Ukraine-Krieg: Referendum über Frieden ist «geschickter Schachzug»
Wolodymyr Selenskyj plant eine Volksabstimmung über den Friedensplan im Ukraine-Krieg. Bei Nau.ch erklärt ein Experte, warum das ein geschickter Schachzug ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Selenskyj plant eine Volksabstimmung über den Friedensplan im Ukraine-Krieg.
- Am Sonntag fliegt er für ein Gipfeltreffen in die USA zu Donald Trump.
- Ein Experte lobt Selenskyj, hält aber ein baldiges Friedensabkommen für unwahrscheinlich.
«Bis Neujahr kann noch viel entschieden werden»: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht Hoffnung auf einen baldigen Frieden im Ukraine-Krieg. Der 20 Punkte umfassende Friedensplan sei «zu 90 Prozent fertig», kündigte er an.
Neben Russland sollen auch die USA an Bord geholt werden. US-Präsident Donald Trump sagte gegenüber dem US-Magazin «Politico» nämlich: «Er hat nichts, solange ich es nicht genehmige.»
Morgen Sonntag fliegt Selenskyj deshalb nun in die USA. Das Weisse Haus kündigte das bilaterale Treffen in Palm Beach im Bundesstaat Florida an.
Selenskyj kämpft mit Volksabstimmung gegen russische Propaganda
Derweil meldet das US-Politikmagazin «Axios», dass der ukrainische Präsident den Friedensplan auch demokratisch legitimieren will. Sollte es zu einer Einigung kommen, wolle er das ukrainische Volk in einer Volksabstimmung darüber entscheiden lassen.
Osteuropa-Experte Ulrich Schmid ordnet diesen Schritt am Samstag bei Nau.ch ein. «Das ist ein geschickter Schachzug», sagt er auf Anfrage.

Denn: «Auf diese Weise kann er dem russischen Propagandanarrativ, die Ukraine verfüge über keine legitime Regierung, entgegentreten. Trump hatte in seiner Leichtgläubigkeit dieses Narrativ mehrmals übernommen.»
Der US-Präsident bezeichnete Selenskyj als «Diktator ohne Wahlen». Grund: Seit der russischen Vollinvasion gab es in der Ukraine keine Wahlen mehr.
Allerdings sind Wahlen wegen des Kriegsrechts gar nicht möglich. 2019 holte Selenskyj bei der Stichwahl 73,2 Prozent der Stimmen.
Baldiger Frieden im Ukraine-Krieg «sehr unwahrscheinlich»
Experte Ulrich Schmid glaubt derweil nicht, dass im Ukraine-Krieg bald ein Friedensplan steht. «Es ist sogar für die nächsten Monate sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem Friedensabkommen kommen wird», sagt er.
Grund: «Russland beharrt nach wie vor auf den Forderungen vom Juni 2024.»
Diese sehen im Wesentlichen Folgendes vor: Den Rückzug der ukrainischen Armee aus den vier von Russland annektierten ostukrainischen Gebieten und ein Ende der Sanktionen.
Zudem sollen die neuen Grenzen Russlands international anerkannt werden. Auch ein Beitritt der Ukraine in die Nato soll ausgeschlossen werden, fordert Russland.
Schmid erklärt: «Putin will den Westen glauben lassen, dass Russland auch militärisch in der Lage ist, seine Ziele in der Ukraine zu erreichen. So spiegelt er eine Position der Stärke vor, die er in Wahrheit nicht besitzt.»
Besonders der Zustand der russischen Wirtschaft werde Putins Handlungsfähigkeit im kommenden Jahr beschränken.
Ukraine zittert vor Gebietsabtretungen
Selenskyjs 20-Punkte-Plan zielt auf ein Ende im Ukraine-Krieg – mit Sicherheitsgarantien, internationaler Überwachung und einem schrittweisen Truppenrückzug.
Welche Aspekte des aktuellen Friedensplan-Entwurfs sind für Selenskyj und die Ukraine besonders schmerzhaft?
«Besonders schwierig sind die Begrenzung der ukrainischen Truppen auf 800'000 Mann und die Frage von Gebietsabtretungen», so Schmid. Günstig für die Ukraine sei hingegen der Plan, den Konflikt an der Front einzufrieren.

«Allerdings hat Trump durch einen schweren Fehler diese Lösung selbst torpediert», sagt er.
Denn: Beim Gipfeltreffen im August liess sich Trump von Putin überzeugen, statt eines Waffenstillstands einen «dauerhaften Frieden» anzustreben. «Nun beruft sich der Kreml gebetsmühlenhaft auf diese ‹Einigung›», so Schmid.



















