Die letzte Bastion des Widerstands in Afghanistan ist offenbar in der Hand der islamistischen Taliban: Die neuen Machthaber am Hindukusch erklärten das Pandschir-Tal am Montagmorgen für «vollständig erobert».
Kämpfer der Nationalen Widerstandsfront (NRF)
Kämpfer der Nationalen Widerstandsfront (NRF) - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Widerstandskämpfer rufen zu «nationalem Widerstand» auf.

Die gegen die Taliban kämpfende Nationale Widerstandsfront (NRF) kündigte derweil an, ihren Kampf fortzusetzen und rief zum «nationalen Widerstand» gegen die Taliban auf.

Das Pandschir-Tal hat eine hohe symbolische Bedeutung. In den 80er Jahren verteidigten die Bewohner das Tal gegen die Sowjets, in den 90er Jahren war es eine Hochburg des Widerstands gegen die Taliban und fiel nie unter die Kontrolle der Islamisten.

«Mit diesem Sieg ist unser Land vollständig aus dem Sumpf des Krieges befreit», erklärte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid. Die Taliban würden keinen weiteren «Aufstand» gegen ihre Herrschaft dulden und «hart zuschlagen», warnte er. Ein von den Islamisten veröffentlichtes Video zeigte das Hissen der Taliban-Flagge über dem Sitz des Gouverneurs von Pandschir.

Die Nationale Widerstandsfront erklärte, sie halte weiterhin «strategische Positionen» in dem Tal. «Der Kampf gegen die Taliban und ihre Partner wird weitergehen», schrieb die Gruppe auf Twitter. NRF-Anführer Ahmed Massud rief in einer Audiobotschaft zum «nationalen Widerstand für die Würde, die Freiheit und den Wohlstand unseres Landes» auf.

Nach der Machtergreifung der Taliban vor drei Wochen hatte sich in dem Tal die NRF unter Führung des Sohnes des 2001 getöteten afghanischen Kriegsherrn und Taliban-Gegners Ahmed Schah Massud sowie des ehemaligen Vizepräsidenten Amrullah Saleh formiert.

Der Iran verurteilte die Offensive der Islamisten im Pandschir-Tal «scharf». «Die Nachrichten aus Pandschir sind wirklich beunruhigend», sagte ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums.

Die von den Taliban seit Tagen angekündigte Regierungsbildung liess derweil weiter auf sich warten. Laut Sprecher Mudschahid soll es zunächst ein «Interimssystem» geben. «Die endgültigen Entscheidungen sind getroffen, wir arbeiten jetzt an den technischen Fragen», sagte er.

Unterdessen gaben die Taliban Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer. Die Islamisten hätten in Gesprächen zugesichert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sich im Land frei und sicher bewegen könnten, erklärte ein UN-Sprecher. Taliban-Sprecher Suhail Schahin erklärte auf Twitter, die Taliban sicherten der UNO «Zusammenarbeit und die Bereitstellung der notwendigen Einrichtungen» zu.

Nach der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ist nach UN-Schätzungen rund die Hälfte der afghanischen Bevölkerung von einer humanitären Katastrophe bedroht. Afghanistan war bereits zuvor in hohem Masse von humanitärer Hilfe abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kündigte in der «Rheinischen Post» eine Verstärkung der deutschen Unterstützung für Hilfsorganisationen der UNO und anderer «erfahrener» Träger an, «um eine Hungerkatastrophe zu verhindern und die Ernährungsversorgung in Afghanistan aufrecht zu erhalten.» Berlin macht die Fortführung von Hilfszahlungen nach Afghanistan auch von der Einhaltung der Menschenrechte in dem Land abhängig.

Unterdessen reiste US-Aussenminister Antony Blinken nach Katar. Dort sind inzwischen die für Afghanistan zuständigen US-Diplomaten stationiert. Blinken will dort auch über eine mögliche Wiedereröffnung des Flughafens von Kabul beraten.

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