Zehn Jahre nach dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in katholischen Einrichtungen hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, einen nationalen Pakt gegen solche Verbrechen gefordert.
Kreuz
Kreuz an einer Wand. (Symbolbild) - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Opferinitiative kritisiert Kirchen - Taten wurden vor zehn Jahren publik.

«Sexuelle Gewalt kann nur dann wirkungsvoll bekämpft werden, wenn sich alle gesellschaftlichen Kräfte verbünden», erklärte er am Dienstag in Berlin. Nötig sei ausser klaren Zielen und Massnahmen auch «ausreichend Geld».

Derzeit jähren sich zum zehnten Mal die Enthüllungen über Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg. Dies war der Beginn weit umfangreicherer Enthüllungen, die sich zum Missbrauchsskandal der deutschen katholischen Kirche verdichteten. Die Kirche stürzte in eine tiefe Vertrauenskrise.

«Wir brauchen für Deutschland einen Pakt gegen Missbrauch», erklärte Rörig. Alle Bürger, Institutionen, Verbände, Parteien und Unternehmen müssten diesem Pakt sowie dessen Zielen ihre «uneingeschränkte Unterstützung» geben. «Ich bin immer wieder erschrocken darüber, mit welcher Gelassenheit sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche von Teilen der Gesellschaft hingenommen wird.»

Auch die Opferinitiative Eckiger Tisch forderte stärkere Anstrengungen im Kampf gegen Missbrauch. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche werde noch immer nicht «als zentrale gesellschaftliche Herausforderung für unser Land angenommen», erklärte deren Mitbegründer und Sprecher Matthias Katsch bei einer Pressekonferenz mit Rörig in Berlin.

Katsch kritisierte zugleich die Kirchen für das Tempo der von ihnen betriebenen Aufarbeitung. «Beide Kirchen haben in den vergangenen Jahren Aufklärung und Aufarbeitung über den Umgang ihrer Institutionen mit Verbrechen ihrer Mitarbeitenden vielfach verschleppt. Erst jetzt beginnen sie, sich ihrer Verantwortung zu stellen und machen sich an unabhängige und umfassende Aufarbeitungsprozesse.»

Die Deutsche Bischofskonferenz bekräftigte anlässlich des Jahrestags das Engagement der katholischen Kirche gegen Missbrauch sowie ihre Bereitschaft zur Aufklärung. Das Thema sei für sie nicht abgeschlossen, sondern fordere «unsere kontinuierliche und volle Kraft», erklärte der Ständige Rat der Bischofskonferenz am Dienstag in Bonn.

Er verwies dabei unter anderem auf eine von der Kirche 2018 vorgelegte Studie zum Umfang von Missbrauch in den eigenen Reihen in den vergangenen Jahrzehnten. Demnach ergaben sich in den kircheneigenen Akten Hinweise auf tausende Taten. Zu der Studie gehörten auch Empfehlungen für weitere Massnahmen, etwa die Einrichtungen externer Beratungsstellen oder im Zusammenhang mit Entschädigungen.

An deren Umsetzung werde gearbeitet, betonte der Rat der Bischofskonferenz. Mehrere Bistümer kündigten inzwischen Entschädigungszahlungen an, in der Kirche wird aber noch über die Modalitäten beraten. Die Bischofskonferenz bat um Verständnis. «Diese komplexen Themen benötigen viel Zeit für ihre Bearbeitung», teilte sie am Dienstag mit.

Opfervertreter Katsch bezeichnete die Kooperation mit der katholischen Kirche beim Thema Missbrauch am Dienstag im ZDF-«Morgenmagazin» als «nach wie vor zäh». Bei Fragen der Aufarbeitung und der Entschädigung sei erst jetzt nach zehn Jahren ein Punkt erreicht worden, an dem es eventuell zu echten Fortschritten komme, kritisierte er.

«Die Institution Kirche hält ihre Akten bei sich, und der Staat hat da lange genug zugesehen», ergänzte Katsch. Das müsse sich endlich ändern. Das Problem sei aber letztlich ein gesellschaftliches. Die Gesellschaft müsse begreifen, dass Kindesmissbrauch «ein massives Problem» sei. Dieser sei «verbreitet wie eine Volkskrankheit», werde aber nur mit «Heftpflastern» behandelt.

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