Das Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei geht wohl in eine zweite Runde. Erdogan liegt knapp vor Ende der Auszählung unter 50 Prozent der Stimmen.
Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt seinen Stimmzettel in eine Wahlurne in Istanbul. Umit Bektas/Pool Reuters/AP/dpa - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Erdogan führt laut Staatsmedien bei türkischer Präsidentenwahl mit unter 50 Prozent.
  • Oppositionsführer Kilicdaroglu landet auf Platz zwei mit rund 44,8 Prozent.
  • Bisher wurden etwa 95 Prozent der Stimmen ausgezählt – eine Stichwahl zeichnet ab.
  • Für Erdogan wäre dies ein Rückschlag, in 20 Jahren hat er jede landesweite Wahl gewonnen.

Im Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei zeichnet sich eine Stichwahl ab. Bei der Auszählung von rund 95 Prozent der Stimmen im Inland sowie rund 37 Prozent der Urnen im Ausland lag Erdogan bei rund 49,49 Prozent und damit unter der erforderlichen absoluten Mehrheit. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, gemeinsamer Kandidat eines Sechser-Bündnisses, lag demnach bei 44,79 Prozent. Das sagte der Chef Wahlbehörde, Ahmet Yener, in Ankara am Montagmorgen (Stand 3.00 Uhr MESZ).

Auf dem weit abgeschlagen dritten Platz landete demnach Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz mit rund 5,3 Prozent. Dem Aussenseiter könnte noch eine wichtige Rolle zukommen. Bei der Stichwahl wird wichtig sein, welche Wahlempfehlung er vorher abgibt.

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Bekommt keiner der drei Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen, geht es für die beiden führenden Bewerber am 28. Mai in eine Stichwahl. Die Wahl in der Türkei gilt als richtungsweisend und wegen der zu erwartenden innen- und aussenpolitischen Auswirkungen als eine der weltweit wichtigsten in diesem Jahr.

Die Wahlbehörde gab das Ergebnis der Parlamentswahl zunächst nicht bekannt. Es zeichnete sich jedoch ab, dass Erdogans Regierungsallianz ihre Mehrheit verteidigen konnte. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse, das Parlament mit seinen 600 Abgeordneten ist dagegen geschwächt.

Erdogan zeigt sich bereit für eine Stichwahl

Auch wenn Erdogan in zwei Wochen noch immer gewinnen kann – für den 69-Jährigen Erdogan ist das Ergebnis ein Rückschlag. In seinen 20 Jahren an der Macht hat er bislang jede landesweite Wahl gewonnen. Nach Bekanntwerden der vorläufigen Ergebnisse hatte sich der langjährige Politiker bereit für eine Stichwahl gezeigt.

«Wir wissen noch nicht, ob die Wahl in der ersten Runde zu Ende sein wird, aber wenn die Menschen uns in eine zweite Runde schicken, werden wir das auch respektieren», sagte Erdogan in der Nacht zu Montag vor Anhängern in Ankara. Erdogan behauptete, er habe eine «klare Führung» gegenüber seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. «Wir respektieren die Wahl und wir werden die nächste Wahl respektieren», sagte er mit Blick auf eine mögliche Stichwahl in zwei Wochen.

Erdogan
Für Erdogan ist die wahrscheinliche Stichwahl ein Rückschlag. In seinen 20 Jahren an der Macht hat er bislang jede landesweite Wahl gewonnen. - Keystone

Früher in der Nacht erwähnte er, dass sich im Parlament eine Mehrheit seiner Regierungsallianz abzeichne. Er sei sich daher sicher, dass die Wähler in einer Stichwahl «Sicherheit und Stabilität» bevorzugen werden. Damit spielte er darauf an, dass sich Parlament und Präsident theoretisch blockieren könnten, sollte die Mehrheit der Abgeordneten an die Regierungsallianz fallen, das Präsidentenamt aber an die Opposition oder umgekehrt. Zwar kann der Präsident ohne Zustimmung des Parlaments ein Dekret erlassen, verabschiedet das Parlament aber ein Gesetz zum selben Thema, würde das Dekret ungültig.

Oppositionskandidat Kilicdaroglu gelobt Sieg bei Stichwahl

Oppositionsführer, Kemal Kilicdaroglu, hatte nach der Auszählung fast aller Stimmen gelobt, eine mögliche Stichwahl in zwei Wochen zu gewinnen. Sollten die Ergebnisse des ersten Wahlganges eine Stichwahl nötig machen, «werden wir die zweite Runde unbedingt gewinnen», sagte Kilicdaroglu vor Journalisten. «Der Wille in der Gesellschaft zur Veränderung ist höher als 50 Prozent», zeigte er sich zuversichtlich.

Zuvor hatte er seine Anhänger aufgerufen, bis zum Ende der Auszählung bei den Wahlurnen zu bleiben. «Verlasst die Urnen und die Wahlkommissionen niemals», sagte er in der Nacht zu Montag in Ankara. «Wir bleiben hier, bis jede Stimme ausgezählt ist.»

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Kemal Kilicdaroglu ist die grosse Hoffnung der türkischen Opposition. - keystone

Zahlreiche Provinzen, in denen die Opposition traditionell stark sei, seien noch nicht ausgezählt worden, sagte Kilicdaroglu. «An den Urnen, an denen wir einen hohen Stimmanteil haben, blockieren sie das System mit aufeinanderfolgenden Einsprüchen», sage er zum Vorgehen der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP.

In Ankara gebe es etwa bei 300 Wahlurnen Einsprüche, in Istanbul rund 780. «Es gibt Urnen, gegen die elfmal Einspruch erhoben wurde. Was ihr da blockiert, ist der Wille der Türkei. Mit Einsprüchen könnt ihr nicht verhindern, was kommen wird», sagte Kilicdaroglu.

Hohe Wahlbeteiligung türkischer Wahlberechtigter in der Schweiz

Rund 64 Millionen wahlberechtigte Menschen im In- und Ausland waren zur Stimmabgabe aufgerufen. In Deutschland waren rund 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt. In der Türkei wurden rund 192'000 Wahlurnen aufgestellt. Hunderttausende Beobachter von Regierung und Opposition sind im Einsatz.

Die Stimmbeteiligung der türkischen Wählerinnen und Wähler in der Schweiz hat bei der Präsidentschaftswahl dieses Jahr 56,7 Prozent betragen. Das teilte die türkische Botschaft in der Schweiz am Freitag auf Anfrage mit. Dies sei die höchste Wahlbeteiligung, die in der Schweiz je erreicht worden sei.

Wahlen Türkei
Die Wahlen in der Türkei werden richtungsweisend für das Land sein. - Keystone

2018 habe sie noch bei 49,5 Prozent gelegen. Die Wahllokale in Bern, Zürich und Genf waren für die Wahlen 2023 bis am 7. Mai geöffnet. In der Schweiz seien 105'820 türkische Wählerinnen und Wähler registriert, so die Botschaft, die sich auf Zahlen des Obersten Türkischen Wahlrats stützt.

Insgesamt wurden laut Botschaft in der Türkei und weltweit 64 Millionen Wählerinnen und Wähler zu den Urnen gerufen.

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