik und baut auf La Réunion eine Talentakademie auf.
BärnerBär: Welches sind Ihre nächsten musikalischen Ziele?
Guillaume Hoarau: Ich möchte ein professionelles, mir entsprechendes Album machen. Wenn ich eigene Songs schreiben will, muss ich mir dafür aber mehr Zeit nehmen. Bis dahin singe ich meine Coverversionen.
BärnerBär: Sie sind Fussball-Experte bei «Blue Sport». Welche Funktion haben Sie während der Euro?
Guillaume Hoarau: Da die Spiele von RTS übertragen werden, habe ich frei.
BärnerBär: Wie intensiv verfolgen Sie das Turnier?
Guillaume Hoarau: Da ich in Paris bin, habe ich noch kein Match live gesehen, aber die ersten zwei Spiele im Fernsehen. Mindestens einmal will ich jedoch die Stimmung im Stadion erleben.
BärnerBär: Wie denken Sie über die Qualität des Frauenfussballs?
Guillaume Hoarau: Ich verfolge ihn nicht enorm, aber sehe immer wieder Spiele der Nationalmannschaften und damit die besten Spielerinnen. Das technische und taktische Niveau bei den Frauen ist enorm gestiegen.
Ich hatte letztes Jahr in der Nations League Schweiz-Frankreich gesehen. Das war ein tolles Spiel! Der Frauenfussball braucht jedoch das ganze Jahr hindurch die Unterstützung der Fans, damit er sich weiterentwickeln kann.
BärnerBär: Wem drücken Sie die Daumen, wenn Frankreich gegen die Schweiz spielt?
Guillaume Hoarau: Ich bin neutral. Der Beste soll gewinnen. Ich bin nun auch Schweizer! Aber ich war schon immer Franzose, also muss es doch «allez, les bleus!» heissen. (Lacht)
BärnerBär: Haben Sie in Ihrer Kindheit auf La Réunion noch mit Mädchen zusammen Fussball gespielt?
Guillaume Hoarau: Ja, absolut. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es viele Frauen gab. Meine Mutter hat sechs Schwestern. Und jede hatte Töchter. Jedes Mal, wenn wir Fussball gespielt haben, wirkten meine Cousinen mit, und sie spielten gut.
Ich habe jedoch nie verglichen, da klar ist, dass Jungs und Mädchen andere körperliche Voraussetzungen mitbringen. Man sollte auch aufhören, den Begriff «Frauenfussball» zu verwenden. Fussballerinnen haben ihre eigene Art und ihre eigenen Stars, aber auch sie spielen Fussball. Punkt.

BärnerBär: Welche Spielerinnen beeindrucken Sie besonders?
Guillaume Hoarau: Ich bin «old school». Marta, die Brasilianerin, fand ich toll. Bei Frankreich hatten wir grossartige Spielerinnen wie Wendie Renard und Camille Abily.
Die Jüngeren kenne ich etwas weniger. Einer der aufsteigenden Sterne ist die Schweizer Stürmerin Iman Beney, die bisher bei den Young Boys spielte und nun zu Manchester City wechselt. Ich kenne ihre Eltern und unterstütze sie mit meiner Erfahrung.
BärnerBär: Ich habe gelesen, dass es für Sie nach Ihrem Rücktritt als Spieler sehr schwierig war, etwas Neues zu finden, das Ihnen ähnlich viel Freude bereitet. Sind Sie schon fündig geworden?
Guillaume Hoarau: Nein, ich suche immer noch, aber ich habe zu akzeptieren gelernt, dass ich für mich nie etwas finden werde, dass bezüglich Emotionen und Adrenalin an das Fussballspielen herankommen wird. Aber das ist okay so.
BärnerBär: Wie gehen Sie damit um?
Guillaume Hoarau: Ich erinnere mich, wie ich als kleiner Junge Fussball, Handball, Basketball und andere Sportarten betrieben habe, bis ich irgendwann erkannte, dass ich Fussball am meisten liebe und für ihn alles zu geben bereit bin.
Nun probiere ich wieder viele verschiedene Sachen aus.Ich mache Fernsehen und Musik, bin Botschafter meiner früheren Klubs YB und PSG (Paris St. Germain) und plane auf La Réunion eine Fussballakademie zu eröffnen.
Momentan befinde ich mich in einer Übergangsphase, und das ist spannend, weil ich nie weiss, wie es weitergeht, aber der Druck und das Tempo sind nicht so hoch wie im Fussball.
BärnerBär: Die meisten Franzosen fahren im Sommer für ein paar Wochen ans Meer. Wo verbringen Sie Ihre Ferien?
Guillaume Hoarau: Normalerweise bin ich bis im Juni mit Fussball beschäftigt und fliege danach in meine Heimat La Réunion. «Auf meine Insel»! (er spricht Hochdeutsch)
BärnerBär: Auf Ihre Privatinsel?
Guillaume Hoarau: Mais, non! (Lacht) Aber meine ganze Familie lebt dort. Ausser meinem Sohn, der bei seiner Mutter in Bordeaux wohnt. Er und ich verbringen die Ferien jeweils gemeinsam auf La Réunion.
Info
Hoarau tritt er am Freitag, 18. Juli um 19 Uhr mit Reggae-, Afrobeat- und Latin-Rhythmen auf der Euro-Fan Zone auf dem Bundesplatz auf. Ausserdem: 17 Uhr KT Gorique, 21 Uhr Public Viewing des Viertelfinals zwischen der Schweiz und Spanien im Wankdorf Stadion.
BärnerBär: Mitte August startet die 2. Liga interregional. Werden Sie weiter für Muri-Gümligen spielen?
Guillaume Hoarau: Nein, ich habe zu den Senioren des FC Länggasse gewechselt.
BärnerBär: Ein Transfer, weil Sie dort mehr verdienen werden?
Guillaume Hoarau: Nein, das Finanzielle spielte gar keine Rolle! (Lacht) Bei Muri-Gümligen hat es mir gut gefallen, wofür ich auch sehr dankbar bin. Weil ich mit der Champions League und Europa League von Dienstag bis Donnerstag beschäftigt bin, konnte ich die Trainings kaum je besuchen.
Das war mir nicht recht, zumal die Mannschaft ein respektables Niveau spielt, obwohl sie «nur» aus Amateuren besteht. Den Mannschaftskollegen bei den Senioren sage ich nun guten Gewissens, «Falls ich Zeit habe, spiele ich, aber ich weiss nicht, wann dies sein wird».
BärnerBär: Ist es für Sie einfacher, in den unteren Ligen Tore zu erzielen?
Guillaume Hoarau: Nein. Fussball ist ein Mannschaftssport. Es gibt nichts, das einfach ist, aber für mich war es leichter, als Profi Tore zu machen, weil ich wusste, dass ich die ganze Woche jeden Tag für dieses Ziel gearbeitet hatte.